Brecht, Musik, Horwitz
Die offizielle Eröffnung des Brechtfestivals machte Appetit auf mehr
Von Frank Heindl
Horwitz und Wittenbrink, Lemper und Archer: Zur Eröffnung des Brechtfestival 2011 stellte der künstlerische Leiter Joachim Lang am Freitag vor allem die musikalische Komponente der diesjährigen Veranstaltungsreihe vor – schließlich sind „Brecht und die Musik“ diesmal das Generalthema.
Am Donnerstag schon hatte Ute Lemper mit ihrem Brechtprogramm in Gersthofen das Festival inoffiziell „voreröffnet“ (DAZ berichtete), nun folgte, wie üblich, im Goldenen Saal der offizielle Startschuss. Es begann mit einem Zusammenschnitt von alten Brecht- und Augsburgstreifen im Stil nostalgischer Heimatfilme sowie Mitschnitten aus dem letztjährigen Brechtfestival – Augsburg, so konnte man das verstehen, soll sich mit seinen Brechtfestival eine neue Tradition schaffen, anknüpfend an längst Vergangenes, aber hinausreichend über die Gegenwart.
Weil der OB Verspätung hatte, übernahm Finanzreferent Hermann Weber die Begrüßungsrede der Stadt und fasste die Bedeutung von Brechts Geburtshaus und der Brecht-Forschungsstelle unter dem Stichwort „örtliche Brecht-Ressourcen“ zusammen, was zwar keine sehr subtile, aber immerhin auch mögliche Sichtweise ist …
Internationale Stars und viel Musik
Ernsthafter wurde es dann wieder, als Joachim Lang seine Perspektiven für das Brechtfestival erläuterte. Nachdem im vergangenen Jahr das Thema „Brecht und der Film“ beleuchtet worden war, ist nun „Brecht und die Musik“ dran. Nicht nur seien für dieses Thema leichter internationale Stars zu gewinnen gewesen – das Brechtfestival habe mittlerweile einen sehr guten Ruf und sei weit über Augsburg hinaus bekannt geworden. So kann man in diesem Jahr innerhalb weniger Tage Ute Lemper (schon vorbei, DAZ berichtete), die australische Brecht-Interpretin Robyn Archer (sie war am Samstag auf dem Opernball zu hören) und die Griechin Maria Farantouri (am kommenden Donnerstag, 10.2. im Stadttheater) erleben, gegen Schluss (Samstag, 10.2. ebenfalls im Theater) dann auch noch den Schauspieler und Sänger Dominique Horwitz mit den Songs der Drei-Groschen-Oper.
Ute Lemper grüßte anschließend von der Leinwand mit einem in Gersthofen aufgenommenen Video, bevor der Brecht-Forscher Jan Knopf kurz die Rolle der Musik für Brecht beleuchtete. In der Tat gibt es zu nahezu jedem Theaterstück von Brecht auch Musik – die Brecht in seinem Kampf gegen das „Kulinarische“ und Gefühlsduselige nicht Musik, sondern „Misuk“ genannt haben wollte. Es gehe gegen die „Emotionswallungen in der Musik“, so Jan Knopf: „Wie kann in die Musik Vernunft hineinkommen?“, laute die Frage, und Brecht habe mancherlei Antworten darauf gefunden, die im Rahmen des Festivals zu überprüfen sein werden. Und die man gleich mal erleben konnte mit mehreren Interpretationen, die der großartige Komponist, Arrangeur und Pianist Franz Wittenbrink zusammen mit den Sängerinnen Sabrina Ascabar und Anne Weber vorstellte.
Dominique Horwitz, zwei Weißwein und gelungene Eigenwerbung
Dann zeigte Lang ein Video, in dem Dominique Horwitz, unterstützt von einer Rockband, mit gewaltig-gewaltsamer Power Brechts „Neuen Kanonensong“ intonierte – und nun war auch im Festsaal ein Stück jener Kraft und Inspiration zu spüren, mit denen Brecht ja nicht nur intelligentes Theater und zum Nachdenken zwingende Musik machen wollte, sondern mit denen er für eine andere, neue Gesellschaft kämpfte. Wut und Leidenschaft in Horwitz‘ Interpretation führten vor, wie nebensächlich die Frage ist, ob Brecht nun zeitlebens, nur vorübergehend oder gar nicht Kommunist war – auf jeden Fall war er ein Feind der Gesellschaft, in der er lebte, und dafür hatte er vielerlei Gründe. Zum Beispiel die Kriegstreiberei der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, aber auch die nach dem Ende des zweiten Weltkriegs, die nahtlos in den Kalten Krieg mündete.
Horwitz gelang es nicht nur mit diesem Video, sondern nachfolgend auch mit seiner leiblichen Anwesenheit, ein bisschen Erstaunen, ein bisschen Unruhe, ein bisschen Spontaneität in die doch recht sittsame Veranstaltung zu tragen. Auf die harmlose Fragen der Moderatorin wollte er zunächst gar nicht eingehen, sondern freute sich erst mal darüber, dass „die Damen vom Service“ ihm gegen seine Aufregung „zwei Weißwein“ genehmigt hätten, die ihn nicht nur desorientiert, sondern auch beflügelt zu haben schienen. Ob Horwitz nun einen sitzen hatte oder einfach nur ein begabter Schauspieler sei, der der Eröffnung seine eigene Note verpassen wollte, wurde beim anschließenden Empfang im Oberen Fletz des Rathauses vielfach diskutiert. Schlichtweg Dank gebührt ihm auf jeden Fall dafür, dass er Veranstaltung einen Teil ihres geballten kulturbürokratischen Ernstes nahm. Und beste Reklame für Horwitz‘ Konzert am Samstag war der Auftritt allemal. Er werde „alle Lieder der Drei-Groschen-Oper“ singen, verkündete der aufgedrehte Schauspieler mit den markanten Ohren, „auch die Frauenlieder, Duette, Terzette“ und zwar „in all meiner Bescheidenheit.“ Zum Abschluss gab er dem „Anstatt-dass-Song“ eine Kostprobe, die Appetit auf mehr machte.
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