Ein Hoch auf die Föhnpreispolitik!
Auf der Suche nach verlorenen Geräuschen
Von Siegfried Zagler
Es handelt sich um die letzten ihrer Art. Man muss sagenhafte 5 Cent einwerfen, damit der Föhn funktioniert. Wenn man genauer hinsieht, sieht man der Metallbox das hohe Alter an, aber es handelt sich eindeutig um jüngere elektromechanische Exemplare aus der beginnenden Digitalzeit. Die moderne Archäologie erkennt darin bestenfalls die weniger geschätzte historische Epoche der späten Jungföhnzeit. In der prähistorischen Epoche des Föhnens kostete das städtische Trocknen der Haare noch ganze 10 Pfennige und die Trockenmaschinen produzierten dergestalt heiße Luftströme, dass man die Haare unter einer Wollmütze trocken bekam. Der Föhnpreis blieb stabiler als alles andere in den vergangenen 50 Jahren: Ein Hoch auf die Föhnpreispolitik!
Die hässlichen Minimonster sollen, wie kürzlich im Stadtbad zu erfahren war, in Bälde ersatzlos verschwinden. Das Verschwinden der mechanischen Welt scheint niemand zu bemerken, niemand zu stören. Der Verlust der Gegenwart wird immer erst begriffen, wenn ein verschwundener Gegenstand urplötzlich wieder auftaucht, wie kürzlich ein mechanischer Zigarettenautomat an einer Stallwand im Donaumoos. Oder ein Plattenspieler im vergessenen Schrank eines ehemaligen Partykellers. Wer kann sich noch an das metallisch dunkle Zschucktschak beim Herausziehen der “Zigarettenschublade” erinnern? Betörender nur noch das Zirrrt beim Hineinschieben. Wer weiß noch, wie es knisterte, wenn man einen Saphir auf die Startrillen einer Schallplatte setzte, wie es klang, wenn man bei einem VW Käfer Gas gab? Pfrrrrr.
Die Magie, die ein Vergaser auf die Jugend der Siebziger ausübte, hat sich verflüchtigt wie der Geruch der Misthaufen auf Bauernhöfen, die es bis in die Achtziger noch in Lechhausen gab. Wer kann sich noch an das Geräusch eines mechanischen Vorführgeräts im Kino erinnern, als das Zelluloid durch das Malteser Kreuz ratterte? Das Zschik, Zschik einer mechanischen Schreibmaschine? Längst gibt es im Netz Museen für gefährdete Töne oder in arrivierten Museen vielbeachtete Ausstellungen verschwundener Alltagsobjekte der Moderne.
Das Augsburger Stadtbad ist eine Art Museum: Jeder Mensch, der es betritt, wird Teil eines Kunstwerks und kann erfahren wie zart eine 5 Cent Münze aufschlägt, wenn sie fünf Zentimeter tief in eine Plastikschale fällt. Das Verschwinden der mechanischen Maschinen darf als Fortschritt begriffen werden, wenn diese Dinge durch funktionablere ersetzt werden, keine Frage. Würde man aber das Verschwinden einer Welt, die gestern noch Gegenwart war, nicht auch als Verlust begreifen, würde sich die Geschichte unserer Empfindsamkeit ins Gegenteil verdrehen. Es wäre nicht viel mehr als Resignation, an dieser Stelle auf das „Museum für gefährdete Töne“ zu verweisen. Klüger ist der Rat, das Augsburger Stadtbad zu besuchen.