Neue Namen auf der Liste der Ermordeten
Gedenken an die Deportation Augsburger Juden
Von Frank Heindl
Eine Gedenktafel mit den Namen von 56 Augsburger Juden, die von den Nazis ermordet wurden, enthüllte Oberbürgermeister Kurt Gribl im Rahmen einer Gedenkstunde am vergangenen Donnerstag im Rathaus.
Gribl mahnte die Anwesenden, das Erinnern an die Untaten des Naziregimes sei nach wie vor „Pflicht“, pochte aber gleichzeitig darauf, dass diese Pflicht nicht nur eine „protokollarische Veranstaltung“ sei, sondern eine „Brücke in die Zukunft“ bilden solle – vom Gedenken führe der Weg übers Nachdenken zum „Vordenken“ und damit zur positiven Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. Die Gedenkstunde erinnerte daran, dass vor 70 Jahren, am 6. April 1942, Augsburger Juden ins polnische Piaski deportiert wurden. Sie wurden zunächst im jüdischen Getto der kleinen Stadt untergebracht – in Behausungen, deren Bewohner kurz zuvor ermordet worden waren.
Diese Deportation war nicht die erste aus Augsburg – schon im November 1941 war ein Transport ins lettische Kaunas gefahren, weitere Deportationen folgten, unter anderem nach Auschwitz und Theresienstadt. All dies sei nur möglich gewesen, „weil viele weggeschaut haben“, sagte OB Gribl – was sicher richtig ist. Richtig ist aber auch, dass es vor allem möglich war, weil – auch in Augsburg – viele zugesehen und die „Judenpolitik“ der Nazis gutgeheißen haben.
„Menschen, die Schmerz spürten, Abschied, Verzweiflung“
Rabbiner Henry Brandt machte sich anschließend Gedanken über die „Inflation“ von Gedenktagen. Würden wir uns zu allen Anlässen dem Gedenken hingeben, so hätten wir „keine Zeit mehr für Fasching und Purim“ – ein Satz, der das Dilemma prägnant zusammenfasst, dass das Leben auch für die überlebenden Juden weitergehen musste, dass jedoch dieses Leben mit alle seinen Freuden und Festen für die Juden immer auch im Schatten der Vergangenheit stattfinden wird, im Schatten der unfassbaren Vorgänge in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. Piaski, so Brandt, sei für das Gedenken vor allem geeignet, weil es „zahlenmäßig noch irgendwie begreifbar“ sei. Theresienstadt, Majdanek, Auschwitz – die Zahlen der dort Getöteten könne der Verstand nicht mehr erfassen. In Piaski dagegen sei gerade „drei- oder viermal die hier versammelte Menge“ umgekommen – Augsburger Juden, „Menschen mit Gefühlen, die Schmerz spürten, Abschied, Verzweiflung.“
Gernot Römer schließlich erinnerte daran, dass die Zeit eben nicht alle Wunden heilt. Er zitierte den Publizisten Ernst Cramer, der sich bei der Wiedereinweihung der Augsburger Synagoge 1985 an seine Eltern und seinen Bruder erinnert hatte, die mit ihm zusammen in dieser Synagoge gebetet hatten – Cramer hatte seine gesamte Familie in den Vernichtungslagern der Nazis verloren, der Schmerz darüber, so Römer, habe ihn nie verlassen. Ein bisschen gegenwärtig wird den Zuhörern dieser Schmerz, als im Anschluss sechs Augsburger Studentinnen die Namen vortragen, die nun auf einer zusätzlichen Gedenktafel im Rathaus zu lesen sind.
Eine quälend lange Liste ist das, in der den Opfern, nach langwierigen Recherchen von Gernot Römer, endlich wieder Namen gegeben werden. Die Studentinnen erwähnten zusätzlich auch das Alter der Deportierten – vier Jahre alt war das jüngste, 71 das älteste der Opfer, die nun der langen Liste der ermordeten Augsburger Juden hinzugefügt wurden. Nach der Enthüllung der Gedenktafel stimmte Rabbiner Henry Brandt das Kaddisch an, das jüdische Totengebet, in dem an die Verstorbenen erinnert wird.