Ballettgala 2024: Internationale Tanzdarbietung trifft den Nerv des Publikums
Die Internationale Ballettgala, jedes Jahr ein Highlight für das Augsburger Publikum, fand auch in diesem Jahr zweimal im restlos ausverkauften Martinipark statt. Eine grandiose Idee des früheren Ballettdirektors Robert Conn, die sein Nachfolger Ricardo Fernando glücklicherweise nahtlos aufgriff und mit eigenen Akzenten versah. Das Grundprinzip ist einfach: Man nutze die Kontakte der ohnehin weltweit verflochtenen Ballett-Welt und treffe sich zu einem freundschaftlichen Austausch vor Publikum.
von Halrun Reinholz
Die Logistik der Umsetzung ist allerdings im internationalen künstlerischen Betrieb höchst kompliziert. Ricardo Fernando wies in seiner Moderation auf den Aufwand hin und hob nicht von ungefähr die Leistung seiner Stellvertreterin und 1. Assistentin Carla Silva in dieser Sache hervor. Und dennoch zeigte er sich auch diesmal wieder überzeugt: der Kraftakt lohnt sich. Für die Tänzerinnen und Tänzer aus aller Welt, die ein kleines „Familientreffen“ feiern können, und ganz sicher für das Publikum. Dass hier im Hintergrund außer professioneller und ehrenamtlicher Arbeitskraft auch Sponsoren wirken (müssen), versteht sich von selbst. Der langjährige Hauptsponsor des Balletts ist die Kosmetikfirma Dr. Grandel.
Das Publikum war nicht nur zahlreich, sondern auch mit erwartungsvoller Vorfreude erschienen. Ricardo Fernandos etwas abenteuerliche Aussprache, vor allem die von „Augschburg“, wurde mit großer Heiterkeit aufgenommen. Doch der Ballettdirektor weiß, was er und was seine Truppe draufhat, und das wissen die Zuschauer auch und schätzen es wert. Dass die Ballettsparte am Augsburger Theater die besten Verkaufszahlen hat, ist eine Tatsache, die so manch andere Häuser ungläubig zur Kenntnis nehmen.
Traditionell eröffnen die Gastgeber die Ballettgala, auch diesmal wieder mit einem „Blick ins Nähkästchen“, einer Vorschau auf die Uraufführung der Choreografie „Bond“ von Andonis Foniadakis. Ein großer Teil der Compagnie war an dem Tanz beteiligt.
Klassisches Ballett in allen Variationen
Als erste Gäste tanzten Julia Conway und Daniel Mc Cormick vom English National Ballet ganz klassisch aus Raimonda von Alexander Glasunow. Die beiden waren auch schon im letzten Jahr bei der Ballett-Gala dabei. Sie kamen im zweiten Teil nochmal mit dem Pas de Deux von Petipa aus „Le Corsaire“ von Adolphe Adam. In früheren Ballet-Galas aus der Vor-Corona-Zeit waren meistens Gäste aus Russland für die klassischen Pas de Deux zuständig. Man konnte jedoch feststellen, dass die klassische Tradition auch an so manchen westlichen Theatern gepflegt wird. Nicht nur in London, auch in Stockholm beim Royal Swedish Ballet. Von dort waren Luisa Lopez und Kentaro Mitsumori angereist, um aus Tschaikowskis Schwanensee und im zweiten Teil aus Don Quixote zu tanzen. Auch die Gäste aus Düsseldorf, vom „Ballett am Rhein“, zeigten beste klassische Kunst, wobei die atemberaubende Choreografie von Roland Petit über Bizets „Carmen“ weit über das Erwartete hinaus ging und beim Publikum Begeisterungsstürme hervorrief. Auch „Coppelia“ kam von den beiden aus Düsseldorf im zweiten Teil sehr gut an. Vom Staatsballett Berlin kamen Haruka Sassa und Cohen Aitchison-Dugas mit Choreografien von Christian Spuck auf Nocturnen von Chopin. Haruka Sassa tanzte im zweiten Teil noch ein Solo aus Dornröschen. Keine weite Anreise hatten Melissa Chapski und Jakob Feyferlik vom Bayerischen Staatsballett. Im Gepäck hatten sie „Les Trois Gnossiennes“ von Erik Satie, choreografiert von Hans von Manen. Melissa Chapski, auch nicht zum ersten Mal in Augsburg, tanzte im zweiten Teil noch „Embers“, akrobatisch choreografiert von Ernst Meisner, mit Sava Miloevic.
Heiterkeit mit vollendeter Akrobatik
Die komödiantischen Seiten des Tanzes zeigten Ting-Yu Tsai und Stefano Neri vom Ballett Plauen-Zwickau mit einem „Fantaisie-Impromptu“ von Sergei Vanaev nach Musik von Chopin und Shori Yamamoto, einst Ensemblemitglied in Augsburg, der nun für Gauthier Dance in Stuttgart tanzt. Das „ABC“ des Tanzes brachte das Publikum zu Begeisterungsstürmen. Eine Choreografie von Eric Gauthier „zum Mitmachen“, wie Ricardo Fernando scherzhaft ankündigte, werden die Figuren doch aus dem Off angesagt. Das hohe Tempo der Umsetzung verursachte jedoch schon beim Zusehen leichten Schwindel.
Schaulauf der Augsburger Gastgeber
Zwischen die Programmpunkte eingestreut waren immer wieder Teile aus dem Repertoire der Augsburger Gastgeber. Kako Kijma und Istvan Simon zeigten dem Pas de Deux aus „Giselle“. Afonso Pereira glänzte mit einem Solopart aus dem überaus erfolgreichen Ballet-Abend „Charlie“ nach Musik von Charlie Chaplin. Höchst emotional kam „Desierto“ daher, eine Choreografie des Ensemblemitglieds Alfonso López González, die er mit Paula Fernandes Naves hoch professionell umsetzte. Er hatte sich damit, das gab Fernando preis, für die Stelle im Ensemble beworben. Dass der Ballettdirektor ein großer Förderer von kreativen Choreografien seiner Tänzer ist, hat sich herumgesprochen. Nicht zuletzt deshalb sind die Ballett-Abende oft schon vor der Premiere restlos ausverkauft. Zum „Final Waltz“ des Ballettchefs trat das Ballettensemble fast komplett auf.
Der nicht enden wollende Applaus zeigte, dass eine solche Show den Nerv des Publikums trifft. Hohe Professionalität, Ausdrucksstärke, Anmut und Spaß – das Rezept geht auf. Für die Ballett-Gala 2025, verriet Fernando, werden schon die Fäden geknüpft. Denn nach der Gala ist vor der Gala.
Um das engagierte Ballettpublikum noch näher ans Haus zu binden, hat sich die Ballettsparte neuerdings den „Ballett-Circle“ einfallen lassen, den Ricardo Fernando in seiner Moderation vorstellt. Eine Art VIP Club, der seinen Mitgliedern die Nähe zum Ensemble, bevorzugte Tickets und so manchen Blick hinter die Kulissen gestattet.