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Samstag, 11.01.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Kommentar: Ein anderes Volk suchen!

Zur Genehmigung der Fördermittel für die Linie 6

Der Bürgerentscheid gegen den schnellen Königsplatzumbau habe Augsburg schweren Schaden zugefügt, so Reiner Erben in seiner Stellungnahme zum einjährigen Jubiläum des Kö-Bürgerentscheids im November 2007. Damals standen die Spitzenpolitiker des Regenbogens mit bleichen Gesichtern im Ratskeller vor dem Schaubild ihrer Abstimmungsniederlage. „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, kommentierte Norbert Walter das damalige Plebiszit der Augsburger Bürger. Der Stadtwerke-Chef hatte mit seiner „Drohung“, dass die Linie 6 im Falle einer Ablehnung der Regenbogen-Mobilitätsdrehscheibe nicht gebaut werde, die Linie-6-Gegner aus Hochzoll an die Urnen getrieben und somit nicht unwesentlich zur Ablehnung des schnellen Königsplatzumbaues beigetragen. Die SPD-Spitze wiederum – damals noch Karl-Heinz Schneider und OB Paul Wengert – hatte mit ihrem Beitrag, der Wähler habe wohl die „Fragestellung nicht richtig verstanden“, ebenfalls sehr unklug den Willen der Bürgerschaft kommentiert.

Vor dem Entscheid waren die verantwortlichen Politiker des Regenbogens ihrer Sache zu sicher. Auch für engagierte Bürger war es nicht einfach, eine qualifizierte wie übersichtliche Erklärung zur Notwendigkeit des „Jahrhundertprojekts Mobilitätsdrehscheibe“ auf den Homepages der Parteien oder im Rathaus zu finden. Die Ausstellung des Siegerentwurfs im Rathaus zeigte seinerzeit zwar den geplanten neuen Königsplatz, beantwortete aber weder die skeptischen Fragen der Bürger zur Zweispurigkeit der Friedberger Straße, noch erklärte er die Notwendigkeit der Linie 6 dort entlang. Warum man den Bahnhof mit Combinostraßenbahnen nebst zugehöriger Wendeschleife unterirdisch mit irrwitzigen Kosten erschließen müsse, wurde ebenfalls nicht herausgearbeitet. Es wäre auch peinlich gewesen, wenn man hätte zugeben müssen, dass der inzwischen verstorbene Hermann Knipfer diesen Tribut gefordert hat. Ansonsten hätte seine FBU das Gesamtprojekt abgelehnt. Das sogenannte „Jahrhundertprojekt Mobilitätsdrehscheibe“ ist nichts anderes als ein von politischen Machtkämpfen gestricktes Kompromisspaket. Die Stadtwerke, die SPD, die Grünen und die FBU haben dieses Päckchen geschnürt. Dies hat dazu geführt, dass dem Projekt eine Dimension abgeht, die man ihm zunächst als selbstverständlich unterstellte: das Gesamtverkehrskonzept für Augsburg zu sein. Der schnell im Wahlkampf nachgeschobene Tunnel am Nadelöhr Friedberger Straße unterstreicht diese These.

Im Vorfeld des Bürgerentscheids argumentierten beide Seiten emotional und populistisch, die Gegner kaprizierten sich auf Bäume, die Befürworter auf den München-Komplex („Wollen Sie, dass 156 Millionen Fördergelder nach München wandern“). Nach dem Kö-Entscheid hat die damalige Stadtregierung versucht, diesen irreführenden Kö-Slogan zu plausibilisieren, indem sie wiederholt die Gefährdung der Fördergelder durch den Bürgerentscheid thematisierte. Gribl ging auf Nummer Sicher und nahm die Linie 6 aus der Umsetzung des Bürgerentscheids heraus. Eine umstrittene und von Häme begleitete Maßnahme, die sich politisch als richtig erwies: die Regierung von Schwaben erteilte jetzt den „hochprozentigen“ Fördermittelbescheid.

Die von Beginn an holprige Regenbogen-Kampagne von der Gefährdung der Fördergelder hat sich hiermit endgültig in Rauch aufgelöst. Trotzdem fordert SPD-Chef Heinz Paula in einer Presseerklärung am10.12.2008 die unverzügliche Umsetzung aller Projekte der Mobilitätsdrehscheibe, „ohne taktische Winkelzüge“. Die von Paul Wengert erfundene „Mobilitätsdrehscheibe“ ist allerdings am 25. November 2007 gestorben. Der Wähler hat dies entschieden. Auch wenn es die Riege der schlechten Verlierer bis auf den heutigen Tag nicht wahrhaben will.

Die Augsburger Innenstadt und somit der Hauptbahnhof sind gemäß Bürgerentscheid Gegenstand eines Ideenwettbewerbes zu einem innerstädtischen Gesamtverkehrkonzept, dessen Ergebnis im Februar 2009 bekanntgegeben wird. Ein Verlauf, wie ihn der Bürgerentscheid vorsah. Die neue Stadtregierung wickelt demnach ab, was ihr von der Bürgerschaft aufgetragen wurde. Dies scheint der Opposition nicht zu behagen. Die Kommentierungen der damaligen Regierung sowie die absurde aktuelle Stellungnahme von SPD-Chef Paula zur „Umsetzung aller Projekte“ evozieren ein altes Brecht-Wort, dass die Politiker ein neues Volk wählen sollen, wenn sie mit dem alten nicht zufrieden sind.

Siegfried Zagler