Wohin soll sich das Augsburger Friedensfest entwickeln?
Warum das Augsburger Hohe Friedensfest als Austragungsort eines harten Kulturkampfes zu verstehen ist
Von Bernhard Schiller
Der Sommer geht zur Neige, es fällt wieder Wasser vom Himmel und das Licht wird knapper. Das Augsburger Friedensfest sollte längst zurückgekehrt sein in den Orkus der Belanglosigkeit, dem es kurzfristig entstiegen war. Doch beim Vogeltor trotzt noch immer ein Plakat der Vergänglichkeit und flüstert dem Vorüberziehenden zu, dass ein vornehmes Ignorieren von Schwämmen und OB-Verfügungen für ein gleichgültiges “Schwamm-drüber” gehalten werden könnte. Höchste Zeit für einen Rückblick.
Wind und Wetter haben dem vergessenen Plakat bereits etwas zugesetzt und ein Schmierfink hat darauf seine Hassmitteilung hinterlassen. Kein Schwamm der Welt kann gegen diesen Lack ankommen, ohne den Untergrund zu zerstören. Die Anwälte der Schwammspechte würden sagen, das Plakat hätte den Tagger zur Destruktion geradezu eingeladen. Zur Erinnerung: Kinder hatten ein Kunstwerk (einen übergroßen Schwamm) bis zur Unkenntlichkeit zerrupft. Ein Vorgang, der von diversen Medien und der Facebookabteilung des Augsburger Friedensbüros moralisierend skandalisiert wurde. Ihr Unverständnis traf die Eltern der “Täter”. Es handelte sich dabei um ein kleinbürgerliches Wehklagen bezüglich des allgemeinen Verfalls der Sitten. Allen voran natürlich der Künstler, der den Weltuntergang beschwor.
Wen wunderts? Schließlich ist die Apokalypse seit jeher der dialektische Kern des gelben Haushaltsschwamms. Fehlt der Schwamm, wird die gute Stube von bedrohlichen Wesen aus der bakteriellen Unterwelt bevölkert. Was strahlend hell und fugenrein glitzert, wenn es mit dem Schwamm bearbeitet wurde, muss auf diesem Stand gepflegt werden, sonst gewinnt die Unterwelt. – Michel Abdollahi, Schöpfer des Riesenschwammes, wurde mit der Zerstörung seiner Kunst vor Augen geführt, dass an dieser Stelle sein Werk den Gebrauchswert einer Hüpfburg hatte. – Kunst und Gebrauchswert? Das geht nicht zusammen, sollte man meinen. Initiatoren und Künstler sehen das anders.
Durch den „überdimensionalen Schwamm“, so steht es auf dem Plakat am Vogeltor zu lesen, sollten „billige Parolen, Hetze, Korruption und hausgemachte Angst“ „weggescheuert“ – und „der Kern freigelegt“ werden. Schwamminstallateur Abdollahi schreibt in seinem offenen Brief an die Augsburger Bürger, der „Umgang mit Kunst“ und die „teilnahmslosen Augsburger Eltern“ ließen „sinnbildlich tief in die Seele unserer Gesellschaft blicken.“ Die sehe „momentan ignorant bis düster aus.“ Davon abgesehen, dass sich Abdollahi mit der Annahme, es gäbe eine identifizierbare Gesellschaftsseele, ins riskante Fahrwasser des Konformismus begibt, singt der Künstler das Hohelied eines gefährlichen Totalitarismus, wenn er von “Sinnbildlichkeit” spricht und damit seine höchstpersönliche Interpretation des (Welt-)Geschehens meint. Das offenbart einen Fehlschluss: Das seelische Erleben von Individuen kann nicht weggewischt werden wie Essensreste. Die Suggestion einer dauerhaften Entfernung menschlicher Affekte, die Abdollahi als “Schmutz” definiert, ist im Kern totalitär.
“Sinnbildlich” war der Schwamm also nicht viel mehr als der an ungezogenen Kindern gescheiterte Versuch, ein hübscher Konsensartikel zu sein. Womit Abdollahi mit seinem Schwamm trefflich ins Gefüge des Friedensfestes passt. Der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen den links ausgelegten Kräften des Friedensbüros und dem evangelisch-lutherischen Dekanat, das den religiösen Charakter des Friedensfestes erhalten will, wurde durch eine (zudem innerparteilich motivierte) Impulsreaktion des Augsburger Oerbürgermeisters drastisch auf die Spitze getrieben.
Was bleibt also hängen vom Augsburger Friedensfest? Erstens die simple Erkenntnis, dass Provokation zumeist das ist, was das jeweilige Streben nach der eigenen Diskurshoheit gefährdet und der Erfolg dieses Strebens davon abhängt, welches politische Putzkommando seine Schwammkolonnen am wirkungsvollsten losschickt. Und zweitens bleibt der Eindruck hängen, dass das Augsburger Friedensfest als Austragungsort eines harten Kulturkampfes zu betrachten ist, der fruchtbar werden könnte, würde er mit weniger Schwamm und weniger Verfügung geführt.