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Samstag, 23.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Die Angst der CSU

Die Augsburger CSU hat Angst davor, dass ihr bei Kommunalwahl in Augsburg die Wähler davon laufen. Dass diese Angst berechtigt ist, liegt auf der Hand.

Von Siegfried Zagler

I

Bei der Kommunalwahl in Augsburg deutlich Wähleranteile verlieren, im Gegensatz zur Landtagswahl und zur Bundestagswahl, würde nicht nur für die CSU einen großen Gesichtsverlust bedeuten, sondern auch für ihren amtierenden Oberbürgermeister Kurt Gribl, der, würde er abgewählt werden, der erste CSU-OB wäre, dem dieses Schicksal widerführe. Eine Fallhöhe mit diesem Ausmaß ist angsteinflößend. Doch darum soll es hier nicht gehen, denn die Angst der CSU ist eine rationale Angst, also eine Angst, die sich aus Beobachtung und Erfahrung speist.

II

Der Wähler hätte nämlich durchaus Gründe, sich von der CSU ab und der CSM zuzuwenden: Will man in Augsburg nicht die CSU wählen, aber Gribl nicht abwählen, dann hätte man mit der CSM eine veritable Option. Will man in Augsburg den amtierenden OB Gribl abwählen, sich aber dennoch nicht aus dem bürgerlichen Lager absetzen, hätte man mit Volker Schafitel (FW) eine veritable Option. Und dann gibt es noch immer die Wählervereinigung Pro Augsburg, die mit einem amtierenden Bürgermeister gegen die CSU Wahlkampf macht. Diese neue Parteienkonstellation dürfte zuvorderst der CSU klassische Wählerschichten abspenstig machen, und zwar unabhängig davon, wie es um die Opposition bestellt ist. Diese neue Situation hat damit zu tun, dass die CSU so ist wie sie ist. Kurt Gribls CSU hat Volker Schafitel zu einem Konkurrenten gemacht, Kränzles, Hintersbergers und Ullrichs CSU hat Hermann Weber zu einem starken Konkurrenten gemacht. Dass die Verlustangst der CSU eine rationale Angst ist, hat aber nicht nur mit der neuartigen Parteienkonstellation zu tun.

III

Die Augsburger CSU hat bei der Kommunalwahl 2008 (25 Sitze + OB) ihr Ergebnis von 2002 (26 Sitze) gehalten, was damals als großer Erfolg gefeiert wurde, weil bayernweit schwere CSU-Einbrüche zu vermelden waren und weil es mit Pro Augsburg einen neuen bürgerlichen Koalitionspartner gab, der offensichtlich nur Wähler bei der SPD abgriff. Das Verhältnis zum Koalitionspartner ist längst zerrüttet und wurde im letzten Jahr nach dem Schley-Prozess nur noch formal weiter geführt. Mit einer gut funktionierenden Koalition, die man gerne fortsetzen würde, wird weder die CSU noch Pro Augsburg Wahlkampf machen können.

IV

Die lokalen Verfehlungen der CSU-Granden (Schley, Kränzle, von Hohenhau) bleiben möglicherweise im kollektiven Gedächtnis der Augsburger Wählerschaft stärker verhaftet als etwa illegale Beschäftigungsverhältnisse auf Länderebene. Die nicht gelungene, weil dilettantisch durchgeführte Entmachtung des damaligen Kreisverband-West-Vorsitzenden Tobias Schley sowie die nicht gelungene, weil dilettantisch durchgeführte Entmachtung des Fraktionschefs Bernd Kränzle haben zu drei erstaunlichen Sachverhalten geführt: Zu einer zweiten C-Partei (CSM), zur vorübergehenden Stärkung von Tobias Schley und zum Ende einer ohnehin erstaunlichen Parteikarriere, nämlich derjenigen von Christian Ruck.

V

Tobias Schley hat sich wenig später auf spektakuläre Weise mit der Taxi-Affäre und der sogenannten „Arschloch-Affäre“ ins politische Abseits katapultiert und Schley-Nachfolger Rolf von Hohenhau sowie Bernd Kränzle haben sich durch ihren politischen Suizidversuch (Abmahn-Affäre) nicht nur in der Augsburger Öffentlichkeit unmöglich gemacht, sondern auch innerparteilich geschwächt. Wäre Schley noch Kreisvorsitzender, hätten sich Kränzle und von Hohenhau nicht verhalten wie von allen guten Geistern verlassen, wäre die CSU heute ganz anders konfiguriert und Kurt Gribl säße in der Partei nicht so fest im Sattel. Kurt Gribl konnte also durch bestimmte Ereignisse seine Position in der CSU festigen, nicht aber, weil er als Quereinsteiger und Oberbürgermeister auf angemessene Weise in die CSU hinein regierte. Ob der Schulterschluss zwischen Gribl und der CSU über den 16. März hinaus hält, ist abzuwarten; möglich wäre es immerhin.

Die CSU fürchtet sich also berechtigterweise davor, dass die Augsburger Wählerschaft nicht die Augen davor verschließt, dass Augsburgs Oberbürgermeister nur mit viel Mühe und sehr spät (und mit viel Glück) in seiner Partei ein Standing entwickelt konnte, wie es einem Frontmann selbstverständlich von Beginn an zustehen sollte.

VI

Wäre bei der CSU alles im Lot, sähe ihr Wahlkampf anders aus. Man würde auf die Erfolge verweisen, seriös wirkende Plakate aufhängen, staatsmännische Parolen von sich geben. Die Agentur könnte sich darauf beschränken, Schleifchen über gemeinsam errungene Erfolge zu binden. Schließlich hat man mit Kurt Gribl einen OB an der CSU-Spitze, der hohes Ansehen genießt. Schließlich besitzt man als Stadtregierung in Augsburg eine Informationshoheit, von der andere Stadtregierungen in anderen Städten nur träumen können. Und schließlich hat man den Königsplatz auf den Punkt fertig gebaut, die Fußgängerzone, die Maximilianstraße und das Klinikum saniert. Kurt Gribl mag in seinem „Team“ eine Reihe beschädigter Referenten haben, er selbst – blendet man seinen gefährlichen Stolperer (Umgang mit dem Prüfbericht) und andere Wackler aus – wird innerhalb der politischen Kaste und auch innerhalb der schreibenden Zunft in der Gesamtschau als ein Mann betrachtet, der seinen Job kann.

VII

Unabhängig davon bleibt die Angst der CSU eine berechtigte Angst. Einer ihrer ehemaligen Granden hat die Partei verlassen und führt den CSU-Ableger CSM professionell in den Wahlkampf. Hermann Weber ist in der Stadt bekannt und genießt allseits einen guten Ruf. Parteichef Johannes Hintersberger ist nach seiner Berufung zum Staatssekretär nicht mehr so intensiv auf der Partei-Ebene unterwegs. Für Volker Ullrich gilt nach seiner Wahl zum Bundestagsabgeordneten das Gleiche. Bernd Kränzle wird wohl noch bis zur kommenden Halbzeit den Fraktionschef geben. Wer übernimmt dann den Stab? Wer gibt in der CSU in Zukunft den Takt an? Ist Kurt Gribl in Zukunft auch auf der Parteiebene eine Führungsfigur?

Ein anderer Gedanke: Oberbürgermeister Paul Wengert wurde 2008 nicht wegen eines unbeschriebenen CSU-Konkurrenten abgewählt. Kurt Gribl muss demnach im März 2014 seine erste Wahl gewinnen. Seiner Agentur scheint das halbwegs bewusst zu sein, sonst würde sie ein anderes Marketing-Konzept fahren. Kurt Gribl wird nämlich nicht wie ein Amtsinhaber vermarktet, sondern wie ein Newcomer, der dieses Amt anstrebt.