Nicht Fisch, nicht Fleisch
Siegfried Zagler über Leander Haußmanns „Hotel Lux“
„Sein oder Nichtsein“ soll, so sagt man, nur deshalb als grandiose Satire über Hitler und die Schergen des Nationalsozialismus möglich gewesen sein, weil man 1942 in den USA das ganze Grauen des Nationalsozialismus noch nicht kannte. Hätte Ernst Lubitsch davon gewusst, wäre seine Satire so nicht möglich gewesen. Interessant ist allerdings die Feststellung, dass Lubitschs komödiantisches Meisterwerk erst weit nach 1945 in den Olymp der Filmgeschichte aufstieg. Die Frage, ob man über Hitler lachen dürfe, haben Charlie Chaplin, Ernst Lubitsch, Mel Brooks und zuletzt Dani Levi eindrucksvoll mit einem politisch unkorrekten Ja beantwortet.
Es fehlt die plausible Auslotung der Figuren
Leander Haußmann und seine Crew haben sich in „Hotel Lux“ mit einer Komödie über Stalin und den Sowjetkommunismus versucht und haben sich – nimmt man Lubitsch als Maßstab – dabei verhoben. Möglichweise mag das daran liegen, dass der kürzlich angelaufene Film zu nah an Lubitsch gebaut ist und politisch zu korrekt an den historischen Figuren aufgebaut ist oder einfach daran, dass man „Michael „Bully“ Herbig eine Liebesgeschichte nicht abnimmt. Leander Haußmanns Film fehlt die plausible Auslotung der Figuren und das Tempo, um dem Genre der Tragikomödie zu entsprechen. Die Komödie nimmt nie richtig Fahrt auf und flirrt in „ernsten“ Sequenzen ausgesprochen gestelzt über die Leinwand. Zwischendrin beschleicht das Publikum das Gefühl, Haußmann „macht auf Guido Knopp“ – nur eben eine Spur komischer. Es mag unredlich sein, „Hotel Lux“ mit „Sein oder Nichtsein“ zu vergleichen, doch das haben die Macher zu verantworten: Zuviel wird in „Hotel Lux“ aus Lubitschs Welterfolg zitiert.
Ein großartiger Stoff, ein flacher Film
Das „Hotel Lux“ gab es wirklich und es ist heute eine Chiffre für die innere Hölle der „großen Säuberung“. Das historische „Hotel Lux“ war eine Art Zwischenunterkunft für hochkalibrige kommunistische Emigranten. Eine Art „Gästehaus der Kommunistischen Internationale“. Ab 1933 suchten hier Kommunisten aus allen Ländern Schutz vor dem nationalsozialistischen Terror. Tito und Ho Chi Minh, Herbert Wehner und Georgi Dimitroff, Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht lebten und überlebten im Hotel Lux, in dem denunziert, verhört, überwacht, gefoltert und getötet wurde. Haußmann zeigt diesen Unort als dunkles Labyrinth mit langen Fluren ohne Ausgang. Der Film „Hotel Lux“ ist nicht Fisch, nicht Fleisch. Weder Komödie, noch Liebesgeschichte funktionieren im Sinne ihrer etablierten Muster. Es wäre dennoch kein Problem, ein halbes Dutzend Szenen des Films als grandioses Trailer-Potpourri zusammen zu stellen, womit gesagt sein soll, dass Haußmann hinreißende Szenen gelungen sind. Das reicht allerdings nicht aus, um der Geschichte eine überzeugende epische Form zu geben. Der Komiker Hans Zeisig (Michael Herbig), der einfach davonläuft oder sich in einer Abstellkammer versteckt, wenn es brenzlig wird und zufällig im „Lux“ strandet, um dort die Liebe zu entdecken, um über Nacht russisch zu lernen, um anschließend bei den „Vier-Augen-Gesprächen“ mit Stalin den Dolmetscher überflüssig zu machen, ist eine überfrachtete Kunstfigur, die sich durch das Inferno des Terrors kalauert. Am Ende siegt die Liebe und die Freundschaft. Ein großartiger Stoff, ein flacher Film.
Komödie: Deutschland 2011, Regie: Leander Haußmann. Buch: Volker Einrauch, Helmut Dietl, Leander Haußmann, Uwe Timm. Kamera: Hagen Bogdanski. Musik: Ralf Wengenmayr. Produzent: Günter Rohrbach, Anne Leppin, Alfred Hürmer, Günther Rohrbach, Corinna Eich. Darsteller: Jürgen Vogel, Sebastian Blomberg, Thekla Reuten, Samir Osman, Axel Wandtke, Jaymes Butler, Michael Herbig, Alexander Senderovich, Friedrich Karl Praetorius, Gennadiy Vengerov, Sylvia Schwarz, Julius Felsberg. In Augsburg im Cinemaxx, Cinestar und Thalia.