Heißer Jazzabend ohne Abkühlung danach
Zum zweiten Mal “Augsburg jazzt” – diesmal im Theater
Von Frank Heindl
Vor rund einem Jahr hatte der damals frisch gegründete Jazzclub Augsburg sein Debut – mit einer fulminanten Vier-Stunden-Show im Textilmuseum (DAZ berichtete). Am vergangenen Freitag folgte die Fortsetzung auf hochkulturellem Terrain: Das Stadttheater hatte seine Tore mal wieder für andere Künste geöffnet und die Club-Organisatoren eingeladen, ihr Jazzfest auf der großen Bühne des Großen Hauses zu feiern. Damit trug das Theater allerdings auch seinen Teil zu ein wenig Enttäuschung bei.
70 Musiker und Musikerinnen kündigten die Moderatoren Ute Legner und Daniel Mark Eberhard an. Legner ist die Vorsitzende des musikalischen Beirats des Jazzclub Augsburg e.V., Eberhard gehörte dem Gremium früher an, und das alles klingt natürlich ein wenig vereinsmeierisch und hatte auch bisweilen den Hauch von “sich selber feiern” – wobei die beiden zweifellos Recht hatten mit ihrer Freude über das “großartige Miteinander” im Club, das es endlich möglich mache, Augsburger Jazzer unterschiedslos und ohne Rangunterschied zu präsentieren. Vielleicht ein bisschen zu viele Credits, zu viele Danksagungen, zu viele Jubelbekundungen waren das, die aber andererseits notwendig waren, weil jede Band nur ein Stück spielen durfte und deshalb jede Menge Umbaupausen überbrückt werden mussten – die, das muss sehr lobend erwähnt werden, in der Regel kurz und reibungslos von statten gingen.
Den Einstieg wagten “Ten for Swing” und der Ensemble-Schauspieler Florian Innerebner mit dem Song “Cabaret” aus dem gleichnamigen Musical, der sich zum einen als Begrüßungssong gut eignete und zum anderen dem Motto des Abends entsprach: Der Örtlichkeit geschuldet, hatten die Organisatoren den Bands abverlangt, ihre Stücke zum Thema “Film, Theater, Musical” auszuwählen. Anschließend fasste das “Trio Zahg” diesen Auftrag mit der Komposition “Herkules” schon weiter, ließ Percussionsounds nach einem Groove suchen, Klaviertöne dazwischen tröpfeln, mündete mithilfe des Basses in einen Beinahe-Techno, glitt später in ein unbegleitet-träumerisches Pianosolo hinüber und am Schluss filmmäßig (melo-)dramatisch ins Ritardando-Finale. Eher konventionell kamen Bands wie “Vatapá” (mit Jobims “A Felicidade” aus “Orfeo Negro”) oder “Jazzbreak” (mit einem Blues aus dem Spielberg-Film “Die Farbe Lila”), daher, latin-beschwingt düsten die “Cubops” mit heftigem Drive über das “Tatort-Thema” von Klaus Doldinger hinweg (und waren dabei weit ausgefuchster als der gestrige Krimiabend in der ARD).
Erhellendes zu Brecht und Löwensound von der Bigband
Fürs eher Avantgardistische war im ersten Set Walter Bittners “Zakedy Music” zuständig: “Good night, democracy” konfrontierte unter anderem Bittners feinste Schlagarbeit und Stephan Holsteins auch mal hiphoppendes Saxophon mit Loops aus Bertolt Brechts Verhör vor dem amerikanischen “Senatsausschuss zur Ermittlung von unamerikanischen Umtrieben.” Als Pointe geriet da typisch amerikanischer Swing in erhellenden Gegensatz zu McCarthys bedrückend kleinkarierter Befragung des aus der Heimat vertriebenen deutschen Dichters – ohne Worte stellte “Zakedy Music” sich selbst auf die Seite der Kunst und den inquisitorischen Senator in die Banausenecke.
Im zweiten Set brauste die “Big Musikwerkstatt Band” mit Löwensound “My favourite Things” so mitreißend durch den Theatersaal, dass die Wiederbegegnung mit einem uralten Song-Freund mal wieder für echte Gänsehaut gut war. Erwähnenswert in diesem Set waren aus eher gegenteiligen Gründe die Altprofis von “Swing La Vie”: Allzu routiniert und nudelten sie ihre “Brasil-” – und Goldfinger-Oldies runter, Spannung war nicht mal beim James-Bond-Thema zu erkennen. Ebenfalls erwähnenswert und die weitere Entwicklung von “Augsburg jazzt” möglicherweise vor Probleme stellend: Der “Trödelmarkt der Träume” aus Diedorf mit der Schauspielerin Sarah Hieber und dem Philharmoniker Martin Franke lieferte mit “Gargant” ein wunderschönes Chanson nach einem Text von Michael Ende – mit Jazz aber hatte das Stück nichts zu tun. Wenn die Mitgliedschaft im Jazzclub das Mitspielen auf der großen Bühne in welchem Stil auch immer garantiert, dann stehen dem künstlerischen Beirat zukünftig ein paar Probleme ins Haus. Gut, dass “Three for Jazz” mit einer kreativen und echt jazzigen Bearbeitung von Brechts “Kanonensong” die Akzente wieder richtig setzten, bevor die Big Band noch einmal ran durfte: Cole Porters “Love for Sale” demonstrierte wiederum Ohrwurm-Qualitäten, und zur Zugabe – darf man das nach zwei Mal schon Tradition nennen? – kamen wieder die Sängerinnen Stefanie Schlesinger, Cynthia Byrne, Alexandrina Simeon, Andrea Halder und Ute Legner mit “I wish you Love” und ihrem “Swing Club”-erprobten 20er-Jahre-Gesang auf die Bühne.
Am Schluss kein Bier für den Mann am Klavier
Ein Abend, der, was Spannungs- und Überraschungsmomente anbelangt, ein wenig hinter dem furiosen Start vor einem Jahr zurückblieb – im vergangenen November wurde möglicherweise einfach die Messlatte zu hoch hinaufgehoben. Und vielleicht muss man sich beim Jazzclub fürs nächste Mal andere Kriterien überlegen als “diesmal alle, die voriges mal nicht dabei waren.”
Eine letzte und leider peinliche Überraschung wartete dann auf Publikum und beteiligte Musiker im Foyer des Theaters. Angekündigt war eine Aftershow-Party mit Möglichkeit zur gemeinsamen Jamsession – doch als die Musiker nach Abbau und kurzem Durchatmen vor der Theke anlangten, hatte der Wirt bereits zugemacht. Etlichen Teilnehmern verging so die gute Laune schnell, den Organisatoren selbst verhagelte der misslungene Schluss die Erfolgsbilanz zumindest emotional deutlich. Moderator und Musiker Daniel Mark Eberhard freute sich am Sonntag noch über die hohe Zahl von sechs- bis siebenhundert Besuchern, musste aber zerknirscht eingestehen, der abrupte Schluss sei “auch für uns alle saublöd” gewesen – er wirkte auf etliche Musiker wie ein Rauswurf, vielen zogen über die Straße in die “Alte Liebe” weiter, wo man auch “der Mann am Klavier” noch ein Bier bekam.
“Ein Theater ist halt kein Club”
“Die haben einfach die Bänke hochgeklappt”, beschwerte sich auch der Jazzclub-Vorsitzende Sascha Felber. Man habe extra für die Musiker Gulasch- und Kartoffelsuppe bestellt, “aber als die kamen, war schon zu!” Felber kommt zu einem naheliegenden Resümee: Zwar sei er mit dem Abend insgesamt “extrem zufrieden”, aber: “Ein Theater ist halt kein Club.” Viele Besucher haben den Veranstaltungsort Textilmuseum in bester Erinnerung – dort trug zur Gemütlichkeit auch die Tatsache bei, dass man während des Konzertes aufstehen, herumgehen, Getränke besorgen konnte – und auch noch nach Mitternacht gern gesehener Gast an der Theke war. Nachteil des “tim”: So viele Besucher wie im Theater hätten dort nicht Platz gefunden. Auch Ute Legner, Hauptorganisatorin des Abends mit besten Kontakten zur Theaterleitung, zeigte sich am Sonntag konsterniert: Zwar sei der Abend für beide Seiten – Jazzclub wie Theater – bestens gelaufen, die Teilung des Kartenumsatzes nach fairem Schlüssel stelle beide Seiten zufrieden. Es sei ihr allerdings trotzdem “ein völliges Rätsel, wieso der Wirt diesen Umsatz nicht mehr mitnehmen wollte.” Schade, dass ein phasenweise heißer Jazzabend für viele ohne die erhoffte Abkühlung enden musste – für Sascha Felber stand am Sonntag fest: “Ohne Bier, das muss man ganz klar sagen, geht sowas eigentlich gar nicht.”