Kultur und Gewerbe
“Absurdistan am See”: Kahnfahrt schlägt hohe Wellen
Heute sind die Kapriolen um die Augsburger Kahnfahrt endgültig in der Politik angekommen. Die Stadt versucht die Lage zu beschwichtigen. Auch die beiden Regierungsparteien zeigen in einer gemeinsamen Presseerklärung, dass sie ratlos sind. Die Opposition schießt aus allen Rohren mit scharfer Munition.
Von Siegfried Zagler
Das bekannte Augsburger Lokal “Kahnfahrt” ist in die Brandschutz-Mühlen der Stadt geraten. Zudem wurde festgestellt, dass es für den 50 Meter langen Anbau an der historischen Stadtmauer offenbar nie eine Baugenehmigung gab. Ein Abriss des 50 Jahre alten Gastronomieraums scheint unvermeidlich. Der aktuelle Pächter versteht die Welt nicht mehr und sieht keine Perspektive für eine weitere Bewirtschaftung. Das beliebte Augsburger Traditionslokal steht vor der Schließung. Dass es sich dabei um ein Versagen der Augsburger Verwaltung handelt – und somit um ein Politikum erster Güte, zeigen die Reaktionen der Opposition.
Für den Erhalt des Ausflugslokals Kahnfahrt mit Bootsverleih am Oblatterwall werde in der Augsburger Stadtverwaltung intensiv nach einer Lösung gesucht. So der Beschwichtigungskanon von Stadt und Regierungskoalition. „Für die Stadt Augsburg ist es sehr wichtig, dass mit der Kahnfahrt eine traditionelle Augsburger Institution erhalten bleibt. Sie hat nicht nur für die hiesige Bevölkerung, sondern auch für auswärtige Gäste und den Tourismus überhaupt eine große Bedeutung“, so Wirtschaftsreferent Dr. Wolfgang Hübschle in einer knappen wie kryptischen Stellungnahme der Stadt am gestrigen Montag.
Aus Sicht der Stadt geht es jetzt darum, “tragbare Lösungen zu finden, um einen sicheren Betrieb der Kahnfahrt zu gewährleisten”. Aus Brandschutzgründen sei zwingend ein zweiter Rettungsweg erforderlich. Dieser werde durch die besondere Lage des Ausflugslokals zwischen Stadtmauer und Wasserfläche erschwert. “Zur Frage des zweiten Rettungsweges haben bereits umfangreiche Abstimmungsgespräche stattgefunden. Ziel ist es, den Betrieb der Außengastronomie und des Bootsverleihs ab 1. April dieses Jahres zu ermöglichen. Konkrete Lösungsschritte können wir noch nicht mitteilen. Aber wir sprechen intensiv mit allen Beteiligten. Ich bin insgesamt sehr zuversichtlich“, so der Wirtschaftsreferent, dessen Zuversicht schwer nachvollziehbar ist.
Bei einer Kontrolle erkannte die Augsburger Feuerwehr, dass ein zweiter Fluchtweg fehlt. Die Stadt kam nach Einsicht in die Akten nach einem halben Jahrhundert zu der Erkenntnis, dass der etwa 50 Meter lange Gastraum mit Schankanlage, der an die Stadtmauer angebaut wurde, keine Baugenehmigung hat. Der Volksmund nennt das Schwarzbau. Der aktuelle Sachstand sieht trotz Fluchtweg-Problematik eine Duldung der Außengastronomie samt Bootsverleih vor, aber an einem Abriss kommt Pächter Bela Balogh nicht vorbei. 2024 muss der zweite Fluchtweg stehen.
“Absurdistan am See” nennt der FDP-Politiker Alexander Meyer diese Vorgänge auf Instagram, zumal der Schwarzbau auf städtischem Boden stehe und von der Stadt verpachtet wurde.
Bürgerliche Mitte: Geheimniskrämerei, mangelnder Bürgernähe und beispiellose Ignoranz
Eine schwere Breitseite feuerte heute Nachmittag die Fraktion Bürgerliche Mitte ab: Seit 50 Jahren ein Schwarzbau auf einer städtischen Liegenschaft, keine geeigneten Fluchtwege, monatelange Geheimhaltung. Was klingt wie ein mittelmäßiges Drehbuch für eine Behördenposse, ist in Augsburg bittere Realität. „Dass das Thema Kahnfahrt nie im nichtöffentlichen Teil des Wirtschafts- oder Bauausschusses angesprochen und lösungsorientiert diskutiert wurde, obwohl längst bekannt, ist völlig unverständlich“, so Stadträtin Beate Schabert-Zeidler, ehemalige Verwaltungsrichterin und Bauexpertin in der Fraktion Bürgerliche Mitte. Es sei ohnehin kurios, dass ein Schwarzbau so lange unentdeckt geblieben sei, so Schabert-Zeidler, aber spätestens nach Bekanntwerden hätte unmittelbar reagiert und eine Lösung insbesondere für einen Fluchtweg gesucht werden müssen. „Hier hätten wir uns mehr Verantwortung und Kreativität von der Stadt gewünscht, denn sie ist es ja, die hier einen Schwarzbau ohne geeignetes Brandschutzkonzept verpachtet. Dass nun nach 50 Jahren einzig die Pächterfamilie Leidtragende sein soll, ist in höchstem Maße ungerecht.“
Dass Wochen und Monate nicht genutzt worden seien, das Fluchtweg-Problem zu lösen und dem Pächter eine Perspektive aufzuzeigen, zeuge “von Geheimniskrämerei, mangelnder Bürgernähe und einer beispiellosen Ignoranz bezüglich einer der wichtigsten touristischen Attraktionen in Augsburg”, so schäumt Schabert-Zeidler, die hinzufügte, dass es nichts mit Krisenmanagement zu tun habe, wenn man dem Pächter für das laufende Jahr den Betrieb in einem Schwarzbau ermögliche. Dies verdeutliche vielmehr die Kopf-in-den-Sand-Politik von Schwarz-Grün, sobald Probleme auftauchen. So das kernige Statement der Bürgerlichen Mitte.
Stadtrat Roland Wegner geht das Thema in einem Schreiben an das Wirtschaftsreferat weniger gallig an, aber seine Fragen zum “Supergau”, wie Wegner den Erkenntnisstand bezeichnet, legen eine Lunte zu einem Pulverfass: “Laut heutiger Presseberichterstattung ist die Stadt Augsburg alleinige Eigentümerin der Liegenschaften. Aus meiner Sicht ist damit die Stadt Augsburg selbst dafür verantwortlich, dass die baurechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Wie kann es sein, dass hier ein Schwarzbau vorliegt? Wer ist hierfür verantwortlich? Wie lange sind die brandschutzrechtlichen Belange bereits bekannt und was wurde bislang unternommen?”
Ahnungslos und wolkig geben sich die Fraktionssprecher der CSU und der Grünen in einer gemeinsamen Presseerklärung, die weder eine gemeinsame Linie, noch einen Lösungsansatz erkennen lässt. Dr. Deniz Anan (Grüne) beklagt die angeblich komplexe Situation und Leo Dietz, Fraktionschef der CSU, zeigt an, dass ihm in Sachen Gastronomie niemand etwas erklären muss: “Ein Aus für die Kahnfahrt werden wir nicht so einfach akzeptieren.”
Grüne: Es müsse geklärt werden, ob die Medienberichte stimmen