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Mittwoch, 15.01.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Brecht: Erben wollen Castorfs Baal stoppen

Von Siegfried Zagler

  v.l. Aurel Manthei, Andrea Wenzl Foto:Thomas Aurin

Fällt der Vorhang für die aufregendste Baal-Inszenierung aller Zeiten? v.l. Aurel Manthei, Andrea Wenzl Foto:Thomas Aurin


Nach Brechts Tod, tauchte aus den Wäldern ein leibhaftiger Baal auf. Sein Name: Rainer Werner Fassbinder. Volker Schlöndorff sagt, dass Fassbinder während seiner Baal-Verfilmung zu Baal geworden sei. Fassbinder wollte die Geschichte der Bundesrepublik anhand von Frauenschicksalen erklären. Bertolt Brecht wollte die Welt erklären und mit seiner Baal-Inszenierung hat Frank Castorfs dieses „bescheidene Unterfangen“ mit einer plausiblen aktuellen Lesart fortgesetzt.  Frank Castorf hat aus dem Baal-Text eine Matrix der Weltgeschichte herausgeschält. Frank Castorfs Baal ist unerträglich, ist unaushaltbar nicht nur zeitlich anmaßend, nicht nur billig provokativ nicht nur allegorisch komplex und gierig in seiner Lust nach Selbstauslöschung, er ist auch ein monströser Totengesang auf das Theater selbst.

Mit seiner „Apokalypse-Now-Signatur“ entwirft Castorf den modernen Soldaten, der nicht fürs Vaterland oder einem höheren Sinn, sondern für sich selbst in den Krieg zieht, weil der Krieg in Baals Kopf nach Ablenkung sucht, nach Drogen, nach Sex und Untergang.

Damit soll nach zwei Vorstellungen Schluss sein. Die Brecht-Erben wollen das großartige Baal-Stück aus dem Verkehr ziehen. „Der Suhrkamp Verlag hat uns mitgeteilt, dass er heute eine einstweilige Verfügung vor Gericht beantragen wird, um die Absetzung der zukünftigen ‚Baal‘-Aufführungen in der Inszenierung Frank Castorfs im Residenztheater zu erwirken. Wir sind über diesen Schritt des Verlags außerordentlich irritiert und kämpfen dafür, dass die Inszenierung weiterhin im Residenztheater gezeigt werden kann“, so Martin Kušej, Intendant des Münchner Residenztheaters, am 30. Januar.

Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Die Inszenierung nicht mehr zeigen zu dürfen, würde für uns die Preisgabe einer künstlerisch furiosen Arbeit bedeuten, die wir als hochspannende, respektvolle und fruchtbare Auseinandersetzung mit Bertolt Brechts ‚Baal‘ ansehen und auf die unser ganzes Theater stolz ist.“ Frank Castorf nannte die Suhrkamp-Klage „gestrig und albern“ und Martin Kušej legte Wert darauf, dass der Suhrkamp-Verlag sich bewusst für eine Vergabe der Aufführungsrechte entschieden habe und das Residenztheater  bereits weit vor Probenbeginn die literarische und szenische Erarbeitung der Inszenierung kenntlich gemacht habe. Der Suhrkamp-Verlag aber weist das zurück. Die endgültige Spielfassung sei bis heute nicht vorgelegt worden. Vom Residenztheater steht immerhin die Aussage im Raum, dass die nächsten Vorstellungen stattfinden werden. Am kommenden Donnerstag, 6. Februar wird sich in München zeigen, ob die einstweilige Verfügung der Brecht-Erben vollzogen wird. Die Vorstellung beginnt  um 19 Uhr.