Von der Partymeile zum Hochsicherheitstrakt
Die Mär vom “friedlichen Feiern” und eine OB-Entgleisung – Maximilianstraße im Brennpunkt
Wenn man mit Anwohnern der Maximilianstraße spricht, dann erhält man das Gefühl, dass sie nach den skandalösen Vorgängen vom vergangenen Wochenende neue Hoffnung schöpfen, dass die Stadt Augsburg nachhaltig Willen zeigt, die nächtliche Maximilianstraße zu befrieden, um dort zusammen mit der Gastronomie einen Neustart zu unternehmen.
Von Siegfried Zagler
Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber hat immerhin nach den nächtlichen Gewaltexzessen am Donnerstag im Stadtrat ein Drei-Säulen-Konzept für die Maximilianstraße angekündigt. Neben den Ad-hoc-Maßnahmen wie dem Innenstadt-Alkoholverbot ab 20 Uhr oder der Sperrung des Herkulesbrunnen sollen präventive Maßnahmen und ein grundsätzliches Konzept zur nächtlichen Nutzung der Maximilianstraße Besserung bringen.
Die Maximilianstraße ist in den vergangenen zehn Jahren mit der dort ansässigen Gastronomie und dem ordnungspolitischen Laissez-faires der Stadt zu einem Anziehungspunkt einer zunehmend wachsenden Ballermann-Szene geworden, die weite Teile der Augsburger Prachtstraße in warmen Sommernächten in eine No-go-Aera transformiert. Wer mit der riesigen und kreischenden Partyblase und einer niedrigschwelligen Gastronomie nichts zu tun haben will, muss an vielen Sommernächten auf einen Bummel durch eine der schönsten Straßen Europas verzichten.
Alarmstimmung bei Stadtregierung
Nach den gewalttätigen Übergriffen auf Polizei und Rettungskräfte und deutschlandweiten Negativschlagzeilen herrscht nun Alarmstimmung bei der Augsburger Stadtregierung, die jetzt „harte Kante zeigen“ will, um ein klares Zeichen zu setzen, zumindest temporär: Es ginge nicht darum, Dinge zu verharmlosen, so Weber, “aber die Maximilianstraße einfach zu verrammeln und Gitter hinzustellen, wird nur kurzfristig für Entspannung sorgen, könne aber nicht die Lösung auf Dauer sein”.
Im Stadtrat gab es diesbezüglich am Donnerstag eine mehrstündige Debatte. Die CSU bemühte eine ihrer Kernkompetenzen (Law and Order) und forderte eilige Verfahren gegen Tatverdächtige. Dies wäre bedeutsam, um eine abschreckende Wirkung für weitere mögliche Täter zu erzeugen. Die Fraktion Bürgerliche Mitte blies ins gleiche Horn. Prävention sei wichtig, der Fokus müsse zunächst aber auf Strafverfolgung und Betretungsverboten liegen. Grüne und Sozialfraktion griffen ebenfalls in die Schatulle ihrer Kernkompetenzen: Man müsse die Ursachen des Gewaltausbruchs erforschen, ohne diesen zu relativieren.
Man muss verstehen, was passiert ist
Nicht relativieren sollte man auch die “normalen” Sommernächte auf der Maximilianstraße, die allzu oft von Eva Weber und Co. als “friedliches Feiern” verharmlost wurden. Urinlachen und Exkremente in den Hauseingängen, Erbrochenes in den Rinnsteinen, enthemmtes Handeln und Hunderte von schwer betrunkenen jungen Menschen zeigen jedesmal auf, dass es sich um eine Mär handelt, wenn man vom “friedlichen Feiern” auf der Maximilianstraße spricht.
Man müsse verstehen, was da passiert ist, denn nur dann könne man an dem Problem arbeiten, so Weber, die damit nicht nur die Gewaltnacht von Samstag auf Sonntag meinte, sondern allgemein den Charakter der Maximilianstraße in Betracht zog: Man müsse sich der Frage stellen, “wie der Charakter dieser Straße sein soll und mit welchem Respekt wir unserer Prachtmeile entgegen treten wollen.”
Verbale Entgleisung von Oberbürgermeisterin Eva Weber: ein Depp
Wenig Respekt zeigte Eva Weber gegenüber dem Linken Stadtrat Frederik Hintermayr, der Weber indirekt ein kanalisiertes Verständnis vorwarf, da zwar Ordnungsreferent Frank Pintsch, aber nicht Sozialreferent Martin Schenkelberg auf der Pressekonferenz am Montag zugegen war. Man müsse es schon ihr überlassen, wen sie zu den städtischen Pressekonferenzen einlade, so Weber genervt Richtung Hintermayr. Und zischte wenig später hinterher, wohl Richtung der Grünen Bürgermeisterin Martina Wild: “ein Depp”. Dass dies nicht nur von ihrem nächsten Umfeld, sondern auch von den Mikrofonen der Livestreamübertragung aufgenommen wurde, bringt Eva Weber wohl in Schwierigkeiten. Mit der Intention der Schadensbegrenzung rief Oberbürgermeisterin Weber kurz nach der Stadtratssitzung bei Hintermayr an und bat um Verzeihung. Hintermayr nahm die Entschuldigung an, wie er auf Anfrage der DAZ zu Protokoll gab.
Stadt nach Acht: Generation AUX punktet mit einem interessanten Konzeptvorschlag
Neben den üblichen Betroffenheitsmeldungen von verschiedenen Seiten gab es am Freitag von Generation AUX ein interessantes Lebenszeichen: Ein interdisziplinäres Stadtentwicklungskonzept sowie ein ehrenamtlicher Nachtbürgermeister sei das zielführendere Konzept, so Raphael Brandmiller, der für Generation AUX im Stadtrat sitzt.
Um die offenen Frage in der aktuellen Situation nachhaltig zu lösen, schlägt Generation AUX vor, eine “Nachtstadtentwicklung” zu initiieren. Unter dem Namen „Stadt nach Acht“ solle man Augsburg bei Nacht nochmal neu und ganzheitlich denken. Die Idee von „Stadt nach Acht“ sei, dass Städte in der Regel anhand ihrer Tagbedürfnisse geplant werden: “Passantenzählungen, Verkehrsströme, Bedürfnisse des Handels. Alle diese Überlegungen fließen in Stadtentwicklungsprozesse ein. Nachts haben jedoch alle Städte andere Bedürfnisse als untertags. Andere Hotspots, andere Problemlagen, meist ein anderes Publikum.”
“Wir haben diese Vorschläge bereits in der gestrigen Stadtratssitzung geäußert und werden diesbezüglich in den kommenden Tagen sowohl auf die Stadtregierung zugehen, als auch innerhalb der Koalition eine entsprechende Antragstellung anregen”, so Brandmiller.