Der Integrationsbeirat spiegelt nichts anderes als sich selbst wider
Kommentar von Siegfried Zagler
Der Streit um den Integrationsbeirat ist eskaliert. In hohem Maße hat dabei der Vorstoß des Fraktionsvorsitzenden der Augsburger SPD beigetragen. Stefan Kiefer hat Kulturreferent Peter Grab in einer Anfrage auf der zurückliegenden Stadtratssitzung indirekt die Nähe zu nationalistischen türkischen Kreisen und einen unbedarften Umgang mit der Vertreibung und den Massakern an den Armeniern im Jahre 1915 unterstellt. Das stellt einen ungeheuerlichen politischen Tabubruch dar, der nicht weiter kommentiert werden sollte. Ähnliches gilt für die spontane Replik des Kulturreferenten, die angesichts der im Tonfall und inhaltlich ungeheuerlichen Anfrage Kiefers mit Verständnis zur Kenntnis genommen werden sollte. Peter Grab brachte seine Fassungslosigkeit zum Ausdruck und verwies auf das Schicksal seiner Familie. „Meine halbe Familie wurde umgebracht.“ – Und führte damit den Naziterror und möglicherweise die Shoa indirekt ins Feld einer Auseinandersetzung, die just an diesem denkwürdigen Donnerstag, 15. Dezember die Vorstufe des höchsten Eskalationsgrades erreichte. Jenseits aller Verletzungen und Verfehlungen muss festgestellt werden, dass Stefan Kiefer und Peter Grab von den Augsburger Bürgern ein Mandat dafür bekommen haben, die Interessen der Stadtgesellschaft zu vertreten und somit die Weiterentwicklung der Stadt zu gestalten.
Systemisch ähnelt das dem Tabubruch der SPD-Anfrage
In kommunalen Parlamenten ist das ohne das konstruktive Zusammenwirken aller gewählten Fraktionen nicht vorstellbar. Aus diesem Grund müssen die Beteiligten schnellstmöglich daran arbeiten, wie sie sich in Zukunft konstruktiv und zusammenwirkend ihren gemeinsamen Aufgaben widmen können. Ohne den Akt der Verzeihung und den Akt der Versöhnung wird das kaum möglich sein. Deshalb ist es auch wenig zielführend, dass der Vater des Kulturreferenten nicht müde wird, Kiefer und der Bezirksvorsitzenden der SPD Ulrike Bahr „totalitäre Propagandamethoden“ zu unterstellen, um im gleichen Atemzug den Kulturreferenten in seinem politischen Wirken unterstützend zu verteidigen: „Ein typisches Merkmal totalitärer Propaganda ist ein auf Gefühle ausgerichteter Angriff auf angebliche Taten und Aussagen, die nie stattgefunden haben. (…) Gibt es denn überhaupt schon eine zuverlässige Übersetzung der türkischen Redebeiträge?“
Das ist ebenfalls unsäglich! Und es wirft kein gutes Licht auf Augsburgs 3. Bürgermeister Peter Grab, wenn er es unkommentiert zulässt, dass sein Vater bei seinen politischen Angriffen quasi als „Anwalt“ des Kulturreferenten die Ebene einer universal beschriebenen Moralität mit der Ebene lokalpolitischer Ereignisse vermengt. Systemisch ähnelt das dem Tabubruch der SPD-Anfrage.
Wenn nur ein Jota zutreffend wäre, müsste man der Stadtgesellschaft den Rücken kehren
Eine weitere Verfehlung hat sich gestern der Integrationsbeirat selbst geleistet. In einem von Robert Vogl als „Erklärung“ deklarierten Schreiben äußert sich der stellvertretende Beiratsvorsitzende Tugay Cogal folgendermaßen: „Persönlich verbinde ich damit die Verpflichtung, den Integrationsbeirat aus dem Zustand seiner momentanen Starre zu lösen und wieder zu einem Gremium zu formen, das die Integrationspolitik Augsburgs beratend und handelnd voranbringt. Meine Kolleginnen und Kollegen und ich werden sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass möglichst alle Mitglieder des Beirats sich dieser Verantwortung stellen.“ Ein Versprechen zu später Stunde. Soweit so gut. Weiter oben im Text „analysiert“ Cogal jedoch den Beirat als Spiegel der Stadtgesellschaft: „(…) Diese Verwerfungen widerspiegeln im kleinen Rahmen des Beirats das, was im Großen der Stadtgesellschaft Realität ist.“
Wenn nur ein Jota daran zutreffend wäre, müsste man umgehend die Koffer packen und dieser Stadtgesellschaft den Rücken kehren. Der Integrationsbeirat der Stadt Augsburg spiegelt nichts anderes als sich selbst wider. Die innerpolitischen Wirklichkeiten der Türkei und anderer Herkunftsländer der Bürger mit Migrationshintergrund dürfen nicht in den Kontext der städtischen Integrationspolitik gestellt werden und haben selbstverständlich nichts mit den Lebenswirklichkeiten „der Stadtgesellschaft im Großen“ zu tun. Das negative Verhalten einzelner dürfe, so Cogal, nicht dazu führen, „dem Integrationsbeirat als solchem jegliche Funktion abzusprechen.“ Das hat auch bisher niemand gemacht. Der Integrationsbeirat hatte und hat eine Funktion, allerdings eine, die dem Integrationsgedanken im Weg steht.