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Donnerstag, 21.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Gedenken

Ernst Lossa – Vor 80 Jahren von den Nationalsozialisten ermordet

Der Augsburger Ernst Lossa (1929-1944) war eines von rund fünftausend Kindern, die den nationalsozialistischen Krankenmorden zum Opfer fielen. Heute vor achtzig Jahren wurde er in der damals so genannten “Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren” im Alter von 14 Jahren ermordet.

Ernst Lossa wurde am 1. November 1929 in Augsburg geboren. Seine Familie lebte im heutigen Stadtteil Oberhausen, unmittelbar an der Wertachbrücke. Die Lossas waren als Jenische Angehörige einer Minderheit, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. Im Jahr 1933 nahmen die Behörden Ernst und seine Geschwister den Eltern weg und brachten sie in verschiedene Kinderheime, unter anderem nach Augsburg-Hochzoll. Kurz danach starb die Mutter des erst knapp vierjährigen Jungen. Sein Vater Christian Lossa wurde 1936 von den National­sozialisten in das Konzentrationslager Dachau deportiert, dann in ein Zuchthaus verlegt und am 30. Mai 1942 im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet.

Staatlich gelenktes Vernichtungsprogramm gegen Menschen mit Behinderung
Im folgenden Jahr 1943 wurde Ernst Lossa im Rahmen des nationalsozialistischen “Euthanasie”-Programms in Nebenstelle Irsee der Anstalt Kaufbeuren verlegt. Das staatlich gelenkte Vernichtungsprogramm mit der zynischen Bezeichnung “Euthanasie” traf Menschen mit Behinderung, Menschen mit psychischer Erkankung oder Menschen, die das NS-Regime als “Ballastexistenzen” abwertete. Schätzungsweise 200.000 bis 300.000 Menschen wurden dabei in ganz Europa getötet. In der Anstalt Kaufbeuren/Irsee wurden bis Kriegsende 2.333 Menschen ermordet. Entweder durch eine Überdosis von Medikamenten oder durch den Hungertod. Am Abend des 8. August 1944 wurden Ernst Lossa zwei Spritzen mit Morphium-Scopolamin gesetzt. Der vierzehnjährige Junge starb daran am Nachmittag des 9. August 1944.

Gedenken an Ernst Lossa - Foto: DAZ/ bsch

Gedenken an Ernst Lossa – Foto: DAZ/ bsch

Ernst Lossas Schicksal fiel bereits 1945 den Amerikanern auf, als sie die Patientenmorde untersuchten. Der Mord an dem Jungen diente als Präzedenzfall im Prozess gegen Ärzte und Pfleger im Jahr 1949 vor einem Augsburger Schwurgericht. Die Täter erhielten jedoch nur milde Strafen und Freisprüche. Ernst Lossas Schwestern Amalie und Anna hatten den Krieg im Kinderheim überlebt.

Gesicht und Stimme der Opfer
Im Laufe der Zeit wurde Ernst Lossa zu einer Symbolfigur. In den 1980-er Jahren begann der ehemalige Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren, Professor Michael von Cranach, mit der Aufarbeitung der Morde an über 2.500 Patientinnen und Patienten. Dabei stieß er auf die Akte von Ernst Lossa und stellte erste Nachforschungen an.

Ernst Lossas Geschichte gibt den Opfern der NS-Krankenmorde Gesicht und Stimme und sie unterstreicht die Grausamkeit des Programms. Sie offenbart das verlogene Menschenbild der Nazis. Auf Cranachs Anregung hin recherchierte der Journalist und Autor Robert Domes die Lebensgeschichte des Jungen und schrieb darüber das Buch “Nebel im August. Die Lebensgeschichte des Ernst Lossa” (München 2008). Durch den Roman und die anschließende Verfilmung (2016; Regie: Kai Wessel) ist das Schicksal von Ernst Lossa einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden.

Stolpersteine vor der Wertachstraße 1 - Foto: DAZ/ bsch

Stolpersteine vor der Wertachstraße 1 – Foto: DAZ/ bsch

Stolpersteine und ein Straßenname
Heute weisen zwei Stolpersteine darauf hin, wo die Familie Lossa ein Zuhause hatte, bevor der nationalsozialistische Terror begann. Und im Stadtteil Pfersee gibt es seit dem Jahr 2007 eine Ernst-Lossa-Straße. Ernst Lossa könnte am 1. November 95 Jahre alt werden. Zu seinem Gedenken haben Unbekannte am Donnerstag vor seinem Elternhaus an der Wertachstraße 1 neben seinem Portrait eine Kerze aufgestellt und Rosen niedergelegt.

 

 

Text: Pressemitteilung des Bezirks Schwaben/ DAZ

 

 


Veranstaltungshinweis:

“Lichter gegen das Vergessen”
Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-“Euthanasie”
1. November 2024
Ehem. Anstaltsfriedhof Irsee
Organisation: Bezirk Schwaben, Bildungswerk des Bayerischen Bezirketags