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Mittwoch, 05.02.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Brechts misstrauische Freunde

Matinée der Brechtfreunde im Theaterfoyer

Von Frank Heindl

Ein kleines, fast unbekanntes Stück von B.B., ein ebenso kleines Schauspieler-Team, eine kleine Bühne und ein kleines Publikum – alles war vorhanden, alles hat gepasst, als die Brechtfreunde am Sonntag Brechts „Prärie“ von 1919 auf die Bühne brachten. Etwas verkürzt könnte man sagen, dass Brecht dabei hoch gewonnen, dass seine Freunde aber ein bisschen verloren haben.

Karla Andrä, zurzeit per Fakstheater auch mit eigenem Brechtprogramm unterwegs, als Lizzie in Brechts "Prärie"

Karla Andrä, zurzeit per Fakstheater auch mit eigenem Brechtprogramm unterwegs, als Lizzie in Brechts "Prärie"


Zwei Männer in der Prärie. Einer, Zachäus (Martin Herrmann) ist ein Habenichts und hat bei einem Unfall auch noch einen Finger verloren. Der andere ist der Koch Polly (Alexander Koll, auch er vom Theaterensemble) und besitzt auch nicht mehr als ein armseliges Zeitungsexemplar. Dazwischen Lizzie, jung, hübsch, ein bisschen verschlagen und dann doch auch hilfsbereit und liebesbedürftig – eine typisch Brechtsche Frauenfigur und wunderbar brechtisch von Karla Andrä dargestellt. Drei Menschen nicht am Rand, sondern außerhalb der Gesellschaft. Die Zivilisation ist weit weg, Recht und Gesetz schafft man hier selber. „Wie soll ich das aushalten?“ fragt Zachäus gleich zu Beginn – „Denk, es gibt sonst nichts“, antwortet Lizzie, und so klar gibt Brecht ja oft seine Interpretationsvorschläge: „Denk, es gibt sonst nichts“.

Ertappter Zeitungsdieb: Martin Herrmann als Zachäus (links), Alexander Koll als Polly

Ertappter Zeitungsdieb: Martin Herrmann als Zachäus (links), Alexander Koll als Polly


Allerdings ist Brecht nicht alleine auf den Plot gekommen, sondern hat, wie so oft, abgeschrieben. Die ganze Geschichte steht, teilweise bis in die Wortwahl hinein, genau so in Knut Hamsuns Novelle „Zachäus“ – Brecht hat sich, wie so oft, nicht mal die Mühe gemacht, die Namen zu ändern, hat aber, wie so oft, stattdessen die Moral umgedreht. Während bei Hamsun der gedemütigte Zachäus seinen Peiniger Polly umbringt, ist’s bei Brecht andersrum: Der Fiesling, der nicht mal eine alte Zeitung verleihen mag, bleibt Sieger. Helmar von Hanstein und Ursula Galli von den Brechtfreunden haben das mit wenigen Mitteln und spärlichsten Requisiten (einer Wäscheleine und ein paar Stühlen) trefflich inszeniert, lassen Lizzie kess im Westernlook die roten Röcke raffen und akzeptieren stillvergnügt, dass ihnen die Regie von „Il Re Pastore“ ein Schafsbild hinter die Bühne gehängt hat (Mozarts Jugendoper hat hier am kommenden Sonntag Premiere).

Doch leider trauten die Brechtfreunde ihrem Brecht nicht so recht, glaubten ihn vorher ausführlich erklären zu müssen, fügten nach allerhand erklärenden Worten eine Oper von Puccini mit ähnlichem Plot wohl hauptsächlich deshalb ins Programm, weil das Gelegenheit bot, eine kleine Ballettszene einzublenden (Choreographie: Dimas Casinha), arbeiteten dann Verbindendes und Trennendes heraus zwischen Hamsun und Brecht – und misstrauten damit auch noch dem Publikum. Denn das hätte möglicherweise gerne und locker auch selbst herausbekommen, wie dreist der Brecht geklaut und wie treffend er Hamsuns Moral entkräftet und die eigene dagegen gesetzt hat. Die wenigen Sätze, die die großartige Vorleserin Karla Andrä aus dem Hamsun-Original vortragen durfte, zeigten, wie einfach das gewesen wäre: Statt all des mehr oder weniger unwichtigen Beiwerks hätte die Schauspielerin die ganze Hamsun-Novelle vortragen können. So wäre die Matinée konzentrierter gewesen, und die Brechtsche „Prärie“ hätte nach Hamsun eher noch besser, noch härter, noch direkter gewirkt. Denk, es ist sonst nichts …