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Freitag, 25.04.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Kommentar

Augsburg und die Legende vom heiligen Fugger 

Die Stadt Augsburg und die Fuggerschen Stiftungen feiern wieder einmal gemeinsam ein 500-Jahre-Jubiläum. Die historische Problemfigur Jakob Fugger soll erneut als Lichtgestalt auf die Stadt abstrahlen und dabei auch noch als angeblich innovativer Denker und Sozialreformer in die Zukunft wirken. Peter Bommas nennt das Geschichtsklitterung und empfiehlt zur Revision einen Museumsbesuch.

Kommentar von Peter Bommas

In Zeiten von Trump und Musk, wo Geld, Macht und Gier die Politik bestimmen, den alten Fugger und sein über Jahrhunderte waberndes Nachbeben hochzuhalten, ja abzufeiern und Augsburg als Medaille umzuhängen, ist mehr als grotesk, passt aber zum Verkauf politischer Souveränität und Wahrhaftigkeit an Marketingspezln. Es scheint in Augsburg in Vergessenheit geraten zu sein, wofür der „Fugger“ in den 70er, 80er und 90er Jahren stand – ein Symbol als Eintrittskarte in die Abhängigkeit, die Währung für ein Gramm H – nicht nur am Königsplatz. Wenn heute mit der Marketingidee „Fuggerei der Zukunft“ für ein soziales Vorzeige-Modell in Afrika geworben wird, das in Drittweltstaaten Armut und Wohnungsnot lindern soll, gefeiert als soziale, postmoderne Wohltat, so erinnert das doch sehr an die aktuellen, trumpschen Allmachtsphantasien, des Gottvaters des Geldes und der Macht, quasi eine evangelikale Reinkarnation des Jakob Fugger.

Der Godfather von Ausbeutung und Krieg
Der war im ausgehenden Mittelalter und heraufziehenden Frühkapitalismus der mächtigste Mann in Europa und damit der damaligen eurozentristisch definierten „Welt“, hat Kaiser und Könige finanziert und abserviert, war der Godfather von Ausbeutung und Krieg. Hat sich lustig gemacht über das „Volk“, die Niederlage der Bauern im Bauernkrieg 1525 gefeiert und mitfinanziert – der ersten noch vordemokratischen Erhebung gegen das Feudalsystem.

Ebenso skrupellos die Zurichtung des „niederen Volks“ im heiligen römischen Reich deutscher Nation, das sich totschuften durfte in Bergwerken und frühkapitalistischer Heimarbeit. Zur ideologischen Rechtfertigung seines „Lebenswerks“ hat er sich gemein gemacht mit der mächtigen römischen Kirche und ihrem Unterdrückungs- und Verblendungsapparat. Dieses – realistische, historisch legitimierte – Fuggerbild ist in der wissenschaftlichen Forschung und im Lehrbetrieb schon lange bekannt und gründlich dargestellt. Das von zahlreichen Schulklassen besuchte, kleine, aber feine Fugger- und Welser-Museum in Augsburg legt dafür dankenswerterweise Zeugnis ab und zeigt uns das wahre Fuggerbild.

Jeder von diesem vor fünfhundert Jahren wütenden Machtmenschen beeindruckte Fugger-Fan, alle Lobhudler auf das als cleveres Geschäftsmodell initiierte Wohn-Projekt der Fuggerei – kleinhäuslerische Vereinzelung von prekärer Heimarbeit, nun bettelarmen „failed states“ mit dubiosen Versprechungen dargeboten als Projekt eines „Zusammenlebens der Zukunft für Entwicklungsländer“ (siehe die gründliche Recherche von Bernhard Schiller in der DAZ zu dem Projekt in Sierra Leone), möchte doch bitte einen Museumsbesuch machen. Und sich dort die Wirkungen Fuggerschen Wirtschaftens, Geldanhäufens und menschenverachtenden Handelns vor Augen führen.

Eine eher glanzlose Gegenwart, in der es nichts zu feiern gibt
Wer dort war und aufmerksam die Stationen betrachtet hat, der kann nicht mehr goutieren, was wichtige Teile der Augsburger Stadtgesellschaft partout festhalten wollen: Jakob Fugger als Lichtgestalt, als Identifikationsfigur für eine an der Armutsgrenze dahinsiechende Stadt mit maroden Schulen, Kitas, Sportplätzen, Schwimmbädern und ihre – zu fast fünfzig Prozent migrantischen – Bewohnerinnen und Bewohner, die nach über fünfhundert Jahren noch immer abstrahlen soll auf eine eher glanzlose Gegenwart. Es gibt nichts zu feiern! Diese kritiklose Lobhudelei auf einen frühneuzeitlichen Potentaten ist pure Geschichtsklitterung.