Tatort Augsburg: Unterwegs in unterirdischen Kanälen
Tatort Augsburg: Die erste Schauspielpremiere der Spielzeit am Theater ist alles andere als gewöhnlich
Herbstlicher Regen passend zur Krimistimmung. „Behalten Sie bitte Ihre Garderobe, Sie werden Sie brauchen“, steht an der Garderobe im Hoffmannkeller. Der Aufenthalt dort ist nur vorübergehend und das so vorgewarnte Premierenpublikum harrt gespannt der Dinge, die danach kommen sollen. Auf der Leinwand zunächst eine originelle Variante des Tatort-Vorspanns, dann werden die Protagonisten eingeführt: Thomas Weber (Klaus Müller) reist aus Würzburg an, Corinna Bruch (Natalie Hünig) aus Hamburg. Beide sollen bei der Augsburger Polizei den Sumpf eines internen Korruptionsfalles aufhellen.
Und wie es sich für (Fernseh-)Ermittler gehört, haben beide skurrile Eigenarten, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Polizeipräsident Moser (Gerald Fiedler) gewährt ihnen die erforderliche Unterstützung für die internen Ermittlungen nur zögerlich und nicht ohne Häme. Doch dann muss aufgrund aktueller Ereignisse der Korruptionsfall zurückgestellt werden: Ein Leichenfund im unterirdischen Kanalsystem der Welterbe-Aspiranten-Stadt Augsburg ruft die Kommissare auf den Plan und auch die Pathologin (Marlene Hoffmann) ist zufälligerweise gerade anwesend („diesmal bin ich schneller da als meine Kollegen“), um schließlich den entscheidenden Hinweis zur Lösung des Falles zu geben.
Doch bis dahin ist ein weiter Weg, wie in jedem Tatort eben. David Ortmann, neuer Hausregisseur am Theater Augsburg, hat das Format bereits in Dessau ausprobiert, aber mit viel Einfühlungsvermögen an die Augsburger Verhältnisse angepasst. Wie in jedem guten Tatort punktet der Plot mit Lokalkolorit und kleinen Spitzen auf örtliche Eigenheiten. Die Stadtführerin und Archäologin Dr. Karin Thielemann („mit Spezialgebiet Aquahygiene“), gespielt von Katharina Rehn, fesselt die Gruppe mit echten und erfundenen Fakten zur Stadtgeschichte und was zunächst ganz harmlos anfängt, entpuppt sich als (theater-)vergnügliche „Mörderjagd“ quer durch die Stadt nach Lechhausen, wo der Fall unter hochdramatischen Umständen gelöst wird.
Wie sich schon beim Premierenpublikum zeigte, trifft das „Tatort“-Format insgesamt den Nerv einer eher jungen Zielgruppe, das „Mittelalter“ zeigte aber auch Präsenz. Den Zuschauern wird – trotz motorisierter Hilfsmittel – aber durchaus auch eine gewisse physische Belastbarkeit abverlangt. David Ortmann hat für sein Buch die Augsburger ziemlich gründlich studiert und ihre Ecken und Kanten ohne jede Bosheit satirisch verwertet. Das lässt den Theaterabend zu einem heiteren Ritt durch Stadtgeschichte und –gegenwart werden. Das neue Schauspielteam präsentiert sich mit alten Bekannten (Sebastian Baumgart, Klaus Müller, Marlene Hoffmann) und einigen vielversprechenden Neuen (Natalie Hünig, Katharina Rehn, Gerald Fiedler und Andrej Kaminski) als kompetentes Team und Hausregisseur David Ortmann hat sich bestens eingeführt.
Wenn das nur der Testlauf für den worst case – das Theater ohne Spielstätte – war, kann man beruhigt sein: „Wandertheater“ wird auch wahrgenommen und kann künstlerisch etwas bieten. Der Tatort in Augsburg: ein heiteres Vergnügen mit hervorragenden Darstellern. Zielgruppe: vor allem Tatortfans. Deshalb nur teilweise das übliche Premierenpublikum. Viele junge Leute kamen aus Neugier. Ansporn zu weiteren „Öffnungen“ des Theaters in die Stadtteile.