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Freitag, 22.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Zeugnisse aus der Schatzkammer der kostbaren Bücher

Noch bis zum 15. Dezember sind in der Staats-und Stadtbibliothek herausragende Kostbarkeiten zu sehen. Wer sich die Zeit nimmt, wird reich belohnt – mit tiefen Eindrücken von der Schrift-, Buch- und Illustrationskunst ferner Zeiten und Länder. Viele der Ausstellungsstücke sind seit langem nicht mehr gezeigt worden und werden als hoch empfindliches Kulturgut so schnell auch nicht wieder zu sehen sein.

Von Dr. Helmut Gier

Ein 480-jähriges Jubiläum zu begehen ist eher ungewöhnlich. Beim 475jährigen Bestehen der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg war noch niemandem zum Feiern zumute. Bedeutete das Jahr 2012 doch den Übergang des ältesten Kulturinstituts der Stadt in die Hand des Freistaats Bayern. Nach fünf Jahren in staatlicher Obhut ist nun der willkommene Anlass gegeben, zu zeigen, welches Schatzhaus der neue Träger übernommen hat, und der Augsburger Öffentlichkeit den Glanz und die Vielfalt der herausragenden Kostbarkeiten der Bibliothek vor Augen zu führen.

Die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, die mit ihren international bedeutenden Altbeständen zu den herausragenden Büchersammlungen Europas zu rechnen ist, zählt zu den ältesten öffentlichen Bibliotheken Deutschlands. Gegründet im Jahre 1537, präsentiert die älteste kulturgeschichtliche Sammlung Augsburgs ein Best-of ihrer Schätze, die sogenannten Cimelien. Diese luxuriösen Handschriften, Drucke, seltenen Druckstöcke und Druckplatten aus Mittelalter und Neuzeit sowie Autografen bedeutender Persönlichkeiten wie Martin Luther entführen den Betrachter und Leser von Augsburg über Bayern und Europa bis in den Orient, nach Indien und Ostasien.

Die Schau mit dem Titel „Gold und Bücher lieb ich sehr …“, frei nach August Schnezlers Liedtext „Gold und Silber lieb ich sehr“ aus dem Jahre 1828, charakterisiert die Leidenschaft der Bibliothek für kostbare Bücher und Buchkultur. Handschriften aus Augsburg, Bayern und Deutschland sind zu sehen, darunter die um 1350 entstandene Augsburger Bibelhandschrift, das älteste Neue Testament in deutscher Sprache, ebenso Erzeugnisse aus Europa, dem Orient (Persien bis Turkmenistan) und Indien; ferner Zeugnisse des frühen Buchdrucks (u.a. ein Ablassbrief Gutenbergs von 1455, ein Donatfragment und zwei Fragmente der Gutenberg-Bibel, darunter das erst kürzlich aufgefundene), europäische und asiatische Holzschnitte (von Holbein bis Hokusai) und Miniaturen. Ebenso gezeigt werden Druckstöcke des Spätmittelalters und der Neuzeit, Druckgrafiken der Renaissance, Hauptwerke der Buchkunst Kaiser Maximilians I. (mit dem Theuerdank, der Genealogie Kaiser Maximilians, den Heiligen des Hauses Habsburg, dem kleinen Gebetbuch Maximilians und dem erst nach Maximilians Tod erschienenen Gilgengart), Adelsdiplome von Kaiser Karl V. und Joseph II., ein Gebetbuch von Kaiserin Eleonore Gonzaga, der Gemahlin Kaiser Ferdinands II. Auch finden sich unter den Cimelien der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg einige wenige Autografen bedeutender Persönlichkeiten wie Martin Luther, Philipp Melanchthon, Constanze Mozart und Kaiser Napoleon III. (der in Augsburg zur Schule gegangen war) sowie das für die Drucklegung benutzte Autograf von Christoph von Schmids bekanntem Weihnachtslied „Ihr Kinderlein kommet“.

Hoher Besuch bei der Ausstellungseröffnung: Staatssekretär Johannes Hintersberger und Stellvertreterin des Generaldirektors der Bayerischen Staatsbibliothek Dr. Dorothea Sommer mit Bibliotheksleiter Dr. Karl-Georg Pfändtner (v.l.)

Hoher Besuch bei der Ausstellungseröffnung: Staatssekretär Johannes Hintersberger und die Stellvertreterin des Generaldirektors der Bayerischen Staatsbibliothek Dr. Dorothea Sommer mit Bibliotheksleiter Dr. Karl-Georg Pfändtner (v.l.) (c) DAZ


Dazu wurde ein reich bebilderter, von ausgewiesenen Kennern der Ausstellungsstücke erarbeiteter Katalog herausgegeben, den einführende Beiträge zur Geschichte der Bibliothek und ihrer Bestände ergänzen. Er ermöglicht dem Besucher eine vertiefte Begegnung mit den Objekten und die Eindrücke festzuhalten, er wird der Präsentation nach ihrem Ende Dauer verleihen und den Beständen der Bibliothek wieder einmal überregionale Aufmerksamkeit und Anerkennung verschaffen.

Als Ausgangspunkt für seine Auswahl hat Bibliotheksdirektor Dr. Karl-Georg Pfändtner ganz bewusst die um 1900 angelegte Cimeliensammlung genommen. Im Zentrum des eindrucksvollen Neubaus für die Bibliothek, der 1893 bezogen wurde, standen das Prachttreppenhaus und die beiden Säle für die Daueraustellung der Spitzenstücke, die im Laufe des frühen 20. Jahrhundert zu einem veritablen Buchmuseum ausgestaltet wurde.

Sie bilden jetzt wieder den Rahmen für die Feier des Jubiläums. Diese Schatzkammer der Handschriften, Frühdrucke und Graphischen Künste spannte den Bogen zeitlich vom hohen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert und räumlich von Frankreich bis in den Fernen Osten. Zugleich legte sie darauf Wert, ganz unterschiedliche Zeugnisse der Schrift- und Buchkultur sowie der Graphischen Künste vor Augen zu führen.

So beschränkt sich die Ausstellung nicht auf die Präsentation prächtiger abendländischer Handschriften und früher Drucke. Breiten Raum nehmen vielmehr Zeichnungen, Wachstafel- und Palmblattbücher, Druckstöcke und Druckplatten, Holzschnitte und Kupferstiche sowie Autografen berühmter Persönlichkeiten wie Luther und Melanchthon oder Adelsbriefe ein. Besonders ins Auge stechen die Kostbarkeiten aus dem persischen Kulturraum, denen das Motto der Ausstellung „Gold und Bücher lieb ich sehr…“ wahrlich gerecht wird.

Wenn sie auch nicht so glänzen, so sind die Zeugnisse aus der Werkstatt des „Manns des Jahrtausends“ Gutenberg nicht weniger spektakulär. Darunter befindet sich auch das erst jüngst entdeckte illuminierte Fragment einer Gutenberg-Bibel.

Der aus dem Griechischen stammende Begriff der Cimelie oder Zimelie bedeutet Kleinod, Kostbarkeit. In der noch bis zum 15. Dezember gezeigten Ausstellung der Staats- und Stadtbibliothek in ihrem Gebäude an der Schaezlerstraße 25 werden in der Tat kostbarste Einzelstücke präsentiert. Ausstellung und Katalog umfassen 77 Nummern. Ein wenig Zeit muss der Besucher also mitbringen, um sich mit diesen wertvollen Schätzen zu beschäftigen, erschließen sie sich doch nicht immer auf den ersten Blick. Dafür wird er reich belohnt mit tiefen Eindrücken von der Schrift-, Buch- und Illustrationskunst ferner Zeiten und Länder. Viele der Ausstellungsstücke sind seit langem nicht mehr gezeigt worden und werden als hoch empfindliches Kulturgut so schnell auch nicht wieder zu sehen sein. Deshalb noch rein in die Bibliothek und schauen!

(Foto: Stammbaum des Philipp Hainhofer und der Regina Waiblinger in Form eines Pfauenrades)

“Gold und Bücher lieb ich sehr …” — 480 Jahre Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Cimelien-Ausstellung. Bis 15. Dezember 2017, mittwochs bis freitags 11.00 bis 16.00 Uhr – Schaezlerstraße 25 – Katalog: 26 Euro. Der Eintritt ist frei.

Führungen durch die Ausstellung (Dauer je zirka 30 Min.):

Mittwochs, 11:00 Uhr (25.10., 08.11., 15.11., 22.11., 29.11., 06.12., 13.12.)

Donnerstags, 12:00 Uhr (19.10., 26.10., 02.11., 09.11., 16.11., 23.11., 30.11., 07.12., 14.12.)

Freitags, 15:00 Uhr (20.10., 27.10., 03.11., 10.11., 17.11., 24.11., 01.12., 08.12., 15.12.)

Abendführungen: 18:30 Uhr, donnerstags, 09.11. und 23.11.

Vorführung Restaurierungswerkstatt (Dauer zirka. 45 Min.): Donnerstag, 30.11., 15:00 Uhr.

Vortrag am Dienstag, 28.11., 18:30 Uhr:

Dr. Karl-Georg Pfändtner: Die Cimelien-Schätze der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Anschließend Führung durch die Cimelien-Ausstellung. Eine Anmeldung ist nur für den Vortrag nötig. Gruppen werden um Anmeldung zu den Führungen gebeten.