2. Sinfoniekonzert „American“: Eigene Akzente auf europäischen Wurzeln
Ein durch und durch „amerikanisches“ Programm war den Konzertbesuchern der Augsburger Philharmoniker beim 2. Sinfoniekonzert geboten. Da war wohl so mancher bei leichtem Naserümpfen mal gespannt, was Amerika, wegen der Wahlen derzeit ohnehin in aller Munde, musikalisch so hergibt. Das Programm hat GMD Domonkos Héja geschickt zusammengestellt – drei Generationen Komponisten, die fest in der europäischen Musik verwurzelt sind, wo aber jeder auf seine Art eigene „amerikanische“ Akzente setzt.
Von Halrun Reinholz
Fabian Heichele – Foto: Astrid Ackermann
Mit Leonard Bernstein, 1918-1990, kam zuerst der in sinfonischen Kreisen wohl Bekannteste der drei zum Zuge – ein Musiker, der sich als Komponist wie auch als Dirigent zu den Wurzeln der europäischen Musiktradition bekennt, diese aber gerne mit Elementen der „neuen Welt“ bereichert. Bei ihm denkt man vor allem an die „West Side Story“ mit einem sehr amerikanischen Plot. Im „Divertimento für Orchster“ kommt die Verschmelzung von europäischen Musikzitaten und amerikanischer Lebenswelt sehr deutlich zum Ausdruck: Anklänge von Walzer und Mazurka konterkarieren mit Samba, Blechbläserakzenten („Sennets and Tuckets“), näselndem Blues und einem frischen „Turkey Trot“. Das Divertimento hatte Bernstein dem Boston Symphony Orchestra zum 100. Geburtstag gewidmet, darauf bezieht sich der das Werk abschließende Memoriam-March „The BSO forever“, wo neben vielen anderen Motiven der Radetzky-Marsch anklingt, um dann mitreißend und fulminant zu enden. Mit Spaß und Leichtigkeit dirigierte Domonkos Héja, heftig tänzelnd und hüpfend, das mit Bläsern und Schlagwerkern verstärkte Orchester.
Das Solokonzert war dem „Instrument des Jahres 2024“ gewidmet, der Tuba. Als Soloinstrument tritt sie eher selten in Erscheinung, doch der amerikanische Komponist John Williams hat ihr tatsächlich ein Konzert gewidmet. Williams, Jahrgang 1932, ist landläufig eher als Filmkomponist bekannt. Da die Unterscheidung E- und U-Musik in den Vereinigten Staaten eher nebensächlich ist, komponierte Williams durchaus auch für den Konzertsaal. Musik, sagte er, sei „ein Fluss, aus dem wir alle schöpfen können, um zu trinken und von ihr gestärkt zu werden.“ Für die Tuba hatte er bereits ein Solo in der Filmmusik zu „Fitzwilly“ von Dick van Dyke geschrieben und seither immer wieder. Das Tuba-Konzert ist bewusst dreisätzig klassisch aufgebaut, dennoch erkennen Film-Freaks Musikzitate wieder, etwa aus „Superman“ oder „Der dritte Mann“. Die Solopartie übernahm in Augsburg Fabian Heichele, der seit 2011 festes Mitglied der Augsburger Philharmoniker ist und nun die Gelegenheit hatte, sich solistisch hervorzutun. Wobei das Publikum vor allem das riesige Instrument wahrnahm, hinter dem der virtuose Spieler nahezu verschwand.
Im zweiten Teil des Konzerts kam die erste Sinfonie des Komponisten Charles Ives zum Zuge, der in diesem Jahr 150 Jahre alt geworden wäre. Er war der Sohn des klassisch ausgebildeten Musikers George Ives, der in Connecticut eine Blaskapelle leitete. Die Unterhaltungsmusik und die evangelisch-methodistische Kirchenmusik seiner Jugend prägten den Komponisten neben der europäischen Musiktradition, die er in seiner kompositorischen Ausbildung an der Yale-University kennenlernte. Er war ein Vorreiter der Verschmelzung dieser Tradition mit amerikanischen Klängen und Rhythmen. So steht auch die erste Sinfonie mit ihren vier Sätzen in der Tradition der Sinfonien des 19. Jahrhunderts, denen er damit ein Denkmal setzen wollte. Wie bei seinen Vorbildern Dvorak und Bruckner blitzen tonal und rhythmisch jedoch immer wieder eigene innovative Klänge durch. Mit großer Empathie brachten die Philharmoniker dieses selten gespielte Werk dem Augsburger Publikum als Hommage zum 150. Geburtstag des Komponisten dar.