Jugendkultur in Augsburgs Innenstadt – was fehlt, was brauchts?!
Wie und wodurch kann jugendkulturelle Partizipation im Rahmen von Szenekulturen, Bildungsprozessen, Freizeitaktivitäten und Beteiligungsnarrativen wieder zur Geltung kommen?
Von Peter Bommas
Welche Resultate können lokal ausgerichtete Recherchen vor dem Hintergrund der jüngsten Jugendkulturstudien und des öffentlichen Diskurses um die politischen Einstellungen von jungen Wähler*innen im Rahmen der Auswertung von Wahlprioritäten bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg zu Tage fördern? Im Folgenden eine Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen, die von befragten Jugendlichen/ Jungen Erwachsenen unter der Überschrift „Was fehlt, was brauchts in der Innenstadt“ genannt wurden.
Am häufigsten genannt wurde das Fehlen von frei zugänglichen Räumen, auch Plätzen oder Parks, für Freizeitaktivitäten mit entsprechender Ausstattung für Spiele und Bewegung, Kickern, Billard und Lesen bis Malen, Sprühen, Skaten, Tanzen und Rollenspielen – alles möglichst leicht zugänglich, gebührenfrei oder ganz niederschwellig betreut durch FSJler, Bufdis o.ä. im Sinne eines großen, nicht – kommerziellen, zentralen Jugendkultur-Treffpunkts, nach Möglichkeit auch mit einem Aussenbereich.
Auf Nachfrage nach dem Wo? und Wie? wird in diesem Zusammenhang von vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen immer wieder auf die Leerstände in der Innenstadt – „Woolworth-Gebäude“, „Karstadt-Kaufhaus“,“ „ehemalige Musikhochschule“, ehemalige „Gaststätte am Hohen Weg“ – verwiesen, auf deren Potential für eine sozio-kulturelle oder bildungsaffine Umnutzung. Und gleichzeitig von vielen als Beispiel genannt die erfolgreichen Zwischen- bzw. Umnutzungen ausserhalb der Innenstadt wie z.B. der Kulturpark West auf den ehemaligen Kasernenflächen im Reesegelände, das Gelände von „Tür an Tür“ beim ehemaligen Straßenbahndepot am Senkelbach, das Atelierhaus „Ballonfabrik“ mit Veranstaltungsraum und dem angrenzenden Boulderzentrum „Blockhütte“ an der Austraße, dem innerstädtisch wirkenden GrandHotel Cosmopolis im Springergäßchen.
An zweiter Stelle der Nennungen steht der Wunsch nach zentralen innerstädtischen Treffpunkten zum Chillen, Reden, Hören, Sehen ohne zu große Verbindlichkeit und ständige soziale Kontrolle sowie möglichst kostenfrei und am besten in einer selbstverwalteten oder niederschwellig organisierten Raumgröße mit Cafe, Bar und selbst organisierten Auftritts- sowie Ausstellungsmöglichkeiten und entsprechenden Internetzugängen für Social-Media-Aktionen und Recherchen – hier kommt einmal der Verweis auf den von der Schließung bedrohten Provino-Klub in der ehemaligen Gaststätte mit Kegelbahn und Biergarten am Eingang zum Textilviertel und zum anderen öfter die Frage, warum die Ladenleerstände in der Annastraße anstelle für zeitlich sehr befristete, oft uninteressante Pop Up-Stores mit Werbeaktionen nicht auch für einen dauerhaften Jugendtreffpunkt als Begegnungsort genutzt werden könnten.
An dritter Stelle genannt die Forderung nach einer räumlichen Infrastruktur in der Innenstadt, die nach Schule, Akademie oder Hochschule auch Möglichkeiten für Selbststudium, Diskursorte, Lesecafe, Angebote für Sprachlernen, Musikunterricht, Workshops, Skaten und Sprühen, Hausaufgabenbetreuung und weitere Bildungsangebote jenseits von schulischen Pflichtfächern bietet sowie einen Informations- und Versammlungsraum, um selbstorganisierte Veranstaltungen, Aktionen, Demos etc. zu besprechen und vorzubereiten.
Ältere Jugendliche mit Studierendenstatus bzw. angehende Interessenten für Freiwilligendienste monieren auch das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum in der Innenstadt, verweisen auf mögliche Hausleerstände zur Umnutzung für Wohngruppen bzw. Wohngemeinschaften oder einem gemeinnützig getragenen „Boarding House“.
Allein diese nach dem Zufallsprinzip erfragte Aufzählung jugendlicher Wünsche und Forderungen nach einer sozio-kulturellen Belebung der Innenstadt machen deutlich, was die Stadtpolitik in den letzten Jahren bei ihrem Starren auf die Prestigeprojekte Bahnhofstunnel und Staatstheater sowie der offensichtlichen „Vorfahrt für Gastro“ und „Event-Kultur“ völlig aus den Augen verloren hat.