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Mittwoch, 05.02.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Milieu geht vor Ethnie

Das Milieu spielt bei der Bewältigung von Bedürfnissen und Lebenslagen eine größere Rolle als der Migrationshintergrund. Dies war eines der Hauptergebnisse der Fachtagung „Migration und Integration“, die vergangene Woche vom Verein für Sozialplanung (VSOP) in Augsburg durchgeführt wurde.

Die Creme de la Creme der deutschen Migrationsforschung traf sich am vergangenen Donnerstag und Freitag im Haus St. Ulrich zur Jahrestagung des VSOP, einem Netzwerk aus Sozialplanern von Kommunen, Trägereinrichtungen und Universitäten. Klaus Maciol, Jugendhilfe- und Bildungsplaner im Amt für Kinder, Jugend und Familie und Matthias Garte, der Integrationsbeauftragte der Stadt, zogen am Montag zusammen mit dem Augsburger Sozialreferenten und dem Schulreferenten Bilanz.

„Wir haben ein Problem sozialer Spaltung, nicht ein Migrationsproblem“, so Garte. Sozialreferent Max Weinkamm bestätigt dies: Ein deutscher und ein türkischer Arbeiter würden sich oft besser verstehen und miteinander solidarisieren als ein deutscher Arbeiter und ein deutscher Akademiker. Die heutige Sichtweise mit ihrem Schubladendenken („die Türken“, „die muslimischen Frauen“) sei falsch, erklärte Klaus Maciol. Jede Gruppe sei in sich enorm facettenreich, es sei deshalb ein komplettes Umdenken erforderlich. Wolle man in der sozialplanerischen Praxis von der ethnischen Zuweisung wegkommen, sei Differenzierung erforderlich.

„Mit den Menschen ins Gespräch kommen“

Auch die Migration selbst muss differenziert betrachtet werden. „Jede Stadt hat ihre eigene Migrationgeschichte, die akzeptiert werden muss“, so Matthias Garte. In Heidelberg haben beispielsweise über 50 Prozent der Migranten einen Hochschulabschluss. Ganz anders in Augsburg. Hier wirkt sich auf das Migrantenmilieu aus, dass Augsburg eine Arbeiter- und Industriestadt ist. Aufgabe der Kommunen sei es, so das Resumee aus der Fachtagung, sich detailgenaues Wissen über ihre Migrationsbevölkerung zu beschaffen.

Schulreferent Hermann Köhler sieht es deshalb als vordringliche Aufgabe in Augsburg an, den Bildungsbericht aus dem Jahr 2008 um einen Sozialbericht zu ergänzen. Auch er hält Kenntnisse der Milieusituation für mindestens so wichtig wie zur Migration. „Man muss mit den Menschen, die im Verborgenen leben, ins Gespräch kommen – unabhängig davon ob sie einen Migrationshintergrund haben“, so Köhler, „denn auch Menschen ohne Migrationshintergrund haben Anspruch auf Integration“.

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