Neues aus dem Kulturausschuss
Von Siegfried Zagler
Der Kulturausschuss arbeitete am vergangenen Montag wichtige Dinge ab. Zunächst ging es um Generalmusikdirektor Dirk Kaftan, der bereits im Januar OB Kurt Gribl darum bat, seinen erst im Januar 2012 bis 2016 verlängerten Vertrag aufzulösen, da er ein unwiderstehliches Angebot aus der Grazer Oper vorliegen habe. Eine kleine Sensation stellte der Zwischenbericht zur Neukonzeption der Neuen Stadtbücherei dar – und Markus Becker erklärte den Stadträten, warum man die Popkultur und die Kreativwirtschaft mit zwei städtischen Stellen fördern solle.
Kaftans Abgang
Kurt Gribl wollte als oberster Werkleiter des Augsburger Stadttheaters Dirk Kaftan keine Steine in den Weg legen. Im nichtöffentlichen Teil des Kulturausschusses wurde darüber wohl nicht debattiert und auch nicht darüber, ob es tatsächlich „nur“ das Grazer Angebot war, weshalb Kaftan um eine Vertragsauflösung bat, sondern wohl eher darüber, wie genau Kaftans langsames Abschiednehmen abzuwickeln sei und wer unter welchen Prämissen seinen Nachfolger bestimmt. Der Stadtrat nickte am gestrigen Donnerstag die städtische Abschiedsvereinbarung mit Dirk Kaftan ab. Mit Dirk Kaftan verlässt das Augsburger Stadttheater ein Mann, der für die Öffnung der Theaters am meisten getan hat. Mit der unumstrittenen Klasse seines Dirigats und seinem Engagement außerhalb des Theaters ist in Augsburg ein neuer Geist eingezogen. Sein Abgang ist ein großer Verlust. Immer wieder waren Gerüchte zu hören, dass es zwischen Dirk Kaftan und Intendantin Juliane Votteler ein nicht mehr zu reparierendes Zerwürfnis gegeben haben soll. Im Sommer 2012 sprach der Personalrat der Stadt Augsburg von einem Führungsproblem am Theater und nach der Pressekonferenz zur Vertragsauflösung konstatierte Alfred Schmidt in der Augsburger Allgemeinen bezüglich der Personalie Votteler „Gesprächsbedarf“.
Goerlichs Nachfolger
Neben Dirk Kaftan gibt es in der Augsburger Kulturszene eine nicht viel weniger unbekannte Persönlichkeit, die einen „verlängerten Vertrag“ sehr schnell nicht mehr leben wollte: Richard Goerlich. Augsburgs ehemaliger Popkulturbeauftragter kündigte im Januar 2012 kurz nachdem sein Vertrag um drei Jahre verlängert wurde. Über Goerlichs „wahre“ Motive wurde damals nicht weniger spekuliert als heute bei Kaftan. Nach dem Ablauf der einjährigen Wiederbesetzungssperre wollte Kulturreferent Peter Grab Goerlichs Stelle neu besetzen, doch der Stadtrat verlangte in letzter Sekunde vor der Stellenbesetzung eine Evaluation bezüglich der Notwendigkeit dieser Stelle. Es wurde also evaluiert, und zwar ausführlich. Markus Becker, der das Evaluierungsgremium leitete, stellte das Ergebnis am Montag in einem mündlichen Bericht dem Kulturausschuss vor. Man kann Beckers Vortrag mit zwei Sätzen zusammenfassen: Popkultur und Kreativwirtschaft sind wichtig. Für jeden Bereich wäre jeweils eine städtische Zuständigkeit gerechtfertigt.
Mit anderen Worten: Die Stadt solle zwei neue Stellen schaffen und die Politik solle sich einstimmig dazu verhalten. So differenziert die Erklärungen für diese Empfehlung an die Stadt Augsburg sind, so naiv ist der damit verbundene Wunsch, das Ganze aus einer überparteilichen Notwendigkeit heraus zu entpolitisieren. Solange der Steuerzahler für diese Stellen aufkommt, solange sind die Empfehlungen des Evaluationsgremiums hochpolitische Gestaltungsvorschläge. Die Grünen haben darauf reagiert und einen Antrag formuliert, dass man die im Haushalt vorhandenen Mittel für einen Förderstelle der Kreativwirtschaft verwenden solle. Die SPD hätte gerne eine halbe Stelle für die Kreativwirtschaft und der Rest des Geldes solle für Sachmittel des Kulturparks West zur Verfügung gestellt werden. Weder von Peter Grab noch von den Regierungsparteien war gestern im Stadtrat ein Wort darüber zu vernehmen, ob eine halbe, eine oder zwei Stellen geschaffen werden sollen. Die unausgesprochende Botschaft ist offensichtlich: Mitten im Wahlkampf setzt man einer neuen Stadtregierung keine dergestalt politische Stelle vor die Nase.
Lutzenbergers neue Arbeitsplatzbeschreibung
Eine kleine Sensation stellte der mündliche Bericht Meinhard Motzkos dar. Motzko arbeitet derzeit zusammen mit den Angestellten der Stadtbücherei (also gegen Widerstände) an einem neuen Konzept der Neuen Stadtbücherei, deren „altes“ Konzept „Offen für alle“ nach drei Jahren bereits veraltet zu sein scheint. Motzko will die Stadtbücherei in erster Linie für diejenigen öffnen, die sie am nötigsten haben: Menschen mit Leseschwäche und Defiziten in sprachlicher Bildung. 50 bis 70 Prozent der Kinder der Stadt Augsburg hätten großen Bedarf an sprachlicher Bildung, so Motzko. Der Kulturausschuss nahm Motzkos Bericht zustimmend zu Kenntnis. Sollte sich Motzko mit seiner Neukonzeption ohne große Kompromisse durchsetzen, hätten die Motzko-Workshops gravierende Änderungen bezüglich des Bestandes, der Öffnungszeiten und der Arbeitsplatzbeschreibungen der Angestellten der Neuen Stadtbücherei zur Folge. 30.000 Euro kostet diese Maßnahme. Davon bezahlt die Stadt nur die Hälfte, die andere Hälfte übernehmen die „Freunde der Stadtbücherei“, ein eingetragener Verein, der diese Maßnahme angezettelt hat. Es ist nicht despektierlich gemeint, wenn man davon ausgeht, dass diese radikale Neuausrichtung für die angestellten Bibliothekare eine Art Umschulung bedeutet, eine Umschulung in Sachen innerer Haltung. Langfristig greift dieses Konzept ohnehin nur, wenn man es mit Leidenschaft lebt. Amtsleiter Manfred Lutzenberger sollte man an der erfolgreichen Umsetzung dieses Konzeptes messen. Man kann ihm und allen Beteiligten dazu nur einen langen Atem wünschen.
Nachtrag: Kulturausschuss und Wirtschaftsausschuss sollen zusammen entscheiden
Heute, Freitag, den 1. März, meldete sich am späten Vormittag Kulturreferent Peter Grab bei der DAZ: „Eva Weber und ich planen eine gemeinsame Sitzung des Kultur- und Wirtschaftsausschusses, in der wir uns Entscheidungen über die weiteren Verfahren erhoffen. Da sollen dann auch die bis dato gestellten Anträge der politischen Gruppierungen behandelt werden“, so Peter Grab auf die DAZ-Anfrage, wie in Sachen Popkulturbeauftragter nach der Empfehlung des Evaluationsgremiums weiter verfahren werden soll.
» Ergebnisse Evaluierungsgremium zum Popkulturbeauftragten (pdf, 148 kB)
» Bibliothekskonzept, Entwurf vom 22.02.2013 (pdf, 4,95 MB)