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Dienstag, 26.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kunstwerk für kleine und große Kinder

Das Fakstheater hat eine „Brecht für Kinder“-CD gemacht

Von Frank Heindl

Dass der große Bert Brecht nicht nur mit großem philosophisch-kritischem Background dichtete, dass er im Gegenteil gelegentlich auch ganz schön „Dada“ war, wissen besonders diejenigen, die seine Kindergedichte kennen. Das Lied „vom Kind, das sich nicht waschen wollte“, dem folglich ein Zwetschgenbaum aus dem Ohr wächst und das daher im Schulhof eingepflanzt wird, ist dafür ein Beispiel. Die Schauspielerin Karla Andrä und der Musiker Josef Holzhauser, bekannt als das Augsburger Fakstheater, haben dieses und andere Gedichte zu herrlichen Songs vertont und mit exzellenten Musikern auf CD eingespielt.



„Onkel Ede hat einen Schnurrbart“ ist ein anderes Beispiel für den blühenden Unsinn, den Brecht gelegentlich zu Papier brachte. Edes Schnurrbart hat nur fünf Haare – doch jedes trägt einen Namen: Fritz, Otto, Max, Karl und Paul heißen sie. Josef Holzhauser hat zum Nonsens-Text eine saftige Rocknummer gebastelt, zu Karla Andräs Stimme jault seine E-Gitarre, während Daniel Mark Eberhard fette Orgelsounds unterlegt, der Bass von Uli Fiedler wummert und mit Walter Bittner auch noch Augsburgs bester Drummer am Werk ist. Weitere Spaßnummer: „Es war einmal ein Schwamm“ – Brecht geht hier seiner Lieblingsbeschäftigung nach, die Verhältnisse gegen den Strich zu bürsten. Aus „es war einmal ein Mann, der hatte einen Schwamm“, wird daher ein noch viel sinnfreieres „Es war einmal ein Schwamm, der hatte einen Mann“ – und zwar als mitreißender Bluesrock.

Fisch Fasch mit dem weißen Asch

Doch das Fakstheater ist auch für eine sehr intensive und ernsthafte Beschäftigung mit Brecht bekannt – und so kann es nicht bei frechem Unsinn bleiben. Nicht fehlen darf auf der Kinder-CD der Fisch mit Namen Fasch, der, typisch Nazi, nicht gerne arbeitet, aber den Leuten umso lieber seinen „weißen Asch“ zeigt, bis deren Gutmütigkeit dann doch einmal ein Ende hat. Ein paar einführende Worte über Brechts Jugend in Augsburg gibt es zwischendurch und einen kurzen Überblick über des Dichters Leben auf der Flucht, seine Rückkehr nach dem Krieg. Das kommt alles sehr unakademisch, vorwiegend fröhlich-witzig daher, aufgelockert durch Verse aus dem Kinderalphabet, das wunderschöne „Drachenlied“ und darüber, wie die Vögel im Winter auf Futter warten. Jüngere Kinder werden das wörtlich verstehen – größere werden selber merken oder von Erwachsenen erklärt bekommen, dass damit auch die bittere Armut der Bevölkerung nach dem Krieg gemeint sein könnte, die trotzdem die „Pappel vom Karlsplatz“ nicht verfeuert und deshalb vom Dichter einen ergreifenden Dank abgestattet bekommt.

Josef Holzhausers Kompositionen begnügen sich nicht damit, eingängige Rhythmen und Melodien für Brechts Gedichte zu finden – sie ergänzen die Texte um ungeahnte Dimensionen, interpretieren sie, ohne sie zu verfremden: Leicht, schwebend-swingend sind seine Töne fürs „Nachkriegsliedchen“, nicht ohne Grund hat er für das „Friedenslied“ den Groove einer amerikanischen Dixieland-Kapelle gewählt, das US-Exil hat es Brecht ermöglicht, seine Vision vom „Frieden in unserem Hause, Friede im Haus nebenan“ zu entwickeln. Lyrisch-leicht ertönt das „Lied vom Glück“, mit dem die Matrosen ihr Schiff übers Meer steuern, und kraftvoll-würzig die „Plärrer-Blasmusik“, mit der Brecht auch musikalisch fest auf Augsburger Boden verwurzelt wird.

Zum Alter ist man ehrerbötig? – Von wegen!

Ein kleines Kunstwerk ist da entstanden, dessen Qualität nur den verwundern kann, der noch nie eines der tollen und mitreißenden „Brecht für Kinder“-Programme des Fakstheaters gesehen hat. Kinder haben an dieser CD großen Spaß, und Erwachsene natürlich auch – jedenfalls wenn sie darüber wegsehen können, dass Brecht ihr erzieherisches Wirken selbstverständlich autoritätskritisch unterminiert. „Was ein Kind gesagt bekommt“ – diese Sammlung von erwachsenen Dummsprüchen ist natürlich ein noch viel größerer Quatsch als der von Onkel Edes Eigennamen führenden Schurrbart-Haaren: „Zum Alter ist man ehrerbötig“? Na von wegen!

Die CD „Onkel Ede hat einen Schnurrbart“ gibt es in Augsburg beispielsweise in der Buchhandlung am Obstmarkt, bei Pustet, Böhm und Sohn, in der Schlosserschen Buchhandlung und im Musikhof. Hörproben unter www.andraerecords.de/shop/onkel_ede_hat_einen_schnurrbart. Das Ganze kann man live in einer wunderbaren Inszenierung sehen: Am 12. und 13. Januar 2013 im Kulturhaus abraxas sowie an Bertolt Brechts 115. Geburtstag am 10. Februar in der Brechtbühne. Weitere Info und Tickets unter fakstheater.de.