Meinung
Kommentar zum Friedensfest: Warum der Streit ums Kulturprogramm Eva Weber anzulasten ist
Dass man der Stadt Augsburg in Sachen Friedensfest “kulturelle Aneignung” vorwerfen kann, ist natürlich ironisch gemeint und dennoch ernst zu nehmen, da die städtischen Kulturbeigaben zum Hohen Friedensfest von Beginn an von kritischen Hintergrundgeräuschen begleitet wurden.
Kommentar von Siegfried Zagler
Wenn man die schwelenden Auseinandersetzungen um das “Kulturprogramm zum Augsburger Friedensfest” verstehen will, sollte man mit Timo Köster anfangen. Köster erhielt unter der Ära Gribl/Grab als Leiter des Projektbüros für Frieden und Interkultur den Auftrag, ein Kulturprogramm zum Hohen Friedensfest zu erstellen und Köster lieferte: Über 200 Seiten umfasste das Programmheft. Drei Wochen vor dem 8. August ging es los. Zirka 130.000 Euro standen dafür zur Verfügung.
„Das Friedensfest ist keine Dachmarke, sondern eine inhaltliche Herausforderung“, so Köster damals selbstbewusst. Eine Werbeagentur entwickelte ein Branding dazu: “City of Peace”, ein Logo war auch dabei und die Stadt Augsburg vertrat damals die Auffassung, dass man den 8. August stärker als städtische Dachmarke pflegen müsste. Kösters Programm beinhaltete Veranstaltungen wie den „Friedensmarathon“ und zahlreiche Podiumsdiskussionen und Events in Sachen „Musik, Migration, Umwelt, Politik, Sport, Religion“ – in dieser Reihenfolge standen die Themen auf der Titelseite des Programmbuches.
Kritiker verwiesen bereits damals auf den Sachverhalt, dass diese Form des Vorprogramms zusammen mit dem Friedensstadt-Marketing als städtischer Markenkern kaum haltbar sei, da der sogenannte “Augsburger Reichs- und Religionsfrieden” in einem historisch komplexen Kontext entstand und vereinfacht gesagt, eine politische Kompromisslösung darstellte, da sich die gespaltene christliche Kirche vom kaiserlichen Staat nicht mehr zusammenführen ließ. Der Augsburger Reichs- und Religionsfrieden gab nun 1555 den Landesherren das Recht, über die Konfession in ihrem Herrschaftsgebiet zu entscheiden. Die Untertanen hatten den Glauben des Fürsten anzunehmen.
Nur in den Freien Reichsstädten waren beide christliche Konfessionen nebeneinander erlaubt. Andere religiöse Gruppierungen waren die Verlierer und ihre Mitglieder mussten um ihr Leben fürchten, da sie nicht in die Vereinbarung mit einbezogen waren. In den nicht katholischen Gebieten wurden die Klöster aufgehoben und zu Staatseigentum umgewidmet. Die Landesherren setzten neue Pfarrer ein, gründeten Universitäten und Schulen zur Ausbildung der neuen Theologen. Damit begründete der Augsburger Religionsfrieden die Entstehung der evangelischen Kirchen. Allerdings hatte dieser “Frieden” den Hass zwischen Lutheranern und Katholiken nicht besänftigt und in der Folge u.a. zum Dreißigjährigen Krieg geführt, der das paritätische Regierungs- und Verwaltungssystem in Augsburg destabilisierte. Am am 8. August 1629 kam es zu Rekatholisierungsmaßnahmen, die evangelische Religion wurde zurückgedrängt und verboten.
Der Augsburger Religionsfrieden, führte nicht zum Frieden, sondern zum Krieg
1632 wurde Augsburg von evangelischen schwedischen Truppen eingenommen, 1635 von kaiserlich bayerischen zurückerobert. 1648 wurde mit dem Westfälischen Frieden die Parität in Augsburg wieder hergestellt und bereits zwei Jahre später nahmen die Augsburger Protestanten den Jahrestag des kaiserlichen Eingriffs von 1629 zum Anlass, mit dem ersten Gedenktag die Erhaltung ihres Glaubens zu erinnern und zu einem Festtag zu erhöhen.
Der Augsburger Reichs- und Religionsfrieden führte also nicht zum Frieden, sondern zum Krieg. Der 8. August 1629 war ein schwarzer Tag in der Kulturgeschichte der Stadt Augsburg.
Dieser ausführliche Ausflug in die Vergangenheit ist deshalb notwendig, weil der inflationär gebrauchte Begriff von der “Friedensstadt Augsburg” problematisch ist. Und sich die Stadt dabei zu wenig Mühe gibt, das historische Material in den richtigen Kontext zu stellen.
1950 erklärte der Freistaat das Augsburger „Hohe Friedensfest“ im Stadtkreis Augsburg zum gesetzlichen Feiertag, der allerdings zunächst nur von der evangelischen Kirche gefeiert wurde. Erst seit 1984 feiert auch die katholische Kirche mit. Seit 1985 verleiht die Stadt Augsburg alle drei Jahre den Augsburger Friedenspreis: Der erste große Schritt in der politischen Moderne hin zur “kulturellen Aneignung” eines kirchlichen Feiertags, der sich im Kern von einem evangelischen Gedenktag zu einen interkonfessionellen Festtag verwandelte und spätestens mit Peter Grab und Timo Köster “entspiritualisiert” wurde. Man könnte auch sagen: trivialisiert wurde. Doch auch das ist nicht ganz richtig. Als in Augsburg noch amerikanische Soldaten stationiert waren, fand jedes Jahr am Abend des 8. August ein Konzert deutscher und amerikanischer Militärkapellen mit abschließendem großem Feuerwerk im Rosenaustadion statt. Man mag es kaum glauben, aber der Kalte Krieg schlug viele Kapriolen.
Dass sich die Stadt über eine Neuausrichtung Gedanken macht, ist völlig legitim
Dass sich die Stadt Augsburg heute Gedanken darüber macht, das Hohe Friedensfest bezüglich des Rahmenprogramms neu auszurichten, ist völlig legitim und liegt quasi in der wechselhaften Betrachtung und Bewertung dieses Ereignisses begründet. Der kirchliche Aspekt soll nun wieder stärker in den Fokus gestellt werden, der kulturelle Rahmen stärker vom Runden Tisch der Religionen erarbeitet werden. Das wäre kaum eine Fußnote wert, wäre daraus kein Politikum geworden.
Die Wellen schlagen hoch und tragen giftige Schaumkronen. Vom zensorischen Eingriff in die Freiheit Kunst ist die Rede, von einer überkulturellen Steuerung wurde im Kulturausschuss gesprochen. Das kommt einer Desavouierung der beiden städtischen Mitarbeiterinnen des Friedensbüros sehr nahe. Ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang. Ob das städtische Vorhaben nun gut oder schlecht ist, lässt sich aktuell nicht feststellen. Auch die Qualität der Programmarbeit des Friedensbüros steht hier nicht zur Disposition. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass die verantwortliche Leiterin des Friedensbüros eine hohe Reputation genießt – und dies nicht nur in der Blase der irgendwie linksgedrehten Community.
Festzuhalten ist aber auch, dass das Ansehen der Stadt beschädigt wird, wenn Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Verwaltung nach außen getragen werden, und dabei der Eindruck entsteht, dass es irreparable Verwerfungen gibt, die eine politische Neuausrichtung des Hohen Friedensfestes behindern. In welche Richtung es nun beim städtischen Kulturprogramm auch gehen mag, der politische Webfehler wie das interne Führungsdefizit ist Oberbürgermeisterin Eva Weber anzukreiden, die das für das Rahmenprogramm zuständige Friedensbüro direkt nach der Wahl 2020 vom Kulturreferat ins OB-Referat verlegte. Da dem letzten Kulturausschuss ein handwerklich schlecht gemachter Beschlussantrag vorgelegt wurde, hatte der Vorsitzende des Kulturbeirats Korbinian Grabmeier leichtes Spiel, den Verwaltungsantrag in der Luft zu verreißen.
Nicht die Freiheit der Kunst steht auf dem Spiel, sondern die politische Kultur
Augsburgs Kulturjournalist Nummer eins, Richard Mayr von der Augsburger Allgemeinen, legte nach und ließ anklingen, dass die kuratorische Arbeit der Chefin des Friedensbüros möglicherweise vom Grundgesetz geschützt sei. Zu dieser Rechtsauffassung kommt Mayr über das Studium eines Gutachtens, das auch bei Verwaltungsangestellten kuratorische Freiheit proklamiert. Die Freiheit der Kunst ist in Augsburg jedoch weniger gefährdet, als die politische Kultur. Augsburg ist gerade dabei, seine politische Kultur zu verlieren, was u.a. auch damit zu tun hat, dass Oberbürgermeisterin Eva Weber sich mehr als Verwaltungschefin denn als Politikerin versteht und fast alles über die Verwaltung herbeiführen und abwickeln möchte. Dies zeigt besonders dieser Fall, der doppelt bemerkenswert ist, weil OB Weber einen langen Streitfall innerhalb der Verwaltung bisher weder moderiert, noch gelöst hat. Die Katholikin Eva Weber sollte jedoch politisch in der Lage sein, das Friedensfest zu seinen kirchlichen Wurzeln zurückzuführen. Und es wäre mehr als zu wünschen, dass sie dies auch politisch annonciert und begründet. Nach einem Regierungswechsel verändern sich die politischen Gestaltungsvorhaben und dazu darf auch ein verändertes Kulturprogramm zum Friedensfest gehören.
Eine OB-Positionierung wäre notwendig
Die Chefin des Friedensbüros Christiane Lembert-Dobler ist Angestellte der Stadt Augsburg und befindet sich somit in einem Abhängigkeitsverhältnis. Auch wenn sie viel Spielraum hatte, eine freie Kuratorin war sie nicht, allein schon wegen der politischen Verwaltungsstruktur, von der ihr Arbeitsverhältnis geprägt ist. Es mag 2022 einen zensorischen Eingriff in die laufende Programmarbeit gegeben haben. Doch 2023 kann man bisher nur von unterschiedlichen Meinungen im OB-Referat sprechen. Es mag zu diesem Thema einen Beschluss des Kulturausschusses geben, doch den könnte OB Weber pulverisieren, was aber gar nicht nötig ist.
Die Stadt sitzt immer am längeren Hebel. Sie könnte das Friedensbüro auflösen oder es umbenennen und die 60.000 bis 70.000 Euro des Programm-Etats der Kresslesmühle zur Verfügung stellen – zur Stärkung des Ruile-Erbes oder dem Grandhotel jährlich eine zweckgebundene Summe davon zukommen lassen. Kurzum: Eine deutliche Positionierung von OB Weber und das Thema wäre erledigt und alle Befindlichkeiten, Irrtümer und Gerüchte wären vom Eis. Dass das Thema hochkochen konnte, ist der erste OB-Fehler, dass es nun so lange vor sich hinköchelt der zweite.
Man darf gespannt sein, ob Eva Weber das Theater ums Programm mit einem Regie-Streich beendet, oder ob ihr die Kulisse mit Karacho um die Ohren fliegt.