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Dienstag, 15.04.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

„Nora“ im Martinipark: Ken und Barbie im Puppenheim

Ibsens Stück „Nora“ das die starre bürgerliche Familie im 19. Jahrhundert aufs Korn nimmt, hat im Original den Titel „Ein Puppenheim“ (Et dukkehjem). Regisseurin Susanne Lietzow fokussiert konsequent darauf und inszeniert im Martinipark eine künstliche Ken-und-Barbie-Welt.

Von Halrun Reinholz

Großes Stelldichein im „Barbie-Haus“ der Helmers.

Alles ist für Weihnachten vorbereitet im perfekten Haus der Familie Helmer – Familienvater Torvald, der bald Bankdirektor sein wird, tadelt Nora, seine „Lerche“, die wieder zu viel Geld für Geschenke ausgegeben hat. Sie leben mit den drei Kindern und der Amme Anne-Marie in einem perfekten Haus, einer Barbie-Welt, und genauso sehen sie auch aus: Die blondgelockte Nora mit adrettem gelben Kleid im 50er Jahre-Look (Jenny Langner) stakst hochhackig daher und trällert ihren „Ken“ (Sebastian Müller-Stahl) mit blonder Fönfrisur und seriösem Business-Anzug liebevoll an. Konsequent lässt Regisseurin Susanne Lietzow die Darsteller auf der Bühne als „Puppen“ agieren – steif, mit maskenhaften Gesichtern und gespreizten Fingern, eine Kunst-Welt eben. Ein leises Raunen ist zu Beginn aus den Zuschauerreihen zu vernehmen: Soll das jetzt die nächsten zweieinhalb Stunden so weitergehen? Denn, ja, es nervt zunächst etwas. Doch wenn man sich darauf einlässt, wirkt das Konzept stimmig. Die Familienwelt im 19. Jahrhundert und die Welt im Barbie-Traumhaus sind in ihrer Künstlichkeit gar nicht so weit voneinander entfernt. Jeder und jede hat eine zugewiesene Rolle, die nicht hinterfragt wird und nicht ins Wanken geraten darf. Torvald liebt sein „Kindsköpfchen“ Nora, für die er seit acht Jahren Entscheidungen trifft, ohne zu ahnen, dass auch sie einmal eine fatale Entscheidung getroffen hat: Die Unterschrift ihres Vaters gefälscht, um ihrem Mann mit einem Kredit eine teure Therapie zu ermöglichen. „Ich habe es aus Liebe getan“, sagt sie selbstbewusst, als Torwalds Angestellter Krogstadt sie damit erpressen will. Die Vertuschung gelingt nicht und als alles ans Licht kommt, erlebt Nora von Torvald die Enttäuschung ihres Lebens: Ablehnung, Unverständnis und Strafe. Krogstads Kehrtwende macht scheinbar alles wieder gut, aber Nora hat ihre Lehre daraus gezogen und verlässt das vermeintlich idyllische Familienleben. Dass dieser Schluss bei der ersten deutschen Übersetzung von Ibsen abgemildert werden musste, zeigt die Brisanz des patriarchalen Familienlebens – wohl gerade in Deutschland. Selbstverständlich greift Lietzows Regiekonzept auf das radikal-feministische Ende der Originalfassung zurück. Eindrucksvoll wandelt sich die blonde Barbie, die zuvor noch für den Kostümball als hübsche neapolitanische Tarantella-Tänzerin ausstaffiert und von ihrem Mann wie eine Schaufensterpuppe auf den Schultern nachhause gebracht worden war, in eine quasi nackt und kahlköpfig da stehende Frau, die ihren fassungslosen Mann ruhig und emotionslos zur Rede stellt.

Nora (Jenny Langner, re) mit Torvald (Sebastian Müller-Stahl) und Christine (Mirjana Milosavljević) – Fotos: Jan-Pieter Fuhr

Neben den beiden Hauptfiguren wird das „Puppenhaus“ noch von weiteren Gestalten bevölkert, die alle unter den Zwängen ihrer Existenz leiden. Die Amme Anne-Marie (Ute Fiedler) schlurft als Hintergrundgestalt quasi unscheinbar durch das Bühnengeschehen, doch im Gespräch stellt sich heraus, dass sie einst ihr eigenes Kind weggegeben hat, weil die „kleine Nora“ sie damals als Amme brauchte. Der Hausfreund Dr. Rank (Thomas Prazak) gesteht Nora im Angesicht seiner tödlichen Krankheit seine bislang unterdrückte Liebe. Krogstad (Kai Windhövel) ist wegen eines früheren Vergehens gesellschaftlich geächtet und setzt alles auf eine Karte. Zu allem Überfluss entpuppt sich Noras plötzlich aufgetauchte Jugendfreundin Christine (Mirjana Mirosavljevic) als frühere Geliebte Krogstads, die ihm seinerzeit aus Not den Laufpass gegeben hat. Die in Ibsenscher Manier nach und nach aufgedeckten Erkenntnisse über all diese Verwicklungen lässt die Puppenwelt immer rissiger werden und das künstliche Gehabe immer grotesker. Um die Diskrepanz von Schein und Wirklichkeit dezent zu beleuchten, werden von den puppenhaften Gestalten an „passenden“ Stellen immer wieder Schlager der 50er und 60er Jahre intoniert.

Betont wird die künstliche Welt auch durch die Bühne, die Aurel Lenfert wie ein Puppenhaus mit farblosen Bausteinen gestaltet hat, vor denen sich die klischeehaften Kostüme umso besser abheben. Dass durch das Fenster eine Wüstenlandschaft zu sehen ist, erfährt man aus dem Programmheft: In der Wüste von Nevada wurden in den 50er Jahren Atomtests durchgeführt. Zur Simulation von Lebensnähe hat man „Puppenhäuser“ mit Szenen aus dem amerikanischen Alltag gestaltet. Ähnlich weltfremd mitten im Nichts wirkt das Puppenhaus der Helmers mit seinem Personal.

Dass das steife Puppen-Gehabe eine Herausforderung für die Schauspielerinnen und Schauspieler ist, ahnt man als Zuschauer sofort. Dramaturgin Sarah Mössner bestätigt es im Programmheft explizit durch einen kleinen Einblick in den Probenalltag: „Die normalsten Dinge – hinsetzen, Türen öffnen, Gegenstände greifen – wurden auf einmal zum Problem.“ Das Regiekonzept funktionierte aber nur, weil die Sprache eben nicht zum Roboter-Sprech werden durfte. Diesen Automatismus zwischen Sprache und Bewegungen mussten die Schauspieler in mühevoller Kleinarbeit durchbrechen – was hervorragend gelang und zur Faszination des Publikums über diese ungewöhnliche Inszenierung beitrug. Die anfängliche Skepsis des einen oder anderen wandelte sich zum Ende der Vorstellung in jubelnde Begeisterung – für das Ensemble, aber ganz deutlich auch für das Regie-Team.



FCA gegen VFL Bochum – der Hexenkessel Ruhrstadion wird zur Nagelprobe! Glücklicher Sieg über kampfstarke aber unglücklich agierende Bochumer

Die Ausgangslage war klar: Bochum musste punkten, um den Relegationsplatz nicht aus dem Auge zu verlieren, der FCA wollte möglichst einen Punkt mitnehmen und hoffte insgeheim auf einen Dreier und damit auf die finale Rettung, denn mit 42 Punkten wäre der Ligaverbleib nicht mehr gefährdet. Von Peter Bommas Und Jess Thorup – er brachte die […]

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Unter, hinter, neben dem Pflaster der Strand!

Statt Badeverbote im Stadtwald urbane swimming places an den Kanälen und Flüssen! Von Peter Bommas Augsburg könnte sich einreihen in die gerade europaweit heranbrausende Welle des urbanen Fluss- und Kanalschwimmens, angesagte Rückeroberungen des öffentlichen Raums jenseits von Pflaster, Asphalt und verordneter, amtlicher Begrünung – Förderung urbanen Lebensgefühls in Zeiten von Klimakrise und Verschwendung von grauer […]

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Todestümpel im Siebentischwald – Badeverbote der Stadt Augsburg viel zu lasch

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Mit neuen Hinweistafeln warnt die Stadt Augsburg vor extrem lebensgefährlichen Gewässern im Siebentischwald. Das ist sehr fürsorglich. Doch es fehlt an der nötigen Konsequenz, um die Bürgerinnen und Bürger vollständig zu bevormunden. Von Bernhard Schiller Südlich des ungeheuren Stempflemeeres (vom naiven Volksmund verniedlichend als Stempfle-„See“ bezeichnet) liegt die […]

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In Unterzahl endet die Ungeschlagen-Serie gegen Bayern München

When the music is over. Trotz Traumstarts setzte es gegen den Tabellenführer FC Bayern München in der ausverkauften WWK-Arena eine 3:1 Niederlage. Von Udo Legner Mit der zuletzt besten Defensive der Liga ging der seit elf Spieltagen unbesiegte FCA mit breiter Brust ins Duell gegen das Team mit der besten Offensive. Nach dem 1:1 in […]

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Der FCA bleibt auch in Hoffenheim ungeschlagen

Während mit der Zu-Null-Serie für Schlussmann Finn Dahmen nach 684 Minuten Schluss war, hielt die Ungeschlagen-Serie des FCA auch beim Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim. Nach dem elften Spiel in Folge ohne Niederlage steht der FCA nach dem 1:1 Unentschieden auf dem 8. Tabellenplatz und darf weiterhin von Höherem träumen. Von Udo Legner Never change […]

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„Cosi fan tutte“ im Martinipark

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Der mit dem Wolf tanzt: Großes Kino in der WWK-Arena

Am 26. Spieltag bezwang der FCA in der fast ausverkauften WWK-Arena den Tabellensiebten VfL Wolfsburg mit 1:0. Dadurch kletterte der FCA vorübergehend auf Rang 9 und rangiert hinter den Bayern als einziges noch ungeschlagenes Team auf dem zweiten Platz der Rückrunden Tabelle! Von Udo Legner FCA-Coach Jess Thorup hielt im Heimspiel gegen den Tabellensiebten aus […]

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FCA gegen Borussia Dortmund – ein Grottenkick im Signal-Iduna Park vor 80.000 – aber ein wunderbares 1:0 für den FCA!

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Die Erzählungen der Schattenfänger

In Erinnerung an DAZ-Gründer und Herausgeber Siegfried „Siggi“ Zagler, der vor einem Jahr, am 2. März 2024, gestorben ist, wiederholt die DAZ einen seiner Texte aus dem Jahr 2020 in gekürzter Form. Anlässlich eines Kunstprojektes am Oberhausener Gaskessel reflektierte Siggi damals die existenziellen Themen. Sinn und Unsinn, Licht und Schatten, Menschen und Götter. Reflexionen über […]

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Der Tabellenfünfte gegen den Tabellenelften, man durfte ein enges Spiel erwarten und war gespannt, wie die derzeit beste Defensive Europas (vor dem FC Barcelona!) den Breisgauer Offensivbemühungen standhalten würde. Von Peter Bommas Die knapp 30.000 in der WWK-Arena wurden nicht enttäuscht, wenn auch alle Augsburger Fans bis in die Nachspielzeit noch an einen Sieg glauben […]

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Leuchtturmprojekt Max59 – Alles Gute kommt von Unten

Während die Norma-Filiale in der Maximilianstraße 71 schloss und ein weiteres Geschäft in der Augsburger Prachtmeile kurz vor seinem letzten Ladenschluss steht, erstrahlt in der Maximilianstraße 59 völlig unverhofft ein vielversprechendes Leuchtturmprojekt. Von Udo Legner In der letzten Stadtratssitzung stand dieser Überraschungscoup bereits auf der Tagesordnung: die Sanierung, Entwicklung und Konzeption des ehemaligen Leopold Mozart-Konservatoriums […]

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DAZ heute

Kurznachrichten

3. Vielfalt Film Festival

Auch in diesem Jahr flimmert zum Abschluss der Internationalen Wochen gegen Rassismus in Kooperation mit dem Augsburger Filmbüro das Vielfalt Film Festival über die Leinwand. Die acht Festivalfilme (30. März – 4. April) werden von verschiedenen Kooperationspartnern präsentiert, die nach den Vorstellungen zu Filmgesprächen einladen. Der Flyer:

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Schulterschluss für Demokratie Vielfalt und Menschenwürde: Internationale Wochen gegen Rassismus in Augsburg 2025

Seit 2021 beteiligt sich die Stadt Augsburg an diesem deutschlandweiten Projekt, das bereits seit 2008 besteht und um den 21. März, dem Internationalen Tag gegen Rassismus, unter der Schirmherrschaft der Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus ausgerichtet wird. Das Büro für gesellschaftliche Integration der Stadt Augsburg hat in Kooperation mit zahlreichen Organisationen und Initiativen […]

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“Let’s Talk Bundestagswahlen“ – eine Podiumsdiskussion von jungen Menschen für junge Menschen



Am Dienstag, den 18.02.2025, veranstalten Schülerinnen der Q12 des Stetten-Gymnasiums in Kooperation mit dem Maria-Theresia-Gymnasium eine Podiumsdiskussion zu den bevorstehenden Bundestagswahlen. Auf dem Podium diskutieren Teilnehmende von insgesamt fünf Jugendorganisationen: Laura Sameit (Jusos Augsburg) Maren Dörr (Grüne Jugend Augsburg) Paul Schwendrat (Julis Augsburg) Etienne Dankelmann (Junge Union Augsburg) und eine Vertretung der Linksjugend Augsburg. Drei […]

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„Im Gedenken der Kinder“ – Ausstellung zu den Verbrechen an Kindern in der NS-Zeit



Eine Wanderausstellung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) e.V. in der Augsburger St.-Anna-Kirche erinnert an die nationalsozialistischen Verbrechen an Kindern mit Behinderung. Begleitend zeigt eine Kino-Matinee im Thalia die Lebensgeschichte von Ernst Lossa, der im Alter von 14 Jahren von nationalsozialistischen Medizinern ermordet wurde. Vor etwa achtzig Jahren begannen die systematischen Tötungen von […]

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„Alle an einem Tisch“ – Vesperkirche Augsburg vom 9. bis 23. Februar 2025



Nach dem großen Erfolg im letzten Jahr veranstaltet der Evangelisch-Lutherische Dekanatsbezirk Augsburg auch in diesem Jahr wieder eine Vesperkirche. Unter dem Motto „Alle an einem Tisch“ verwandelt sich die Kirche St. Paul in Pfersee vom 9. bis 23. Februar 2025 in die Vesperkirche Augsburg und ist dafür täglich geöffnet. Das Programm zur Vesperkirche bietet vielfältige […]

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