Puppenkiste-Kabarett 2025: Kunstvolles Affentheater
Die Augsburger Puppenkiste ist überregional bekannt, ganze Generationen kennen das Urmel, Jim Knopf oder den Kater Mikesch. In Augsburg selbst kennt man noch ganz andere Facetten dieses Theaters. So wartet man jedes Jahr gespannt auf das Kabarett, das am Silvesterabend Premiere hat und die ganze Spielzeit über praktisch ausverkauft ist. Selbstverständlich ist der Inhalt vor der Premiere ein gut gehütetes Geheimnis: Müssen neue Politiker-Puppen geschnitzt werden? Welche Story denken sich die Programm-Macher diesmal aus, um den aktuellen Polit-Wahnsinn aufs Korn zu nehmen?
Von Halrun Reinholz
Beim Kabarett 2025 musste wahrscheinlich kurzfristig improvisiert werden: das Ampel-Aus und die Neuwahlen hatte man bei der Konzeption des Gesamtprogramms sicher nicht im Fokus. Doch andererseits muss das Programm das ganze Jahr über laufen, allzu viel Tagesaktualität wäre da kontraproduktiv. Diese Gratwanderung meistert das Ensemble der Puppenkiste seit vielen Jahren mit Bravour – das Rezept dazu ist eine gesunde Mischung aus Politik, Alltagshumor, spritzigen Ideen, musikalischem Einfallsreichtum und grandiosem Puppenspiel.
Neue Politiker-Puppen mussten diesmal (noch) nicht geschnitzt werden. In ihrer WG versuchen die Protagonisten Robi (Habeck), Ole (Scholz), Chris (Lindner) und Kalle (Lauterbach) zu koexistieren. Kalles Cannabis-Nebel („alles ganz legal“) quittiert Robert mit der vorwurfsvollen Mahnung, doch an den Feinstaub zu denken. „Das bisschen Haushalt macht sich von allein“ tönt es im Hintergrund, Chris ist jedenfalls nicht bereit, das WG-Sparschwein dafür freizugeben. Dann taucht Hausmeister Markus Söder (mit Bart upgedatet) auf, zusammen mit dem Vermieter Friedrich Merz. Mit der zentralen WG-Szene ist das Kapitel Bundespolitik erst einmal abgehakt.
Für die Lokalpolitik ist dann der Kasper zuständig, der die Bühne in breitem Augschburgerisch für philosophische Betrachtungen zu den aktuellen Themen nutzt: Bahnhofsanierung, Straßenbahn, Theaterumbau und was sich sonst noch anbietet. Themen gäbe es genug.
Friedrich Merz, Annalena Baerbock und alle anderen warten hinter der Bühne auf ihren Einsatz. Foto: Halrun Reinholz
Doch es geht nicht nur um Politik: Im Kabarett-Programm zeigt das Team der Puppenkiste, was es künstlerisch drauf hat. Außer den Marionetten kommen noch andere Facetten des Puppenspiels zum Einsatz – Stabpuppen, Handpuppen oder auch Puppenspieler, die mit Puppen auf offener Bühne interagieren. Köstlich die Nummer mit „Barbaras Rhabarberbar“, die nicht nur im Affentempo gesungen, sondern auch mimisch und spielerisch dargestellt wird. „Was für ein Affentheater“ heißt übrigens auch das Gesamtprogramm des Kabaretts. Dazu passt die hochakrobatische Affen-Nummer, eines der Schmankerl des Abends. Auch die Affinität zur Musik ist ein Markenzeichen der Puppenkiste, sie zeigt sich auf unvergleichliche Art bei der Rock-Nummer der Kuh-Band, wo selbst die Zitzen des Euters sich im Takt der Musik bewegen.
Das Kabarett lebt vom hohen Tempo, mit dem die Nummern aufeinanderfolgen – oft auch nur als „Hör-Witz“ während der Umbauphasen. Die immer neuen Variationen zur Werbung für Seitenbacher-Müsli ziehen sich da wieder als „running gag“ durch den Abend. Auch für kurze Sketche wird kein Aufwand gescheut. So etwa, wenn eine offenbar englische Straße (Linksverkehr!) mit Zebrastreifen zu sehen ist, auf der nacheinander vier wohlbekannte Beatles auftauchen. Oder wenn zwei schweigend grasende Schafe das „Schweigen der Lämmer“ mimen sollen.
Ein besonderes Privileg für die Zuschauer der Kabarett-Vorstellungen ist die Möglichkeit, sich die Marionetten in der Pause hinter der Bühne anzusehen. Nicht nur die Handwerkskunst beim Schnitzen der Puppen fasziniert da, man bekommet zusätzlich auch einen Einblick in die unglaubliche Logistik, die sich da während der Vorstellung abspielt. Die Puppenspieler, die sich eigentlich eine Pause verdient hätten, geben auch noch freundlich und bereitwillig Auskunft und beantworten geduldig alle Fragen.
Traditionell werden die Kabarett-Zuschauer mit finalem Bigband-Sound verabschiedet. Trompeten und Saxophons schwingen im Takt, der Pianist windet sich mit dem Rücken zum Publikum und als Star des Abends drischt ein ultragelenkiger Affe auf das Schlagzeug ein. Was für ein Affentheater! Jedenfalls eins, das viel Applaus verdient hat. Das Publikum gibt davon reichlich.