Bildungsregion Augsburg: Dem Zertifikat einen Schritt näher gekommen
Das „2. Augsburger Dialogforum“ der Bildungsträger zieht Bilanz und bringt die Bewerbung auf den Weg
Von Halrun Reinholz
Im März dieses Jahres hatte die städtische Fachstelle für Schulentwicklung und Bildung Fachleute und Multiplikatoren aus dem schulischen und außerschulischen Bildungsbereich zu einem halbtägigen Arbeitstreffen eingeladen. Die rund 100 Teilnehmer sollten sich Gedanken zur „Bildungsregion Augsburg“ machen.
Unter dem Namen „Bildungsregion“ hat die Staatsregierung ein Zertifikat ausgelobt, um das sich Regionen in Bayern unter Nachweis entsprechend vorhandener Strukturen bewerben können. Die Stadt Augsburg hat sich dieser Aufgabe gestellt, ohne sie sich jedoch zu leicht zu machen. Wenn man sich als Stadt für so ein Siegel bewirbt, das hatte Bildungsreferent Köhler bei dem Arbeitstreffen unmissverständlich erklärt, dann soll diese Aufgabe auch professionell und unter Beteiligung aller relevanten Kräfte in Angriff genommen werden. Unter der wissenschaftlichen Begleitung von Prof. Dr. Werner Wiater, emeritierter Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg und seiner Mitarbeiter wurden die Möglichkeiten und Probleme der Vernetzung von Bildungsträgern in der Stadt analysiert, um die fünf Säulen eines ganzheitlich verstandenen Bildungsbegriffs in die tägliche Praxis umzusetzen. Ein erstes Dialogforum hatte es bereits 2013 gegeben. Die fünf Säulen wurden zu einem Gerüst, an dem sich die Diskussion orientieren konnte:
- Übergänge organisieren und begleiten
- Schulische und außerschulische Bildungsträger und Bildungsangebote vernetzen
- Kein Talent darf verloren gehen – jungen Menschen in besonderen Lebenslagen helfen
- Bürgergesellschaft stärken und entwickeln (Jugendhilfe, Ganztagsangebote, Dialog)
- Herausforderungen des demographischen Wandels annehmen
Das zweite Dialogforum fand nun nicht von ungefähr in den Räumen der IHK statt – eine Institution, die die Bildungsaktivitäten in Stadt und Region aktiv begleitet und die berufliche Bildung und Ausbildung junger Menschen wohlwollend fördert. Gerhard Steiner, Rektor der Werner-von-Siemens-Mittelschule und Leiter der Fachstelle Schule-Beruf, moderierte die Veranstaltung, wo alle an dem Projekt beteiligten Gruppen noch einmal zu Wort kommen durften, bevor die Bewerbungsschrift dem anwesenden Ministerialdirigenten Stefan Graf überreicht wurde.
Prof. Wiater stellte mit seinen Mitarbeitern einen Film vor, der von Studenten zum Thema gemacht wurde. Exemplarisch zeigt dieser Projekte aus Augsburg, wo Schule mit außerschulischen Angeboten vernetzt wird, um benachteiligten Kindern und Jugendlichen bessere Chancen für den Bildungsweg zu ermöglichen. Dass der Film von jungen Leuten gemacht worden ist, war leider kaum zu erkennen, so beschaulich und brav kam er daher. Dennoch aufschlussreich, dass sich in Augsburg einiges tut. Das betonten auch die beiden städtischen Referenten Stefan Kiefer (Soziales) und Hermann Köhler (Bildung). Köhler lobte die Akteure, die die Bewerbung „mit Ruhe, Überlegung und langem Atem“ auf den Weg gebracht hätten, statt mit hektischem Aktionismus „nur bunte Luftblasen zu produzieren“. Ein 180 Seiten dickes Handbuch dokumentiert übersichtlich und fundiert alle Fakten rund um die Bildungsaktivitäten in der Stadt. Denn das Siegel, so Köhler, sei nicht das eigentliche Ziel, sondern nur der Anreiz, zum Ziel zu kommen. Dass Bildung überhaupt kein „Ziel“ im Sinne eines Fixpunktes sein kann, hatte Prof. Wiater bereits erläutert. Die Gremien hatten ein „Haus“ von Leitbildern erarbeitet, die zur Diskussion gestellt wurden. Die Leitbilder, so Prof. Wiater, sind Angebote, die je nach Bedarf und Situation angenommen werden können. Und dass Bildung nicht identisch mit Schulbildung ist, sondern ein Komplex von Wissen und Werten für Einzelne und Gruppen, darauf hatten alle Beteiligten sich bereits mehrfach in den verschiedenen Foren und Treffen geeinigt.
Die abschließende Podiumsdiskussion wurde (auch aus Zeitgründen) zu einem Fazit der am Dialog Beteiligten, die auch noch einen Wunsch für den Fortgang des Dialogs äußern durften. Die Gesamtelternbeiratsvorsitzende Ulrike Stautner betonte die Mithilfe der Eltern und wünschte sich einen offenen Dialog zwischen Elternschaft und Schule. Jugendamtsleitern Sabine Nölke-Schaufler sieht die Aufgabe ihres Bereichs darin, Kinder durch Angebote schulfähig zu machen und dadurch auch zur Familienbildung beizutragen. Konrad Rebholz als Vertreter der Handwerkskammer mahnte die oft fehlende Rechtssicherheit bei der Ausbildung von Migranten an. Gerhard Nickmann, der Leiter des staatlichen Schulamtes, stellte fest, dass Schule sich verändert habe und deshalb die Wechselwirkung von Schule und Jugendhilfe das unerlässliche Gebot der Stunde sei. Prof. Wiater, für den das Projekt mit der Bewerbungsschrift abgeschlossen ist, betonte zum Abschied noch einmal die Nachhaltigkeit einer solchen Bildungsdiskussion in der Gesellschaft, die niemals abgeschlossen sein kann. Einziges (und sich stetig wandelndes) Bildungsziel sei die Persönlichkeit eines jeden Kindes. In diesem Sinne werde er die Diskussion weiter begleiten.
Sozialreferent Kiefer würdigte in seinem Schlusswort die Bedeutung der Bildungs- und Sozialarbeit an Schulen für die Chancengleichheit und die Armutsprävention. Bildungsreferent Köhler setzte den Fokus auf die Sprachbildung als wichtigster Baustein für eine schulische und berufliche Integration und betonte den Bedarf an entsprechenden Fortbildungen für Lehrer. Auch er verwies darauf, dass die Leitbilder weiter in der Diskussion bleiben und für die Umsetzung der Stadtrat gefragt sei. So gesehen befinde man sich mit dieser Bewerbungsschrift an einem Zwischenhalt – unabhängig von dem Siegel, mit dem bei den gegebenen Voraussetzungen nach dieser Veranstaltung jedoch fest gerechnet wird.