Schließung der Halle 116
Erinnerungskultur in Augsburg – Nur auf Sand gebaut?
Gerade erst eröffnet, schon wieder zu. Die plötzliche Schließung der Halle 116 durch die Stadt Augsburg kam sogar für die Mitarbeiter des Erinnerungsorts überraschend. In einer sehr knappen Begründung auf der städtischen Homepage heißt es, dass das Gebäude „im Sinne aktueller Sicherheitsanforderungen nicht mehr standsicher“ sei. Droht damit auch der Erinnerungskultur in Augsburg der Einsturz? Peter Bommas bringt temporäre Alternativen für die Halle 116 ins Spiel, welche der Ausstellung die angemessene Aufmerksamkeit einbringen könnten. Und er fragt, welchen Stellenwert die aktuelle Stadtregierung der Erinnerungskultur überhaupt beimisst.
Kommentar von Peter Bommas
Der 2023 neu etablierte Erinnerungsort respektive Denkort Halle 116, das neben dem im Dornröschenschlaf vor sich hin dämmernden Offizierscasino und der dem Verfall preisgegebenen Chapel, letzte Originalüberbleibsel des ehemaligen KZ-Außenlagers Pfersee und des US-Militärs im Sheridan-Areal, ist das bedeutendste Aushängeschild zur Augsburger Erinnerungskultur, eine original bestehende Klammer zwischen Nazizeit und „Amerika in Augsburg“. Der unscheinbare, zwischen den noblen Neubauten fast verschwindende Zweckbau – außen pfui, innen hui – wirkt auf den sich dem Ort nähernden Besucher, gleichgültig ob zu Fuß, mit dem Radl, dem Bus oder dem PKW, erst mal abweisend und aus der Zeit gefallen. Diese Äußere passt zwar zu seiner Vergangenheit, wäre aber dennoch auf den der B17 und dem öffentlichen Parkgelände zugewandten Schmalseiten attraktiver und aufmerksamkeitsheischender zu gestalten. Sei’s drum – viel gravierender sind die ringsum angebrachten Klebefolien „Betreten verboten“ und die Bauzäune als Sperrgitter! Im Übrigen sieht das Gebäude aus wie immer – etwas heruntergekommen, fast so, als schäme man sich für diesen Bau. Was ist da los, fragen sich die eher ahnungslosen Besucherinnen und Besucher, die nicht regelmäßig die Lokalzeitung lesen und außer den Verbotsschildern keinerlei Erläuterung auf Infozetteln oder Plakaten vorfinden.
Flatterband. (Foto: P. Bommas)
Eine Tragödie für die Erinnerungskultur in Augsburg
Seit heute, Montag, 28.04.2025 ist es ganz offiziell: Die Augsburger Allgemeine titelt im Loktalteil „Die Halle 116 bleibt bis auf weiteres geschlossen. Die erhoffte Wiedereröffnung im Mai ist vom Tisch. Zur Beseitigung der Schäden sind mindestens 200.000 Euro nötig.“ Eine Tragödie für die Erinnerungskultur in Augsburg. Doch der Reihe nach: Das Drama begann Mitte März mit der Absage von gebuchten Schulklassenbesuchen und Führungen sowie der dann auf der städtischen Website nachgeschobenen Verlautbarung der Stadtverwaltung, dass der im Spätherbst 2023 eröffnete Erinnerungsort wegen plötzlich festgestellter baulicher Mängel – „Gefährdung der Standsicherheit“ ?? – von heute auf morgen geschlossen werden musste. Ein bombensicherer, betonierter Hochbunker kann auf absehbare Zeit nicht mehr betreten werden.
Die vorläufige Verabschiedung von diesem Erinnerungsort, der noch dazu als Ausstellungshalle von zentraler Bedeutung für das aktuelle Augsburger Friedensfest war, hinterlässt Lücken, zumal er in dem einen Jahr seines Bestehens von vielen Schulklassen super frequentiert war. Ohne gleichzeitig Alternativen für zeitlich begrenzte Ausstellungs- und Darstellungsformate darzustellen. Wie kann das sein? Welchen Stellenwert misst die aktuelle Stadtregierung dieser Schließung zum jetzigen Zeitpunkt bei? Hat sie Zwischenlösungen angedacht?
Im Sinne aktueller Sicherheitsanforderungen einsturzgefährdeter Hochbunker – die Halle 116 (Bild: DAZ)
Die Funktion des Erinnerungsorts wurde bereits durch Etatkürzungen stark beschädigt
Man hat mit Dr. Felix Bellaire endlich einen ausgewiesenen Fachmann für Erinnerungskultur in die Stadt geholt, der schon kommunikativ viel bewegt und für Vernetzung gesorgt hat und keine Berührungsängste mit den zivilgesellschaftlichen Initiativen und Vereinen zeigt (Erinnerungswerkstatt e.V., Stolpersteine e.V., Schulen ohne Rassismus etc.), der die Eröffnung des Museum vorangetrieben hat und immer bereit ist, in die Schulen zu gehen, mit interessierten Studierenden zu diskutieren und mit Besuchergruppen zu sprechen. Bei den Haushaltsberatungen für 2025 hat man ihm – trotz dieser Erfolge – den Etat halbiert und damit die Funktion des Erinnerungsorts schon stark beschädigt, jetzt setzt die Schließung der Halle noch eins drauf. Und die Bürgerstiftung Augsburg ruft schon zu Spenden auf – klingt irgendwie nach prekärer finanzieller Lage in Sachen Erinnerungsort – und die Meldung heute in der AZ mit den geschätzten Sanierungskosten bestätigt diese Sachlage. Die Antwort des Hochbauamts auf die Nachfrage nach der Dauer der Sanierung und damit der Schließung – „wie schnell dies geschieht, ist offen.“ – gibt wenig Anlass zur Hoffnung.
Die Erinnerungskultur sollte ernsthafter gepflegt werden
Was denkt man sich eigentlich an der Stadtspitze, hat man verfolgt, wie die Erinnerungskultur in den letzten drei Jahren an den Schulen und in der Zivilgesellschaft an Boden gewonnen hat? Soll das Engagement der „Schulen ohne Rassismus“ mit ihren erinnerungskulturellen Projekten – Anbringung von Erinnerungstafeln, Diskursen zu stadtteilzentrierten Erinnerungspfaden, Interviews mit noch lebenden Zeitzeugen sowie die Initiativen der Erinnerungswerkstatt mit den beiden Ausstellungen in der Stadtbücherei und der Anna-Kirche wieder verpuffen? Die gerade sich etablierende „Erinnerungskultur“, welche die junge Generation mit alten und ältesten Zeitzeugen zusammenbringt und in naher Zukunft nur noch virtuell darstellbar sein wird, sollte nachdrücklicher und ernsthafter gepflegt werden!
Ein Ersatzort für die Ausstellung
Neben der Erinnerung an den Nationalsozialismus wird auch immer virulenter die Erinnerung an Augsburg im Zweiten Weltkrieg und an die Zeit „Amerika in Augsburg“ – auch da werden die noch lebenden Zeitzeugen mit ihren Erinnerungen und vorzeigbaren Artefakten immer rarer. All das ruft nach einer stellenmäßig auszubauenden und finanziell abgesicherten Position im Haushalt der Stadt! Die Schließung der Halle 116 kommt deshalb zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt und ob man darauf hoffen darf, dass die Verantwortlichen im Bau- und Finanzreferat sowie im Gesamtstadtrat schon einen Ersatzort im Visier haben, der im Rahmenprogramm des Friedensfestjahres wenigstens Teile der Ausstellung sichtbar und den Background für Veranstaltungen möglich macht – bisher dazu nichts Konkretes gehört.
Der untere Rathausfletz wäre zum Beispiel passend, es würden keine Mietkosten anfallen, das hat schon vor drei Jahren bei der Anne-Frank-Ausstellung sehr gut funktioniert und würde den der Erinnerungskultur beizumessenden Stellenwert unterstreichen. Oder zum Beispiel einer der Zwischennutzungsorte in der Innenstadt – man könnte für die Dauer des Friedensfestes aus den drei Räumen in der Halle 116 einen komprimierten Erinnerungsraum gestalten mit leicht umziehbaren Vitrinen, gehängten Fahnen und Plakaten, die Mietkosten wären Verhandlungssache. Und bitte eine offenere, der Bedeutung von Erinnerungskultur angemessenere Kommunikation mit der Stadtgesellschaft.