Meinung
Kommentar: Weder in München noch in Nürnberg – noch in anderen bayerischen Städten scheinen Brillengläser so stark zu beschlagen wie in Augsburg
Maskenpflicht gilt in allen bayerischen Innenstädten laut Infektionsmaßnahmenschutzverordnung Nr. 11 (BayIfSMV) in allen von den Kommunen selbst ausgewiesenen Zonen, und zwar unabhängig davon, ob man zu Fuß, mit dem E-scooter oder mit dem Fahrrad unterwegs ist. In Augsburg stört man sich daran. Müsste man nicht!
Kommentar von Siegfried Zagler
In Augsburg hatte die letzte städtische Allgemeinverfügung Jogger und Radfahrer von der Maskenpflicht ausgenommen, da von diesen keine Infektionsgefahr ausgehe. Das war noch im Dezember. Doch irgendwann kontrollierte die Polizei auch in Augsburg Radler ohne Maske mit Verweis auf die Bayerische Infektionsmaßnahmenschutzverordnung und verhängte 250-Euro-Bußgelder. Die Radler waren zurecht empört, die Stadt zeigte sich entgegenkommend und ließ im allgemeinen Corona-Chaos verlauten, dass man die von der Polizei verhängten Bußgelder nicht abkassieren werde. So viel Chuzpe geht natürlich nur, wenn man seitens der Stadt Augsburg die Auffassung vertritt, dass die staatliche Infektionsmaßnahmenschutzverordnung an dieser Stelle Unfug ist.
Mit dieser “kommunalen Bewertung” kam die Stadt beim Freistaat nicht durch: Seit 1. Januar gilt auch in Augsburg, was längst in allen bayerischen Städten galt, nämlich Maskenpflicht für Radfahrer in den Zonen mit Maskenpflicht. Und seit 1. Januar zieht die Stadt die von der Polizei verhängten “Radlerbußgelder” auch ein, wie auf Nachfrage zu erfahren war.
Doch unabhängig davon, kündigte gestern die Stadt an, dass in Augsburg die Masken-Pflicht für Radler in der Innenstadt möglichst bald wieder fallen soll. Man sei im “Kontakt mit dem Freistaat”, um eine entsprechende Änderung der BayIfSMV zu erreichen. Für eine Neuregelung wäre die Stadt Augsburg dankbar, wird Augsburgs Ordnungsreferent Frank Pintsch vom BR zitiert.
“Wer a sagt, der muss nicht b sagen. Er kann auch erkennen, dass a falsch war.” Immerhin könnte OB Eva Weber (CSU) Bert Brecht zitieren, wenn man ihr als Oberbürgermeisterin am Zeug flicken will.
Augsburg ist jedoch seit 1806 ihren Reichsstadt-Status los, muss sich also wie alle anderen Städte im Freistaat a) daran halten, was das bayerische Gesetz vorschreibt und b) bei Nichtbeachtung dafür sorgen, dass sich die Exekutive bei ihrer größten Aufgabe nach dem 2. Weltkrieg nicht in kleinteilige Streitereien verheddert, welche Infektionsschutzmaßnahmen denn nun sinnvoll seien und welche nicht.
Falls der Freistaat bei seiner Verordnung bleibt, die außerhalb Augsburgs niemand zu stören scheint, werde die Stadt ihre Maskenpflicht-Zonen verändern und einzelne innerstädtische Straßen von der Maskenpflicht befreien, so Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU), der damit Vorschlägen des ADFC und der FDP folgen würde. Sein Referentenkollege Reiner Erben (Grüne), will davon allerdings nichts wissen, “dann könnten Fußgänger ja auf die Straße ausweichen”, weshalb dieser Vorschlag nicht zielführend sei. So wird Erben von der Augsburger Allgemeinen zitiert.
Aus der Augsburger Stadtregierung wird man nicht richtig schlau, doch man muss kein Seher sein, um zu wissen, wer sich von den beiden durchsetzen würde, wollte die Stadt an ihrem Plan festhalten, für die Brillenträger unter den Radlern ihre Maskenzone weiter zu verkomplizieren. Was in dieser Angelegenheit auch immer noch folgen wird, festzustehen scheint nur eins: Die Augsburger Verwaltung hat nicht nur gegen Corona und den Freistaat zu kämpfen, sondern auch gegen sich selbst.
Weder in München, noch in Nürnberg oder Ingolstadt, Passau sowie in zahlreichen anderen bayerischen Städten scheinen Brillengläser so stark zu beschlagen wie in Augsburg. Denn außerhalb der Brechtstadt scheinen Radler mit Maske und der Infektionsmaßnahmenschutzverordnung des Freistaats zurecht zu kommen. Mit dieser kleinen Provokation soll gesagt sein, dass es in dieser Frage nicht um Verkehrssicherheit vs. Infektionsschutz gehen sollte, sondern darum, dass man den Kampf gegen Corona zusammen kämpfen muss. Nicht im heroisch kriegerischen Sinn, sondern im Sinn der kollektiven Selbstbeschränkung. Das sollte auch für die Augsburger Fahrradfahrer gelten.