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Donnerstag, 21.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Der Fluch des Egoismus – Die „Weihnachtsgeschichte“ im Martinipark

Für das Familienstück hat das Augsburger Theater in diesem Jahr einen Klassiker ausgewählt: „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens. Sie ist aktuell wie eh und je.

Von Halrun Reinholz

Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht (Natalie Hünig) führt Scrooge durch die weihnachtliche Stadt

Vor dem abweisenden Büro des Geld­ver­leihers Ebenezer Scrooge (Patrick Rupar) steht ein als Tannen­baum verkleidetes Kind und singt. Scrooge lässt es durch seinen Ange­stellten Bob Cratchit vertreiben, denn Weih­nachten hält er für „Humbug“, das den Arbeits­ablauf stört.

Charles Dickens` Kritik am menschen­ver­achtenden Kapita­lismus aus dem Jahr 1843 trifft seither den Nerv der Leser und wurde schon bald in verschie­denen Formen auf die Bühne gebracht – als Theater­stück, als Musical, als Film oder gar als Disney-Comic mit dem geizigen Dagobert Duck in der Rolle des Ebenezer Scrooge. Die Geschichte ist zeitlos und vielleicht aktueller denn je – Egoismus, Ich-Zentrie­rung und Hart­herzigkeit sind auch für das junge Publikum von heute sichtbare Phäno­mene, die hinterfragt werden müssen. Das Premieren­pub­likum im Martini­park bestand aus Horden von Schul­klassen, weitere werden im Laufe der nächsten Monate folgen. Da kann man eine kompetente Beurteilung erwarten. 80 Minuten einiger­maßen diszipli­niertes Zuschauen und Zuhören sprechen für die Auf­führung, der begeisterte Applaus am Schluss auch.

Regisseurin Yvonne Kespohl hat in Augsburg bereits „Alice im Wunderland“ inszeniert. Die Figuren auf der Bühne sind bei ihr auf sympathische Art überzeichnet: Überbreite Schultern, riesige Frisuren, schrille Farben (Bühne und Kostüme: Lydia Huller). Das karge, graue Büro von Scrooge steht in sichtbarem Kontrast zu den Häusern drumherum, die warm und farbenfroh sind. Aus dem Neffen Fred wurde in Augsburg die Nichte „Freddie“, die den sturen Geizhals warmherzig und empathisch jedes Jahr zum Weihnachtsessen einlädt. Die zwischenmenschliche Interaktion steht dadurch in sichtbarem Kontrast zum kalten Rationalismus des Geldverleihers.

Bob Cratchit (Kai Windhövel) und Nichte  „Freddie“ (Elif Esmen) können Ebenezer Scrooge (Patrick Rupar, links) nicht von der Schönheit des Weihnachtsgedankens überzeugen. – Fotos: Jan-Pieter Fuhr

Patrick Rupar gelingt es gut, die Wandlung vom egomanen Geizhals zum einsichtigen Wohltäter glaubhaft zu machen. Nur sechs weitere Schau­spielerinnen und Schau­spieler (Kai Windhövel, Elif Esmen, Natalie Hünig, Katja Sieder, Jannis Roth und Ute Fiedler) teilen sich die weiteren (über 20) Rollen, was bei den teils aufwendigen Kostümen logistisch nicht ganz einfach ist. Vor allem die drei Weihnachts-Geister, die Scrooge letztlich zur Umkehr bewegen, sind eher fantasie­voll als furcht­erregend. Ein bisschen mehr Auf­merk­samkeit hätte die Musik verdient, die eher im Hinter­grund abläuft und sich nicht markant hervorhebt. Gerade bei den Kinder­stücken, wo die musikalische Umrahmung die Botschaft des Stückes erfahrungs­gemäß gut unter­stützen kann, hätte sich da mehr angeboten. Doch unab­hängig davon verbreitet das Geschehen auf der Bühne in bester britischer Manier gute Laune, indem das eigentlich meist tragische Geschehen mit einer kräftigen Portion Komik aufge­bürstet wird.

Das kompetente Publikum zollte den Akteuren, wie bereits erwähnt, donnernden Applaus, auch wenn die stürmischen Zugabe-Rufe unerhört blieben. Im Theater sind die Geister der Weihnacht schon da, jetzt kann das Fest kommen.