Eröffnung Brechtfestival: „Morgen wird auch ein schöner Tag, sagte die Eintagsfliege“
Brechtfestival-Eröffnung mit einem Theaterabend zu Thomas Brasch
Von Halrun Reinholz
Thomas Kühnel und Jürgen Kuttner treten in diesem Jahr zum letzten Mal als Macher des Augsburger Brechtfestivals in Erscheinung. Bedingt durch die Pandemie musste in den letzten zwei Jahren viel improvisiert und experimentiert werden. Nach einem etwas holprigen Start als Präsenzfestival ließen sie ihr zweites Festival 2021 vollkommen online ablaufen. Für 2022 entschied man sich angesichts der nach wie vor unsicheren Lage eine „Zwitterform“ aus Streams und Präsenzveranstaltungen, die dem gewählten Motto „World Wide Brecht“ das nötige globale Gewicht verleihen sollten. Passend dazu wählte man ein „globales“ Logo: Eine offenbar dem Jugendstil entlehnte Frauenfigur, die auf dem Erdball steht und aus einer wohl ein Füllhorn mimenden rechteckigen Schachtel einen großzügigen Strahl Brecht (oder was sonst?) auf die Welt rieseln lässt. So weit, so mondän.
Kuttner: In Augsburg mehr über Roy Black als über Brecht gelernt
Im Gegensatz zu diesem weltumspannenden Anspruch fiel die Festivaleröffnung überraschend spartanisch aus. Beiläufig erfuhren die Zuschauer, die zur Premiere des Stückes „Morgen wird auch ein schöner Tag, sagte die Eintagsfliege“ in der Brechtbühne erschienen waren, dass sie gleichzeitig der weltweiten Eröffnung des Brechtfestivals beiwohnen würden. Vor einem kleinen Arsenal von Fernsehkameras wies die Journalistin Marion Buk-Kluger das Publikum darauf hin, dass ihre vielsprachige Begrüßung einem weltweit zugeschalteten Publikum gelte. Oberbürgermeisterin Eva Weber und Kulturreferent Jürgen Enninger traten danach aus dem Bühnenschatten, um in kurzen Grußbotschaften jeweils die Bedeutung Augsburgs als Brechtstadt herauszustellen. Die Festivallleiter Tom Kühnel und Jürgen Kuttner waren auf eine Begrüßung weniger vorbereitet. Sie mussten erst aus dem Saal geholt werden und gaben nur einsilbig Auskunft, etwa darüber, ob Augsburg ihnen eine andere Sicht auf Brecht vermittelt habe. Jürgen Kuttners schnoddrige Antwort, er hätte in Augsburg mehr über Roy Black als über Brecht gelernt, war da für die weltweite wie auch für die im Saal anwesende Zuschauerschaft nicht wirklich erhellend. Und Tom Kühnel fiel auch nicht viel dazu ein, er beendete vielmehr die Eröffnungszeremonie mit dem mahnenden Hinweis, dass die Schauspieler hinter der Bühne bereits warten würden. Da blieb Marion Buk-Kluger nichts anderes übrig, als sich in den vielen Sprachen des TV-Publikums zu verabschieden.
Brasch-Festival?
Nun war die Bühne frei für Thomas Brasch, ihm galt der Premierenabend. Kühnel und Kuttner hatten Texte von ihm und über ihn zusammengestellt, die als eine Art Revue von Natalie Hünig, Christina Jung, Paul Langemann, Sebastian Müller-Stahl und Pascal Riedel in wechselnden Rollen präsentiert wurden. Dass der Autor und Filmemacher Thomas Brasch (geb. 1945) wenigen Augsburgern ein Begriff ist, hatten die beiden Autoren des Theaterabends wahrscheinlich richtig vermutet. Als „Enkel Brechts“ wurde er vorgestellt. Ein Zerrissener, in der DDR als Sohn eines linientreuen Funktionärs aufgewachsen, der seinen Beitrag zur Errichtung einer besseren Gesellschaft (ganz im Sinne Brechts) durch konstruktive Diskussion und Kritik leisten wollte. Nach Gefängnisaufenthalt ausgebürgert, fand er auch in Westberlin nicht seinen Platz. Die Zerrissenheit, gepaart mit dem „närrischen“ Anspruch auf das Aussprechen von Wahrheit sollen wohl die hell-dunklen Harlekinskostüme ausdrücken, die sich Ulrike Gutbrod für die Darsteller ausgedacht hatte.
Eine zentrale Rolle spielt die Auseinandersetzung Braschs mit seinem Vater, die durchaus stellvertretend für die mit dem System steht. Die sich schnell wechselnden Szenen auf der Bühne sind einprägsam mit Filmausschnitten, teilweise im O-Ton, ergänzt. Besondere Heiterkeit rief im Publikum die provokante Dankesrede Braschs hervor, als er 1981 den Bayerischen Filmpreis aus den Händen von Franz-Josef Strauß entgegennimmt, dessen politische Ansichten er, wie er explizit angibt, nicht teilen würde, aber den Preis dennoch annehme, weil er das Geld für sein nächstes Filmprojekt brauche. Davor hatte er zur hörbaren Empörung des Publikums explizit der „Filmhochschule der DDR“ für seine Ausbildung gedankt (die er aber nicht beenden durfte). Hick-Hack aus Zeiten des kalten Kriegs, wichtig als Folie für die Biografie Braschs.
Bemühen um Kurzweiligkeit
Konzentriert und mit großer Wandlungsfähigkeit brillierten die Darsteller, die zum Teil auch musikalisch oder gar mit einem Stab-Puppenspiel in Erscheinung traten. Wie aufwendig das Ganze war, zeigte sich, als beim Schlussapplaus ein gut besetztes Regieteam auf die Bühne marschierte. Doch trotz allem Bemühen um Kurzweiligkeit: Das ständige Umschwenken auf neue Szenen und Gedankenwelten erfordert von den Zuschauern eine permanent hohe Konzentration, deshalb ist der ohne Pause gespielte Theaterabend mit knapp zwei Stunden einfach zu lang angelegt. Und das auch ohne den Vorspann der Festival-Eröffnung, der bei der Premiere noch dazu kam. Der eher erleichterte als frenetische Applaus des Premierenpublikums galt deshalb letztlich vor allem den hervorragenden Schauspielerinnen und Schauspielern auf der Bühne.