Blick über den Tellerrand: Bayerische und französische Schulen im Corona-Modus
Wer das Glück hat, in Paris seine zweite Heimat zu haben und noch dazu ein Erasmus-Projekt mit Partnerschulen in Frankreich, Italien, Spanien und England zu koordinieren, kommt nicht umhin, den Corona-Kurs an den Augsburger Schulen mit dem unserer Nachbarländer zu vergleichen.
Von Udo Legner
Liberté, Égalité, Fraternité. Diese Zentralbegriffe der Französischen Revolution zieren bis heute alle öffentlichen Gebäude unseres Nachbarlands Frankreich. In Stein gemeißelt sorgen sie auch über den Schuleingängen dafür, dass sich bereits den Schulkindern dieses Selbstverständnis der Grande Nation offenbart.
Frankreich: Vorfahrt für Égalité
Dank des französischen Zentralismus ist gewährleistet, dass die getroffenen Entscheidungen – die auch in Frankreich in einer Ministerrunde getroffen werden – im ganzen Land gelten. Nach den negativen Erfahrungen mit dem ersten Corona-Lockdown im letzten Frühjahr verfolgt die französische Regierung seit dem Frühsommer die Linie, dass Kindergärten und Schulen zum Wohl der Kinder geöffnet bleiben müssen.
Der französische Bildungsminister Blanquer sprach von einer notwendigen Abwägung. Zu viel stehe auf dem Spiel, wenn die Schüler über Wochen hinweg keinen direkten Kontakt mit den Lehrern und Mitschülern hätten. Gerade Kinder aus sozial benachteiligtem Umfeld würden durch Schulschließungen zurückfallen und benachteiligt. Da in Frankreich bis zum Alter von 14 Jahren das Gesamtschulprinzip gilt, bedeutete dies zwangsläufig – selbst bei vergleichsweise hohen Infektionszahlen – vollen Präsenzunterricht in den Grundschulen und den Collèges unter Einhaltung strikter Hygiene- und Abstandsregeln.
Lediglich an den Lycées (15 bis 17 Jahre) ist bei fehlenden Raumkapazitäten Wechselunterricht gestattet, wobei eine zentrale digitale Bildungsplattform, über die Frankreich seit Jahren verfügt, für den Distanzunterricht genutzt wird. Angesichts der Angst vor den Mutanten erwog der Bildungsminister sogar, die Februarferien zu verlängern, um Schulschließungen auch weiterhin zu vermeiden.
Kurzes Aufflackern von Protestaktionen
Frankreich wäre nicht Frankreich, hätte diese Entscheidung nicht zu Protest und Demonstrationen gegen das Gesundheitskrisenmanagement geführt. Mehr als 100.000 Lehrer und Schulkrankenschwestern beteiligten sich Ende Januar in ganz Frankreich an Streiks, um auf ihre schlechten Arbeitsbedingungen in der Pandemie hinzuweisen. Die Lehrergewerkschaften forderten nach den Ankündigungen des Bildungsministers über eine Aufwertung ihres Berufes endlich höhere Gehälter. Französische Lehrer werden im OECD-Vergleich unterdurchschnittlich bezahlt – ihr Einkommen liegt fast ein Drittel unter dem deutscher Lehrkräfte, wobei nach dem Prinzip Égalité die Bezahlung der Lehrkräfte an den verschiedenen Schulformen schon seit über 20 Jahren nahezu die gleiche ist. Inzwischen sind diese Proteste abgeflaut und es besteht auch innerhalb der Lehrerschaft Konsens darin, dass das Festhalten am Präsenzunterricht die richtige Marschroute ist.
Anders als in Frankreich hielt die deutsche Bundesregierung an den Schulschließungen fest, da diese offenbar für das Sinken der Infektionszahlen in Deutschland sorgten, die vermutlich auch deshalb deutlich niedriger sind als in Frankreich. Denn als die Schulen geschlossen wurden, zeigte sich die Wirkung bei den Inzidenz-Zahlen. In einigen deutschen Bundesländern wurden die Ferien zur Eindämmung der Pandemie tatsächlich verlängert, wobei sich diese Regelung allerdings nur auf die vorgezogenen Weihnachtsferien bezog. Nachdem die Inzidenzwerte in Deutschland inzwischen sich im Durchschnitt bei 60 befinden, öffnen nun die Länder teilweise wieder die Schulen, auch in Bayern, wie heute bekannt gegeben wurde.
Bayerische Weg führt zu Protesten
Die ersatzlose Streichung der einwöchigen Faschingsferien, die in der kommenden Woche begonnen hätten, war eine bayerische Entscheidung, die zu Protesten der Lehrergewerkschaften führte, welche bei der Bayerischen Staatsregierung jedoch kein Gehör fanden. Kultusminister Piazolo pochte darauf, dass diese zusätzliche Unterrichtszeit zur Festigung des im Distanzunterricht vermittelten Lehrstoffs und zum Schließen von Wissenslücken genutzt wird, um die Schüler und Schülerinnen für die Rückkehr zum Präsenzunterricht fit zu machen.
Der Unmut der Schülerschaft entlud sich in Augsburg, als die Abschlussklassen zum Präsenzunterricht zurück an die Schulen mussten. Die Proteste (so am Holbein Gymnasium und Bayernkolleg) richteten sich insbesondere gegen den verordneten Wechselunterricht, – während die eine Hälfte der Q12 für eine Woche Präsenzunterricht hatte, war für die andere Hälfte Distanzunterricht angesagt – da das Streamen des Unterrichts aus den Klassenzimmer mangels rückständiger IT-Ausstattung der Schulen nicht richtig funktionierte und zu ungleichen Lernbedingungen führte.
Auch wegen der Ansteckungsgefahr sprachen sich die Schüler in dieser Phase für einen Distanzunterricht für alle aus. Die Augsburger FDP schloss sich den Schülerprotesten an. Mit dem Verweis auf eine vom Bundesforschungsministerium veröffentlichte Handlungsempfehlung, wonach Schulen unter Einhaltung von Hygiene- und Schutzmaßnahmen auch in Pandemie-Zeiten geöffnet bleiben können, forderte sie eine geordnete und zügige Rückkehr zum Präsenzunterricht.
Herkulesaufgabe Digitalisierung
Der Augsburger Bildungsreferentin Martina Wild von den Grünen ist zugute zu halten, dass sie von der GROKO Maxime klar Abstand genommen hat, mit einem 300 Millionen Schuletat sämtliche Versäumnisse, Sanierungen und Zukunftsinvestitionenbestreite