DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Freitag, 10.01.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Kommentar: Die Akte Gribl/Loeb

Am Dienstag, den 17. Februar beginnt um 13:30 Uhr im Strafjustizgebäude in der Gögginger Straße 101 ein Prozess mit politischer Dimension (die DAZ berichtete). Gegenstand der Verhandlung ist Arno Loebs Widerspruch gegen den Strafbescheid der Staatsanwaltschaft in Höhe von 2400 Euro wegen übler Nachrede im Zusammenhang mit den Gerüchten um uneheliche Kinder von Oberbürgermeister Kurt Gribl.

Kommentar von Siegfried Zagler

Der Verhandlungsgegenstand ist ziemlich einfach: Arno Loeb hat im Sommer 2008 auf seinem Blog „Augsburger Skandalzeitung“ seit Monaten kursierende Gerüchte veröffentlicht und somit zur Verbreitung eines Sachverhalts beigetragen, dessen Inhalte nicht zu beweisen sind. Das Strafgesetzbuch spricht in Sachen „Verleumdung und übler Nachrede“ eine unmissverständliche Sprache, § 186: „Wer in Beziehung auf andere eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, (…) bestraft.“

Kurt Gribl erwähnte am 16. Juli 2008 – in einem Interview der AZ – „einen nicht belehrbaren Internet-Blogger“, gegen den Strafanzeige gestellt sei. Loeb behandelte die Strafanzeige des OB als PR in eigener Sache und kommentierte auf seinem Blog die Angelegenheit bis zum Abwinken. Loeb war jedoch nicht der einzige Augsburger, der sich mit Gerüchteköchelei auf dünnem Eis bewegte. Das AZ-Forum eröffnete einen Thread, der sich mit 940 Beiträgen dem Thema auf der Metaebene widmete. Nicht wenige Beiträge wären justiziabel gewesen. Gribls „Sündenbockstrategie“ ist dennoch aufgegangen. Nachdem der AZ-Thread geschlossen wurde, verebbten die Gerüchte. Nur das Aktenzeichen „Gribl versus Loeb“ ist noch übriggeblieben.

Für den Underdog und Subkulturkünstler Arno Loeb wäre es ein leichtes Unterfangen, am Dienstagnachmittag die Stadtregierung in eine tiefe Vertrauenskrise zu stürzen. Loeb müsste „nur“ beweisen können, dass die Inhalte auf seinem Blog wahr waren. Dafür bräuchte er „nur“ Zeugen, die unter Eid aussagen, dass es stimmt, was in der „Skandalzeitung“ stand.

Da dem offensichtlich nicht so ist, ist nicht damit zu rechnen, dass Loeb aus der Angelegenheit unbeschädigt heraus kommt. Alles andere als „dem Widerspruch von Herrn Loeb wird nicht stattgegeben“ wäre eine politische Sensation.

Auf Nachfrage der DAZ hat Loeb geäußert, dass er, im Falle seiner „Verurteilung“, die Strafe nach Tagessätzen „absitzen“ will. Wer Arno Loeb kennt, weiß, dass diese Variante zum Spektrum seiner PR-Strategien gehört. In Kürze wird sein siebter Augsburg-Krimi „Die Kuhseekatastrophe“ erscheinen. „Ein sexsüchtiger OB-Kandidat wird dabei in einen Mordfall verwickelt“, so Loeb zur DAZ. Auch in den Texten seiner Punkband „Impotenz“ arbeitet Loeb seinen Zwist mit Gribl ab.

Loeb ist in Augsburg nicht irgend jemand. Seit mehr als dreißig Jahren poltert der Underdog lautstark in die Stadt hinein. Sex, Crime und Kitsch waren schon immer sein Metier. Loeb hatte sich bereits in den 80ern einen veritablen lokalen Bekanntheitsgrad als Popclown und Subkulturpapst erarbeitet, gab Augsburger Rocklexika heraus und sorgte 2001 als Verfasser des Librettos für das Roy Black Musical mit einem Paukenschlag für ein bis heute in Breite und Nachhaltigkeit unerreichtes, bundesweites Medienspektakel. Das in Augsburg uraufgeführte Musical generierte einen medialen Augsburg-Hype, von dem die Initiatoren des Brecht-Festes nur träumen können. Das ändert aber nichts daran, dass Loebs Kunst kaum mehr als geschmacklose Chiffren bietet. Seine Krimis haben mit Literatur nichts zu tun, seine Musik ist nur für Punks als solche zu erkennen und sein Blog ist kaum der Rede wert.

Dennoch sollte man nicht verkennen, dass Loebs Wirken, sein reflexartiges wie obszönes Gestänkere gegen die Obrigkeit, auch liebenswerte Züge hat. Es gibt wenig Augsburger, die sich intensiver mit ihrer Stadt auseinandersetzen als Loeb. Er ist der bunte Hund der Unterstadt, dessen lachendes Gebell zur Stadt gehört wie der Perlachturm zum Rathaus. Ein stadtbekanntes Unikum an den Pranger zu stellen, könnte für Oberbürgermeister Gribl peinliche Folgeeffekte evozieren. Loeb hat in den vergangenen zwanzig Jahren ein großes Netzwerk gesponnen. Er gehört zu den bekanntesten Figuren dieser Stadt, für viele Augsburger ist Loeb eine Kultfigur, ein unangepasster „Meister des schlechten Geschmacks“. Trotz seines großen Netzwerks ist es ihm aber in den vergangenen Monaten nicht gelungen, den Wahrheitsgehalt der von ihm verbreiteten Gerüchte zu verifizieren.

Wenn es ihm nicht gelingt, herauszufinden, ob die Gerüchte um uneheliche Kinder des Stadtoberhaupts nicht nur Gerüchte sind, dann dürften die Gerüchte als Gerüchte entlarvt sein.

Die Stadt Augsburg hat in den letzten drei Jahren 360.000 Euro in das abc-Festival investiert, in den nächsten drei Jahren wird die gleiche Summe zu Ehren Brechts fällig. Zwischen Loeb und Brecht liegen Welten, aber Augsburgs berühmtester Sohn würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, dass man in seiner Heimatstadt gerade dabei ist, das Populistische in seinem Werk zu entdecken und gleichzeitig einen fast sechzigjährigen Pop-Rabauken, für den der junge Brecht viel übrig gehabt hätte, wegen seines obszönen Gebells ins Gefängnis steckt.