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Montag, 11.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Ausstellung

Kommentar zur Ausstellung “Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte.”

„Es ist für jemanden wie mich ein eigenartiges Gefühl, Tagebuch zu schreiben. Nicht nur, dass ich noch nie geschrieben habe, sondern ich denke auch, dass sich später keiner, weder ich noch ein anderer, für die Herzensergüsse eines dreizehnjährigen Schulmädchens interessieren wird.“

Von Sophia Biehringer

Diese Zeilen schreibt Anne Frank im Juni 1942 in ihr Tagebuch. Es ist das Tagebuch eines ganz normalen Mädchens mit alltäglichen Problemen, Träumen und Plänen für die Zukunft: Anne möchte Schriftstellerin und Journalistin werden, doch damals denkt sie nicht im Traum daran, dass genau dieses Tagebuch, viele Jahre nach ihrem Tod im KZ Bergen-Belsen, in über 70 Sprachen übersetzt wird und weltweite Berühmtheit erlangt. Ihre Erinnerungen überleben bis zum heutigen Tag, denn durch die Veröffentlichung des Tagebuchs vor ziemlich genau 75 Jahren wurden sie vor dem Vergessen bewahrt. 

Anne Frank in Augsburg

Auch Augsburg wird Teil der Erinnerungskultur: Am 29. Juni eröffnete Bürgermeisterin Martina Wild die Wanderausstellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte.“, die nun im Erdgeschoß des Augsburger Rathauses besucht werden kann. Die Wanderausstellung thematisiert allerdings nicht ausschließlich das Leben der Anne Frank, sondern ordnet ihre persönliche Geschichte in die Zusammenhänge des großen Ganzen ein. Dabei gliedert sich die Ausstellung in einen historischen Teil, in dem Schlüsselereignisse des Zweiten Weltkrieges näher beleuchtet werden, sowie in einen aktuellen Bereich, der sich mit heute wichtigen Entwicklungen und Themen, angelehnt an die Erfahrungen der Anne Frank, auseinandersetzt: Die Suche nach der eigenen Identität und Zugehörigkeit und der Umgang mit Ausgrenzung und Diskriminierung sind zeitlose Probleme, mit denen wir auch heutzutage, in unserer vermeintlich modernen Gesellschaft, zu kämpfen haben. 

Die Ausstellung richtet sich daher besonders an Jugendliche, die von etwa gleichaltrigen Peer Guides durch die Bereiche der zahlreichen Infowände und Ausstellungsstücke geführt werden. Diese Schüler und Schülerinnen der Augsburger Schulen beschäftigten sich im Vorfeld intensiv mit der Lebensgeschichte der Anne Frank und den historischen Ereignissen ihrer Zeit. Durch die gegenwartsorientierten Inhalte und dem Wunsch, vor Allem jüngere Menschen in den Prozess der Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus einzubeziehen, löst sich die Wanderausstellung von der alleinigen Darstellung historischer Fakten und nähert sich der Frage nach Identität und Vermittlung gesellschaftlicher Verantwortung.

Fahrt ins Ungewisse

Der Zeitraum der Ausstellung wird von einem vielseitigen Rahmenprogramm begleitet, bei dem auch die Schreibwerkstatt des Maria-Theresia-Gymnasiums unter der Leitung der Autorin Alexandra Tobor die Erfahrungen und Erlebnisse ihres eigenen Anne-Frank-Projekts teilt. Gegen Ende der bayerischen Pfingstferien besuchte die Gruppe das Stammlager Auschwitz sowie das wenige Kilometer entfernt gelegene Vernichtungslager Birkenau. Es war eine Fahrt ins Ungewisse, zu einem Ort der Finsternis und Verzweiflung. Was sie besonders beschäftigte, war die Frage nach dem Erinnern: Zu begreifen, dass die Realität und das Leben derer, deren Geschichten in Auschwitz zu Ende gingen, genauso wirklich waren, wie es unsere Gegenwart heute ist. Ihren Eindrücken kann in Form von Texten und Tagebucheinträgen im Rahmen des Just Kids Festivals am 25. Juli gegen 19:00 Uhr im Provino Club gelauscht werden. 

Gedenkstätte und Lernort

Auch durch das Tagebuch der Anne Frank verlieren wir die Distanz, die wir aus der Sicht der Zeit natürlicherweise zu den Geschehnissen aus der Vergangenheit einnehmen und geben den Menschen ihre Gesichter zurück. Denn so lähmend die Zahlen der Opfer des Nationalsozialismus auch sind, müssen wir nachfragen und uns daran erinnern, dass jede Zahl einen Namen und jeder Name einen Menschen mit einer eigenen Geschichte birgt. Die Geschichte der Anne Frank zeigt uns das Mädchen dahinter: Eine kluge junge Frau mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, deren Recht auf Leben ihr geraubt wurde, weil sie Jüdin war. Ihr Tagebuch gab ihr unter 1,5 Millionen ermordeten jüdischen Kindern das Gesicht zurück und ihr Traum, eines Tages Schriftstellerin zu werden, ging in Erfüllung. Was bleibt, ist die Erinnerung. Und die Ausstellung soll genau das auch sein: Ein Ort des Erinnerns. 

Jedoch soll sie gleichermaßen auch einen Lernort bieten, an dem sich Kinder und Jugendliche mit der Geschichte auseinandersetzen und sich gleichzeitig ihrer eigenen gesellschaftlichen Verantwortung für ihre Mitmenschen bewusst werden können. Die Vergangenheit soll zum Nachdenken über die Gegenwart anregen, denn Demokratie und Rechtsstaat spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Geschehenes zu reflektieren und eine Wiederholung der Geschichte zu vermeiden. Auch heute noch leiden Menschen unter Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus, auch heute erleben wir Diskriminierung, Ausgrenzung und Verurteilung, auch heute dokumentieren viele dieser Betroffenen ihre Erlebnisse, vielleicht sogar in einem Tagebuch.

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Sophia Biehringer ist 17 Jahre alt und Schülerin der elften Klasse des Maria-Theresia-Gymnasiums in Augsburg und schreibt in einem Jahr ihr Abitur.



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