Die beste Kandidatin gewählt: Kommentar zur OB-Wahl
Warum mit Eva Weber die beste Kandidatin zur Oberbürgermeisterin gewählt wurde – und dennoch nicht damit zu rechnen ist, dass sich in Augsburg etwas zum Besseren wendet
Kommentar von Siegfried Zagler
Mit großer Mehrheit ist von der Bürgerschaft so deutlich wie nie in einer Stichwahl Eva Weber zur Oberbürgermeisterin der Stadt Augsburg gewählt worden. Bei der Kommunalwahl am 15. März lag sie als OB-Kandidatin mit 43,2 Prozent knapp 11 Prozentpunkte vor ihrer Partei – der CSU. Sie ist in der langen Geschichte der Stadt Augsburg die erste Frau, die dieses hohe Amt bekleiden darf.
Die Juristin Eva Weber durfte in der ersten Stadtratsperiode der Ära Gribl den glücklosen Wirtschaftsreferenten Andreas Bubmann ablösen und übernahm 2014 das neu zusammen gelegte Superreferat Finanzen/Wirtschaft, ohne dabei zu glänzen, fleißig und ohne große politische Negativleistungen, wie das zum Beispiel in der zweiten Gribl-Periode beim Sozialreferat, Kulturreferat, Umweltreferat und Bildungsreferat der Fall war.
Von allen Mitbewerbern war Eva Weber die beste OB-Kandidatin. Daran gibt es nichts zu zweifeln! Sie kann die Stadt Augsburg lesen – und sie hat das Herz am richtigen Fleck. Sie ist zu Beginn ihrer Amtszeit wesentlich weiter als es Kurt Gribl zu Beginn seiner Amtszeit war. Falls sie die gleiche Lernkurve wie ihr Vorgänger hinlegen sollte, könnte sie in das Amt wachsen und eine ausgezeichnete Oberbürgermeisterin werden. Das sollte zu erwarten sein und muss auch der Fall sein, denn vor ihr liegt eine schwierige, ja schwere Zeit.
Eva Weber steht als Bürgermeisterin und Finanzreferentin für eine umstrittene Schuldenpolitik mit einer Rekordverschuldung von zirka 420 Millionen Euro. Man muss nicht die apokalyptischen Reiter der Corona-Krise ins Feld führen, um darauf zu verweisen, dass über der Stadt Augsburg dunkle Wolken hängen – und damit ist vorläufig “nur” die drohende städtische Finanzkrise gemeint, mit der wohl zu rechnen ist, wenn die Einkommenssteuereinnahmen, die Gewerbesteuereinnahmen und die Schlüsselzuweisungen des Freistaats nicht mehr so sprudeln werden, wie das vor der Corona-Krise der Fall war. Die Stadt Augsburg wird kleinere Brötchen backen müssen. Daran, dass man in Zukunft in Augsburg noch kürzer treten muss als in anderen bayerischen Städten, trägt auch Eva Weber ein Stück Verantwortung mit.
Nach dem Terroranschlag 9/11 schrieben viele US-Kommentatoren, dass nichts mehr so sein wird, wie es vorher war. Davon war auch während der Finanzkrise 2008/09 in Deutschland die Rede. Verständlich und auch nicht falsch, doch immer auch übertrieben, denn schließlich pendelte sich die Normalität schneller wieder ein, als man sich das damals vorstellen konnte. Aktuell ist zu hoffen, dass die unheilsvolle Vorstellung, dass uns die Corona-Krise noch lange beschäftigen wird – und nichts mehr so sein wird, wie es vorher war, eine Übertreibung ist.
In Augsburg ist vieles unvollendet, vieles in die Zukunft gerichtet: Die Theatersanierung, die Schulsanierung, der ÖPNV-Ausbau samt Tarifreform, der Königsplatzumbau (Fuggerboulevard), die Fertigstellung der Mobilitätsdrehscheibe (Bahnhof samt Tunnel und Linie 5), die Fahrradstadt u.v.m. Was davon und wie viel davon zu Ende gebracht werden kann, steht aktuell in den Sternen.
Es ist Eva Weber zu wünschen, dass sie bei der Besetzung der Referate ein glücklicheres Händchen hat als ihr Vorgänger. Für wenige Referate gibt es in Augsburg innerhalb der politischen Kaste geeignete Kandidaten. Weit und breit sind derzeit keine qualifizierten Persönlichkeiten für das Wirtschaftsreferat, das Finanzreferat, das Kulturreferat in Sicht. Mit Ausnahme des Baureferats (Gerd Merkle) und des Ordnungsreferats (Dirk Wurm) gilt das für alle Referate.
Morgen Abend beginnen die ersten Telefonkonferenzen, beginnt das Ringen um Koalitionen, beginnt das Posten-Geschacher, werden die ersten Verlierer ausgewiesen, die ersten Sieger ins Gespräch gebracht. Möglicherweise wird das aktuelle Regierungsbündnis unter anderen Vorzeichen fortgesetzt. Alles wird fast so sein, wie es immer war. Es ist bedauernswerterweise nämlich nicht damit zu rechnen, dass sich nach der Kommunalwahl 2020 in der Augsburger Lokalpolitik etwas zum Besseren wendet.