DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Dienstag, 03.12.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Effi, Ach Effi Briest“ auf der Brechtbühne – Ein großer Spaß fast ohne Fontane

Effi Briest weckt Erinnerungen an Schullektüre. An ein Frauen- und Gesellschaftsbild, dem ich als Abiturientin der 80er Jahre mit tiefem Unverständnis begegnete. Ach, ein weites Feld. Und nun Effi auf der Bühne? Das Augsburger Staatstheater unternimmt in dieser Spielzeit einen ungewöhnlichen Versuch dazu – mit Überraschungen und unerwarteten Erkenntnissen.

Von Halrun Reinholz

Denn genau genommen bekommt das Publikum auf der Brechtbühne nicht Fontanes Effi Briest zu sehen. Der junge Wiener Moritz Franz Beichl, Nestroy-Preisträger, hat daraus ein Stück gemacht, das den vielsagenden Untertitel trägt: „Frei nach Fontane, mit fast keinem Satz von Fontane, wer braucht schon Fontane, wenn er Effi hat? Effi. Ach Effi. Ach. Ach.“

Christina Jung, Mehdi Salim, Klaus Müller, Sarah Maria Grünig, Sebastian Müller-Stahl

Das Personal ist in seiner Konstel­lation aus dem Roman vertraut. Doch Effi, dort eher Objekt als Subjekt ist, der alles nur „wiederfährt“, bekommt bei Beichl eine gute Portion Frische und Selbst­bewusst­sein. Naiv und vertrauens­selig lässt sie sich auf die Ehe mit Innstetten, dem Jugend­freund der Mutter, ein. Langweilt sich in der Provinz und begrüßt die Gelegenheit, sich mit Crampas zu treffen. Als ihr Mann die Affäre Jahre später per Zufall entdeckt, folgen die von der Gesell­schaft erwar­teten Konse­quenzen – Duell und Scheidung. So weit, so Fontane. Beichls Parodie nimmt den Klassiker ernst und führt ihn gleichzeitig ad absurdum. Der Text enthält, wie angekündigt, fast keinen Satz von Fontane, aber dafür kommt vieles zur Sprache, was bei Fontane fehlt: „Lasst uns darüber einen Monolog führen.“ Beichls Textgrundlage nutzt die Regisseurin Nina Mattenklotz für eine schrille Inszenierung mit farbenfrohen Kostümen (Johanna Pfau) und reichlich Slapstick.

Moritz Franz Beichl hat die Uraufführung seines Stückes in Wien 2022 selbst inszeniert und dabei alle sechs Rollen mit Männern besetzt. Nina Mattenkotz tut dies nicht, spielt aber auch zeitgeistkonform mit den Geschlechterrollen, indem sie die Amme Roswitha mit dem in jeder Hinsicht vielseitigen Klaus Müller und den in charmanter Strizzi-Manier wienerisch plaudernden Crampas mit der zeitweise barbusigen Mirjam Birkl besetzt. Klaus Müller ist nicht nur der stets treue Beschützer von Effi, der im Regen den Schirm über sie hält, er ist auch der Chansonnier, der das Geschehen auf die Musik von Romy Camerun kommentiert. In unterhaltsamem Kontrast stehen sich die Briest-Eltern auf der Bühne gegenüber: Die lustvoll sexgeile Mutter (Sarah Maria Grünig), die sich auch dem Ex-Lover gleichsam an den Hals wirft, als dieser um die Hand der Tochter anhält, und der schweigsame Vater (Sebastian Müller-Stahl), der kaum Textarbeit zu leisten hat, dafür pantomimisch brilliert. Eine Karikatur seiner selbst ist Innstetten (Mehdi Salim), unfähig zur Empathie, aber Kenner der gesellschaftlichen Spielregeln, die ihn zum Duell verpflichten. Die karikierte Duell-Szene wird dadurch zum satirischen Kernstück der Aufführung: Die beiden Männer trinken erst kumpelhaft Brüderschaft, bevor sich wie beiläufig der Schuss löst. Dumm gelaufen.

Christina Jung, Mirjam Birkl – Fotos: Jan-Pieter Fuhr

Im Dauer-Einsatz auf der Bühne ist Christine Jung als Effi. Zwischen Naivität und Vernunft pendelnd, stellt sie Fragen, picknickt mit Crampas, überlegt, hinterfragt, singt und spielt zwischen­durch auch mal Trompete. Zusätzlich zu Beichls Text hat die Regisseurin ihr noch einige feministische Textstellen verpasst, die sich stimmig in die Handlung einfügen, ohne aufgesetzt zu wirken. Damit konterkariert sie das Frauenbild, das Fontane ihr zugewiesen hat. „Ich habe nicht vor, schon zu sterben“, sagt sie einmal beiläufig und wiederholt diesen Satz am Ende, als sie laut dem Roman-Drehbuch eigentlich sehr wohl sterben müsste. Doch das Schicksal der Roman-Effi war auch im 19. Jahrhundert nicht zwangsläufig, wie das reelle Vorbild für die Roman­handlung zeigt: Elisabeth von Ardenne, die wegen einer Affäre geschieden wurde, nutzte diese Freiheit zur Selbst­ver­wirklichung und wurde 99 Jahre alt. Diese Botschaft gab die Bühnen-Effi dem Augsburger Publikum mit auf den Weg.

Viel Applaus für eine frische, unterhaltsame Inszenierung, die auch so mancher Schulklassen einen ganz anderen Blick auf Fontanes Effi Briest ermöglichen könnte.



4.12.2024 – Ein Abend für Dialog, Musik und Literatur gegen das Schweigen

Die Augsburger Gruppe der Artists Against Antisemitism und das Staatstheater Augsburg laden am 4. Dezember ins Alte Rock Café zu einem Abend mit Literatur, Musik und Gesprächsangeboten. Augsburg gedenkt wie viele Orte in Deutschland der Pogromnacht am 9. November 1938. Tausende jüdische Geschäfte, Synagogen und Wohnungen wurden zerstört – ein Wendepunkt hin zur systematischen Verfolgung […]

gesamten Beitrag lesen »



Glanzloser Dreier gegen Schlusslicht Bochum

Gegen den Tabellenletzten Bochum tat sich der FCA schwer und benötigte in der fast ausverkauften WWK-Arena einen Strafstoß für den mühevollen 1:0 Arbeitssieg. Von Udo Legner FCA-Trainer Jess Thorup hatte die FCA-Startelf gegen den Tabellen­letzten aus Bochum im Vergleich zur letzten Partie beim Spitzen­reiter Bayern München auf drei Positionen geändert. Für Keven Schlotterbeck (Gelb-Rot-Sperre) und […]

gesamten Beitrag lesen »



27.11.2024 – Friedensstadt Augsburg, mehr als ein Mythos?

Im Juni 2024 verabschiedete der Augsburger Stadtrat das “Selbstverständnis Friedensstadt” (die DAZ berichtete). Dieses ist nicht unumstritten. Der in Augsburg lebende Theologe und Publizist Wolfgang Krauß erforscht seit vielen Jahren die Geschichte der Täufer-Bewegung und die Geschichte der Konfessionen in Augsburg. Die Resolution des Stadtrats ist für ihn Anlass, einen kritischen Blick auf die sogenannte […]

gesamten Beitrag lesen »



Harry Kane : FCA 3:0

Eine Stunde lang sah es ganz so aus, als könnte der FCA das Bayernderby in der mit 75.000 restlos ausverkauften Allianz-Arena mit Glück und Geschick und mit weißer Weste überstehen. Doch dann war es Harry Kane, der mit seinem siebten Bundesliga-Hattrick alle Träume von einem Punktgewinn beim Tabellenführer platzen ließ. Von Udo Legner FCA-Coach Jess […]

gesamten Beitrag lesen »



Disconcerting States #12

Friday 15 November 2024. What Did We Learn From the 2024 US Presidential Election Campaign? A Baker’s Dozen of Suggestions and an Attempted Summary of Ongoing Events. By John Dean In sum, dear readers who have stayed with me this far: No. 1. We will not fully know what we’ve learned until election results are over. They are far […]

gesamten Beitrag lesen »



Der Fluch des Egoismus – Die „Weihnachtsgeschichte“ im Martinipark

Für das Familienstück hat das Augsburger Theater in diesem Jahr einen Klassiker ausgewählt: „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens. Sie ist aktuell wie eh und je. Von Halrun Reinholz Vor dem abweisenden Büro des Geld­ver­leihers Ebenezer Scrooge (Patrick Rupar) steht ein als Tannen­baum verkleidetes Kind und singt. Scrooge lässt es durch seinen Ange­stellten Bob Cratchit vertreiben, […]

gesamten Beitrag lesen »



„Mystic Sounds“ – Unge­wöhn­liche Akkordeon­klänge

In dieser Spielzeit haben die Augsburger Philharmoniker einen „Artist in Residence“ mit einem ungewohnten Instrument: die Akkordeonistin Olivia Steimel. Akkordeon im sinfonischen Konzert? Das geht, wie die Künstlerin bereits Ende September mit dem Konzert für Akkordeon und Orchester von Vaclav Trojan bewiesen hat. Und nun gab Olivia Steimel eine weitere Kostprobe ihrer Kunst in der […]

gesamten Beitrag lesen »



Disconcerting States #11

13th November 2024. Wednesday. Day Eleven. By John Dean What he promised. What he’ll do. What could happen. President Elect, Donald Trump. The second term in office a US President often goes for it. He strives to the utmost to gain or achieve something. This is their time to make hay while the sun shines. That is, until the […]

gesamten Beitrag lesen »



Disconcerting States #10

12th November 2024. Tuesday — just after USA’s Veterans Day. Day Ten. By John Dean Dear People,     As I was saying yesterday… It was a great drive down that broad, smooth interstate Route 81 north but going south on that autumnal, leaf-bright, storm-washed road across Virginia and down through the gullet of the rich Shenandoah Valley. Extended, extending. I wasn’t […]

gesamten Beitrag lesen »



Disconcerting States #9

11th November, 2024.  Veterans Day. By John Dean Dear people, Great drive today on the autumnal, leaf-bright, storm-washed road across Virginia. The Old Dominion! And down the gullet of the rich Shenandoah Valley, part of the great Appalachian Valley that’s spread out between the Blue Ridge to the East and the Allegheny Mountains to the West. We went down […]

gesamten Beitrag lesen »



Torloses Unentschieden im Duell der Kellerkinder

Das Interessanteste, was es zum eher unspektakulären und torlosen Heimspiel in der mit 28300 Zuschauern gut gefüllten WWK-Arena gegen den Tabellenfünfzehnten aus dem Kraichgau zu vermelden gibt: Für seinen Trainer Pellegrino Matarazzo war es das Endspiel. Von Udo Legner Zumindest in der zweiten Halbzeit, in der sich die Hoffenheimer deutlich steigerten, deutete Nichts auf die am […]

gesamten Beitrag lesen »



ältere Artikel »

Kurznachrichten

Pax Romana oder Pax Christi? – Stadtführung auf den Spuren des Friedens und der Gewaltfreiheit am Samstag, 23. November

Vor dem Augsburger Dom steht eine von vielen Menschen kaum wahrgenommene Portraitstele des katholischen Priesters Max Josef Metzger, 1887-1944. Gegenüber übermächtig Bischof Ulrich als Brunnenfigur. Bei der Schlacht auf dem Lechfeld, 955, soll sein Gebet und sein hoch aufgerecktes Kreuz den Sieg der kaiserlichen Truppen gegen die Ungarn gesichert haben. Auch Max Josef Metzger war […]

gesamten Beitrag lesen »



Nie wieder ist jetzt! – Gedenken zum 9. November



Am 9. November erinnert ein Bündnis aus Grüner Jugend, Jusos, Volt und Jungen Liberalen in Augsburg an die Opfer der Reichs­pogrom­nacht und die sechs Millionen Menschen, die im Holocaust ermordet wurden, darunter auch viele Augsburger. Die Gedenk­veranstaltung beginnt um 17.00 Uhr am Roten Tor, von wo aus verschiedene Erinnerungs­bänder in der Innenstadt besucht werden. Um […]

gesamten Beitrag lesen »



Lichter gegen das Vergessen – Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-“Euthanasie”



Zum Gedenken an die 1.218 Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Irsee laden das Bildungswerk des Bayerischen Bezirketags und das Schwäbische Bildungszentrum Irsee am 1. November zur jährlichen Gedenkveranstaltung ein. Zu der Gedenkveranstaltung haben sich auch Mitglieder des Bayerischen Landesverbands Psychiatrie-Erfahrener (BayPE e.V.) angekündigt, um ein Zeichen zu setzen, dass Menschen […]

gesamten Beitrag lesen »



8.11.2024 – Augsburger Bildungs- und Begabungstag



Ist Glück lernbar? Kann das Schulfach Glück die Persönlich­keits­ent­wicklung fördern und zur Lebens­zufrieden­heit beitragen? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich am Freitag, den 8. November der Augsburger Bildungs- und Begabungstag, der dieses Jahr sein 10. Jubiläum feiert. Die Veran­staltung richtet sich an Lehrpersonen, Studierende, außer­schulische Bildungs­anbietende, Mitglieder der Lokalen Agenda, Verant­wort­liche der Stadt­gesell­schaft und alle Inter­essierten. […]

gesamten Beitrag lesen »



Wohnsitz: An- und Ummeldung jetzt komplett online möglich



Bürgerinnen und Bürger in Augsburg können sich ab sofort nach einem Umzug bequem von zu Hause aus digital an- und ummelden. Die elektronische Wohnsitzanmeldung wurde in Hamburg entwickelt und steht in Bayern in Augsburg, Nürnberg und München zur Verfügung. Sie läuft medienbruchfrei ab. Die Online-Anmeldung wird an das Augsburger Melderegister übermittelt. Eine eventuell notwendige Wohnungsgeberbestätigung […]

gesamten Beitrag lesen »



Suche in der DAZ

  

DAZ Archiv

Dezember 2024
M D M D F S S
 1
2345678
9101112131415
16171819202122
23242526272829
3031