Zu Gast am Hof des Oberbürgermeisters
Von Siegfried Zagler
Ein Strohfeuer ist auch ein Feuer. Womit gesagt sein soll, dass eine Unsitte von der Zeitung immerhin kurz angerissen wurde. Die Rede ist davon, dass bei diversen Veranstaltungen Fahrzeuge auf dem Rathausplatz parken, ohne dass sich ihre Besitzer vor Strafzetteln und Abschleppunternehmen fürchten müssen. Die tiefe bürgerliche Verbeugung vor der Willkür der Monarchie wurde zuletzt immerhin im Vorfeld der Erkenntnis debattiert. Man sah bei dem Neujahrsempfang der CSU schwarze Limousinen auf dem Rathausplatz und beim Neujahrsempfang der SPD standen die Fahrzeuge der Feuerwehr an prominenter Stelle, ohne dass sich die zuständigen städtischen Ordnungskräfte darum gekümmert hätten. Es wurde weder eine Ausnahmegenehmigung erlassen noch wurden Strafzettel verteilt. Eine „ordre du mufti“ reicht aus, um aufzuheben, woran alle Demokratien dieser Welt zu messen sind. Die Rede ist von der Trennung zwischen Legislative und Exekutive.
Ist das zu hoch gegriffen? Ja und Nein! Ein Stadtparlament ist kein Parlament und somit keine Legislative, sondern ein demokratisch legitimiertes Verwaltungsorgan. Die organisierte Nichtverfolgung einer Ordnungswidrigkeit bringt die Säulen der Demokratie noch nicht ins Wanken. Wenn sich auf dem „Platz der Demokratie“ (diesen Status hat der Rathausplatz nämlich, wenn man ihn historisch belastet) hin und wieder etwas ereignet, das der dafür zuständige Ordnungsreferent in Augsburg aus dem Handgelenk regeln kann, nämlich unerlaubtes Parken, dann muss man nicht fürchten, dass anderntags die gesamte Verkehrsordnung, Recht und Gesetz und das europäische Währungsgefüge zusammenbricht.
Andererseits sind die organisierten Parkverletzungen auf dem heiligen Pflaster der Stadt bezüglich ihrer anarchistischen Subversion nicht zu unterschätzen: Eine rote Ampel, ein Verbotsschild und ähnliche Dinge sind für privilegierte Bürger ostentativ nicht verbindlich. Für den Rest der Bürgerschaft gilt damit, dass in dieser Stadt das organisierte Falschparken als Zeichen der Bedeutsamkeit zu verstehen ist. Man ist Gast am Hof des Oberbürgermeisters. Weniger prominente Zeitgenossen, die mit einem von den Parkverletzungen auf dem Rathausplatz abgeleiteten Ordnungssinn für sich in Anspruch nehmen, dass die Verkehrsvorschriften dieser Stadt als unverbindliche Vorschläge der Behörden zu betrachten sind, sollten sich nicht scheuen, bei der nächsten Gelegenheit ebenfalls auf dem Rathausplatz zu parken.