Die Brechtbühne ist eingeweiht
Dankesreden und Schulterklopfen bei der Eröffnungsfeier
Von Frank Heindl
Mit einer zweistündigen Matinee hat das Theater Augsburg am Freitag die Eröffnung der lang ersehnten zweiten Spielstätte gefeiert und damit die neue „Brechtbühne“ eingeweiht.
So eine Feier muss sein, selbstverständlich: Das Theater braucht die Gelegenheit, sich bei seinen Förderern zu bedanken, auch wenn der Platz nicht für alle reicht und wenn dabei für Theater wenig Zeit bleibt. Im Vorfeld hatte es unter Augsburger Politikern für Unmut gesorgt, dass nicht alle Stadträte eine Einladung bekommen hatten. Intendantin Juliane Votteler betonte denn auch in ihrer Rede, der Andrang hätte für weit mehr Publikum gereicht. Alle, die leer ausgegangen sind, können sich mit der Gewissheit trösten, dass man ein neues Theater sicherlich besser kennenlernt, wenn man sich darin Theaterproduktionen anschaut. Am Freitag gab es stattdessen eine Reihe gut gelaunter Lob-, Dankes- und Glückwunschreden zu hören, in denen sich die Teilnehmer versicherten, sie hätten stets an die neue Bühne geglaubt – mit Ausnahme von OB Kurt Gribl, der selbstironisch zugab, er habe sich gelegentlich zu Zweckoptimismus genötigt gefühlt: „Ich musste mehr Zuversicht vermitteln, als ich hatte, Frau Votteler!“
Was jetzt lustig daherkam, hatte in der Tat in den vergangenen Jahren die Nerven vieler Beteiligter erheblich strapaziert. Die Theaterleitung hatte sich immer wieder von den Erfordernissen und Mühen politisch-bürokratischer Entscheidungsfindung wenig amüsiert gezeigt, während vor allem die Intendantin der anderen Seite durch stetigen Druck und anhaltende Forderungen das Leben schwer machte. Wobei man Juliane Votteler zugutehalten muss: Ihre Strategie hat zum Erfolg geführt. Diejenigen, die noch bis vor einem knappen Jahr immer mal wieder die alte Komödie als neue-alte zweite Spielstätte ins Gespräch bringen wollten, feierten am Freitag trotzdem mit.
Der Millionensegen aus München hält an
Verlierer gab es sowieso keine an diesem Tag: Sogar Franz Pschierer, Staatssekretär im Finanzministerium und durch seinen aus München vermittelten Geldsegen in Kooperation mit der Augsburger Stadtsparkasse wohl der wahre Retter der „Interimsspielstätte“, schien sich darüber zu freuen, dass er Millionen zuschießen durfte und für die geplante Generalsanierung des Großen Hauses möglicherweise viele, viele weitere wird zuschießen müssen – der Freistaat hat sich auf eine Beteiligung von 45 % festgelegt, und zwar unabhängig von den letztendlich entstehenden Kosten. Eine Erhöhung des jährlichen Betriebskostenzuschusses aus den Kassen des Freistaats bekräftigte Pschierer gleich auch noch: Für 2011 hat die Staatsregierung 11,2 Millionen Euro springen lassen, im laufenden Jahr könnte es nochmal ein bisschen mehr werden, kündigte er an. Verbal klopften der Münchner Staatssekretär und der Augsburger OB sich gegenseitig kräftig auf die Schultern – und man kann ihnen das kaum verübeln, schließlich hat Augsburg für 5,2 Mio. ein in Rekordzeit hingestelltes Theater bekommen, das möglicherweise im Laufe seiner Existenz einen anderen Rekord brechen wird. Denn der anfangs für ein paar Jahre geplanten „Interimsspielstätte“, eigentlich von vorneherein zum baldigen Abbruch bestimmt, könnte ein langes Leben bevorstehen. Noch am Mittwoch hatte Steffen Rohr, kaufmännische Direktor des Stadttheaters, vor dem Werkausschuss des Stadtrates betont, man werde die neue Spielstätte buchungstechnisch „über 20 oder 25 Jahre“ abschreiben. Die Bezeichnung „Container“ hatte sich zwar lange im Sprachgebrauch gehalten, doch von einer Blechbüchse hat das Gebäude nichts mehr. Kenner gehen davon aus, dass das Massivgebäude auch 50 Jahre problemlos überstehen kann.
Endlich wieder Spiel- statt Baupläne
Die Theaterleitung habe „so viele Pläne“, betonte die Intendantin – man darf ihr wünschen, dass sie sich nun für eine Weile wieder mehr den Spiel- als den Bauplänen wird widmen können. Auf der Brechtbühne wird allerdings zunächst „nur“ Brechts „Mann ist Mann“ zu sehen sein, als Wiederaufnahme einer dereinst für die neue Bühne geplanten und dann der Not gehorchend in Dierigs Industriehallen verlegten Produktion. Vom 11. Mai an wird das neue Haus dann für die Bayerischen Theatertage den erforderlichen Rahmen bieten und dabei seine Möglichkeiten zeigen können. „Warm gespielt“ dürfte die neue Bühne danach sein – und dann erst beginnt fürs Augsburger Theater die eigentliche Aufgabe: Das neue „kleine Haus“ mit spannenden Produktionen im Bewusstsein der Augsburger Theaterbesucher zu verankern und konservativen Gemütern den Verlust „ihrer“ Komödie vergessen zu machen. Das könnte einer Aufforderung zum Spagat gleichkommen: Denn gleichzeitig blickt ein großer Teil des Augsburger Publikums in die Zukunft und wartet auf neue, spannende, mutige, moderne Produktionen, die Gegenwart aufgreifen, reflektieren, erfahrbar machen, die Diskussionen anregen, Diskurse beflügeln – und dabei vielleicht auch ein paar alte Zöpfe abschneiden. Auch dafür könnte das endlich erreichte (Zwischen-)Ziel Ansporn sein.
Was Theater kann und soll, wozu wir eigentlich in Zeiten knapper Kassen eines brauchen – davon war in den gestrigen Festreden bestürzend wenig zu hören. Hoffen wir, dass das Theater mithilfe seiner neuen Spielstätte solche theoretischen Fragen ganz praktisch beantworten kann.