Augsburg gegen Rechts – eine Sternstunde der Demokratie
Die „Demo gegen Rechts“ auf dem Augsburger Rathausplatz wurde zu einer Sternstunde der Demokratie. Maßgeblichen Anteil an dieser Erfolgsgeschichte hatte die vorbildliche Organisation des Bündnisses für Menschenwürde unter Federführung des Grünen-Stadtrats Matthias Lorentzen, die imposante Anzahl und Qualität der Redebeiträge und nicht zuletzt die umfassende Netzwerkarbeit im Vorfeld der Kundgebung, die sich in einem neuen Rekord (über 25000 Teilnehmer) niederschlug.
Von Udo Legner
Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunalpolitik, Gewerkschaften, Kirchen (Bischof Bertram Meier), Sozialverbänden und zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen – vom Staatstheater bis zum Stadtjugendring – sie alle riefen dazu auf, gegen Hetze, Antisemitismus und Rassismus Stellung zu beziehen.
Bürgermeisterin Eva Weber (CSU) erntete mit dem ersten Redebeitrag großen Beifall. „Wir alle müssen die Demokratie verteidigen. Wir alle müssen Haltung zeigen. Wir können nicht darauf warten, dass es irgendwelche anderen machen! Die Zeiten, wo man abends nach den Nachrichten auf dem Sofa sitzt und sagt ‚Uii, das ist aber schlimm, aber irgendjemand wird schon was tun‘, die sind vorbei. Wir müssen uns zur Wehr setzen. Wir müssen unsere Demokratie retten und verteidigen.“
Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, warb mit einem bewegenden Appel für mehr Miteinander und Toleranz. „Wir sind hier unter Menschen, die vor allem eines wollen, andere Menschen spüren lassen, dass sie willkommen sind, dass sie keine Bedrohung sind und keine Bedrohung zu fürchten haben. Wir sind hier, um deutlich zu machen, dass hier in unserer schönen und bunten Stadt dazu gehört, wer auch die anderen Mensch sein lässt.“
Plakate und Banner, wie sie am Holbein Gymnasium oder im Rahmen einer Aktion des städtischen Stadtjugendrings im Vorfeld der Kundgebung angefertigt worden waren, verliehen der Kundgebung eine erfrischend kreative und jugendliche Note und brachten die ganze Bandbreite des Protests gegen den Rechtsruck zum Ausdruck. Die Moderatorinnen vom Stadtjugendring, Viola Zwetschke und Sienna Fleming, sorgten – im Zusammenspiel mit den Musikbeiträgen – dafür, dass die über zweistündige Kundgebung kurzweilig und abwechslungsreich blieb.
Einmal mehr – wie bereits bei der ersten Kundgebung gegen Rechtsextremismus (die DAZ berichtete) – zeigte die Vorsitzende des Integrationsbeirats, Didem Karabulut, mit ihrem Redebeitrag klare Kante gegen Rechts. Sie scheute auch nicht davor zurück, Fehler und Versäumnisse der politischen Parteien und Institutionen klar zu benennen, weshalb es ihre Rede auch verdient, hier ungekürzt wiedergegeben zu werden.
„Als Bürgerin mit Migrationshintergrund reagiere ich wie viele meiner Mitmenschen auf die CORRECTIV Enthüllungen und die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus mit einer Mischung aus Verunsicherung, Besorgnis, Wut und Stolz. Meine Verunsicherung rührt nicht wegen der AfD und den enthüllten rechtsextremen Positionen, nein. Die „Remigrationspläne“ sind nicht neu und rechtsextremer Größenwahnsinn ist nicht erst 3 Wochen alt.
Die Anfänge wurden ja schon längst gemacht. Menschen werden auf offener Straße gejagt. Flüchtlingsunterkünfte brennen. Andersgläubige werden ermordet. Politiker erschossen.
Was mich aber verunsichert, sind die Enthüllungen über rechtsextreme Netzwerke und deren Verbindungen zu staatlichen Institutionen und wie tief sie in der Gesellschaft verankert und teilweise geschützt sind.
Was mich besorgt, ist staatliches Versagen, wenn es darum geht Rechtsextremismus aufzudecken und zu verfolgen. Ich möchte nur an die staatlichen Vertuschungsversuche bei den NSU-Morden erinnern. Apropos: Zu Zeiten der NSU-Morde war Hans-Georg Maaßen Verfassungsschutzpräsident. Der Maaßen, der von einer „Remigration“ träumt und von Seehofer anstatt entlassen zu werden, auch noch befördert wurde.
Ich frage euch alle: Wie können wir uns als Bürger/innen dieses Landes denn sicher fühlen, wenn der Staat es nicht gewährleisten kann, dass der Verfassungsschutz nicht von Rechtsextremen unterwandert wird und dass dort nicht transparent und rigoros aufgeräumt wird?
Ich frage euch alle: Wie können wir uns als Bürger/innen dieses Landes denn sicher fühlen, wenn mittlerweile sämtliche demokratische Parteien AfD Framings übernehmen, Stichwort „Illegale Migration“ – was das auch immer sein soll – und Migration skandalisieren? Die Einschränkung der „Migration“ ist nicht der heilige Gral für jegliche Probleme und Herausforderungen dieses Landes. Allenfalls dient diese künstlich aufgebauschte Diskussion nur den Rechten als Steilvorlage.
Und dann habe ich auch sehr viel Wut in mir. Ich bin der öffentlichen Diskussionen über Teilhabe überdrüssig.
Seit 60, 70 Jahren tragen Zugewanderte einen großen Beitrag für den deutschen Erfolg in der Welt bei. Ohne sie läuft dieser Laden nicht! Was soll also diese fortwährende scheinheilige Debatte?
Wir haben es als Land nach dem 2. Weltkrieg geschafft zu ändern, wie wir uns selber sehen und wie uns die Welt sieht. Das lassen wir uns doch von einigen Rechtsextremen, von Neonazis, von Rassisten nicht nehmen!
Und gleichzeitig trage ich sehr viel Stolz und Hoffnung in mir. Die letzten drei Wochen haben gezeigt: Ich bin nicht alleine.
Zu 100, zu 1000, zu Zehntausenden, zu Millionen gehen wir auf die Straße, um gemeinsam Haltung zu zeigen. Das ist das schönste Geschenk, das wir unserer Demokratie machen können, das ist das schönste Gefühl, das wir in unseren Mitmenschen, wecken können:
Du bist nicht allein; Wir sind das Bollwerk gegen rechts! Das macht Hoffnung und dafür lohnt es sich zu kämpfen!”