8. Sinfoniekonzert der Augsburger Philharmoniker mit Weltstar-Bratschistin Tabea Zimmermann
Im 8. Sinfoniekonzert wurden unter dem nicht ganz einleuchtenden Titel “Randerscheinungen” aufgeführt: Scherzo fantastique für großes Orchester op. 3 “Der Bienenflug” von Igor Strawinsky, Konzert für Bratsche und Orchester in der Fassung von Tabea Zimmermann von Béla Bartók und die 4. Sinfonie in e-moll von Johannes Brahms.
Von Otto Hutter
Den Auftakt des Konzertabends bildete das Scherzo fantastique für großes Orchester op. 3 “Der Bienenflug” des jungen Igor Strawinsky. Für großes Orchester deshalb, weil der Komponist hier die ganze Klangfarbenpalette eines Orchesters ausgelotet hat. Das Brummen und Surren der Bienen, imitiert von den Geigen, kontrastiert er effektvoll mit allen anderen Instrumenten. Für das Orchester bedeutet das ein ständiges Hin- und Her zwischen den Instrumenten, ein ständiges Abgeben und Aufnehmen der musikalischen Linien. Das kann nur klappen, wenn die Musiker aufeinander hören, und die Augsburger Philharmoniker unter Domonkos Héja ließen hier nichts offen. Vielversprechender Auftakt.
Höhepunkt eines Konzertabends ist natürlich immer ein Konzert im engeren Sinne, ein Konzert mit einem Solisten, und dies umso mehr, wenn ein Weltstar auftritt. Der Name Tabea Zimmermann ist nahezu synonym für Bratsche, und das Konzert von Béla Bartók hat sie während ihrer ganzen Karriere begleitet. Der bereits schwerkranke Bartók hatte die Solostimme fertiggestellt, war aber nicht mehr in der Lage gewesen, alle Orchesterstimmen auszuarbeiten. 50 Jahre nach Bartóks Tod waren die Original-Manuskripte des Konzerts freigegeben worden. Und Tabea Zimmermann hat daraus in jahrelangem Studium eine authentische Version erarbeitet. Der 1. Satz (Moderato) ist dunkel im Klang, wobei die Durchsichtigkeit des Vortrags von Tabea Zimmermann das Publikum geradezu dazu zwingt, jeden einzelnen Ton zu verfolgen. Der langsame 2. Satz (Adagio religioso) enthält viele wunderschöne Stellen, doch Bartók lädt nicht zum Schwelgen ein. Kaum hat man ein Motiv erkannt, ist es schon wieder weg und wird durch ein anderes abgelöst. Ganz anders das Finale (Allegro vivace). Unwillkürlich findet man an sich einem ungarischen Volkstanz wieder. Tabea Zimmermann scheint ihr Instrument nicht in den Händen zu halten, sondern es ist ihr wie angewachsen. Der ganze Körper schwingt im Rhythmus mit und zieht das Publikum in die Ausgelassenheit des Tanzes hinein.
Tabea Zimmermann ließ sich nicht lange um Zugaben bitten. Zuerst stellte sie mit dem 4. Satz der Solosonate von Paul Hindemith op. 25 Nr. 1 ihre motorischen Fähigkeiten unter Beweis. Der Komponist hatte die Vortragsbezeichnungen “Rasendes Zeitmaß. Wild. Tonschönheit ist Nebensache” angegeben. Dazu als Kontrast die zweite Zugabe, das melodiös singende Capriccio “Hommage à Paganini” von Henri Vieuxtemps. Nach stürmischem, langanhaltendem Beifall entließ das Publikum Tabea Zimmermann nur ungern.
Nach der Pause stand die 4. Sinfonie in e-moll op. 98 von Johannes Brahms auf dem Programm. Der für seine Lieder geschätzte Hugo Wolf hatte über die Uraufführung gespottet: “Die Kunst ohne Einfälle zu komponieren hat entschieden in Brahms ihren würdigsten Vertreter gefunden. Ganz wie der liebe Gott versteht auch Herr Brahms sich auf das Kunststück aus nichts etwas zu machen.” Wolf hatte damit – ironischerweise – Brahms durchaus zutreffend charakterisiert. Geändert hat sich nur die Art der Wertschätzung. Arnold Schönberg hat für die Technik, aus kleinsten Motiven durch ständige Abwandlung große Zusammenhänge zu bilden, den Begriff “entwickelnde Variation” geprägt.
Im 1. Satz (Allegro non troppo) sind es absteigende Terz- und aufsteigende Sext-Intervalle aus denen alles entsteht. Leider dürfte es jedoch am Montagabend dem Publikum nicht leichtgefallen sein, ein organisches Wachstum zu beobachten. Den Anfang spielte das Orchester nicht fließend sondern merkwürdig zerhackt, Domonkos Héja schien die Musiker zu schieben. Und im weiteren Verlauf waren sich die einzelnen Instrumentengruppen nicht immer einig über ihre jeweiligen Einsätze. Diagnose: Mindestens eine Orchesterprobe zu wenig.
Der elegische 2. Satz (Andante moderato) lief besser. Von den Bläsern vorgetragene Motive wurden durch die Streicher gefühlvoll aufgenommen und umgekehrt. Der 3. Satz (Allegro giocoso – Poco meno presto – Tempo I) in C-Dur, ein Satz im Tanzrhythmus voller stürmischer Klänge – der müsste Domonkos Héja eigentlich liegen. Und in der Tat, er führt hier sein Orchester zu Höchstleistungen. Der Spielfreude und Lust am Klang kann sich niemand entziehen. Kaum zu glauben, dass der erste und der dritte Satz von ein und demselben Orchester gespielt wurden. Den Schwung des dritten Satzes nehmen Dirigent und Orchester mit in den 4. Satz (Allegro energico e passionato – Più Allegro), welcher Motive des 1. Satzes wiederaufnimmt. Nach dem Finale bleibt der Eindruck, mitgerissen worden zu sein.