Ein (fast) wahres Märchen aus der Fußballwelt
Die Puppenkiste stellt ihr WM-Stück vor: „Steffi – ein Sommermärchen“
Von Frank Heindl
„Eine Insel mit zwei Bergen“ – der deutschlandweit bekannte Hit aus der Jim-Knopf-Produktion der Augsburger Puppenkiste ertönt jedes Mal, wenn der FCA beim Heimspiel einen Treffer erzielt. Doch während der FCA derzeit die Bundesliga anpeilt, ist die Puppenkiste mittlerweile bei der Weltmeisterschaft angekommen: Sie liefert einen prominenten Beitrag für das kulturelle Rahmenprogramm der Fußball-Frauen-WM, ein eigens für die WM entstandenes Stück tourt von der kommenden Woche an durch die Austragungsorte.
„Steffi – ein Sommermärchen“ – so lautet der Titel der ca. 40-minütigen Produktion, deren Eckpunkte die Augsburger Veranstalter am Donnerstag den Medien vorstellten. Puppenkiste und Fußball zusammenzubringen, das sei, so Puppenkiste-Direktor Klaus Marschall, „gar nicht so einfach gewesen.“ Das Hauptproblem dabei: Marionetten können keine Bälle treten. Damit das Thema wenigstens kurz auch konkret gezeigt werden kann, verfiel man auf die Idee, in einer kurzen Einführungsszene drei überdimensionierte Tipp-Kick-Figuren auf die Bühne zu bringen. Anschließend soll das Stück „in heiter-ironischer Weise“ erzählen, wie es der Heldin Steffi gelingt, ihren Traum vom eigenen Fußballteam wahr zu machen. In Titel und Inhalt verbinden sich dabei zwei Themen: Zum einen die Erinnerung an das Fußball-Sommermärchen anlässlich der (Männer-)WM 2006, zum anderen der Name von Steffi Jones, jener deutsch-amerikanischen Fußballerin, die eine entscheidende Rolle im deutschen Frauenfußball gespielt hat – 111 Länderspiele, Europameister 1997, 2001 und 2005 – und derzeit Präsidentin des Organisationskomitees der WM 2011 ist. 98 Prozent der Puppenspieler, gibt Peter Scheerbaum, Hausautor der Puppenkiste zu bedenken, seien keine Fußball-Fans. Umso mehr hoffe er, dass sein neues Stück dazu beitrage, dass, wie beim Sommermärchen 2006, der Fußball auch diejenigen in seinen Bann ziehen, die der Sportart vorher skeptisch gegenüberstanden.
Steffi Jones findet sich als Puppe „süß“
Ein Problem für ihn sei es gewesen, erzählt Puppenschnitzer Jürgen Marschall, dass es von Steffi Jones nur Fotos gebe, auf denen sie lacht. „Puppen mit lachendem, offenen Mund sehen nicht gut aus“ – er musste also ein bisschen improvisieren. Mit dem Ergebnis ist, Marschalls Angaben zufolge, Steffi Jones jedenfalls durchaus zufrieden: „Sie findet die Puppe süß“, sagt Marschall, allerdings habe die Sportlerin sich als „verschönt“ empfunden. Neben dem Fußballstar kommen im Stück auch noch Wolf, Hexe, Prinz, Rumpelstilzchen und Rotkäppchen vor – Marschall hat insgesamt acht Puppen geschnitzt, die Tipp-Kick-Figuren nicht mitgerechnet – die Abenteuer der Puppenkiste-Steffi spielen im Märchenwald. Vier Puppenspieler werden das Spiel umsetzen – und zwar in der so genannten „offenen Spielweise“. Soll heißen: Die Marionetten werden „kurz eingefädelt“, auf der sechs mal vier Meter großen Bühne sind sowohl die Puppen als auch ihre Spieler zu sehen. Kinder, sagt Peter Scheerbaum, akzeptierten diese Spielweise „begeistert“: Sobald das Stück begonnen habe, nähmen sie die Spieler nur noch am Rande wahr und konzentrierten sich voll auf die Puppen.
Richard Goerlich, eigentlich Popkultur-Beauftragter der Stadt Augsburg, derzeit aber auch „Chef“ und Koordinator des aufwändigen kulturellen Rahmenprogramms für die Frauen-WM, gibt sich in Zusammenhang mit der Puppenkiste durchaus bescheiden: Das Stück, betont er, habe es bereits gegeben, als er den WM-Job übernommen habe. Nichtsdestoweniger freut sich Goerlich, dass die Premiere am Sonntag im MAN-Museum längst ausverkauft ist. Und noch mehr darüber, dass „Steffi – ein Sommermärchen“ anschließend durch die WM-Städte auf Tour geht: „Alle haben sich darum gerissen, das Stück aufführen zu dürfen!“ Für das Puppenkiste-Team allerdings dürfte die kleine Tournee (sie führt nach Wolfsburg, Dresden, Bochum, Mönchengladbach, Leverkusen, Frankfurt, Sinsheim und Berlin) eher alltäglich sein: Klaus Marschall erzählt eher nebenbei, dass sein Theater noch in diesem Sommer zu Festivals nach Korea und zu einer Rundreise durch die Golfregion eingeladen sei.
Die „echte“ Steffi Jones gab sich übrigens im Vorfeld als Puppenkiste-Fan zu erkennen: Sie erinnere sich gern, wie sie als kleines Mädchen im nachmittäglichen TV-Programm die Abenteuer von Michael Endes Jim Knopf, seinem Freund Lukas, dem Lokomotivführer, der Wilden 13 und all den anderen Puppen verfolgt habe. Nun ist sie selbst zur Puppenkiste-Heldin geworden – eines der Märchen, wie sie das (Fußball-)Leben schreibt.