“Eine aus dem vorigen Jahrhunderts stammende Förderstruktur” – Kommentar zur Augsburger Kulturpolitik
In den 12 Jahren der Gribl-Ära scheint die Gestaltungskompetenz der Augsburger Kulturpolitik 2020 auf dem Nullpunkt angekommen zu sein. Zwei Kulturreferenten ohne Weitsicht und Visionen haben der kulturellen Identität der Stadt zugesetzt und die Stimmung unter den Kulturschaffenden vereist.
Peter Grab und Thomas Weitzel waren und sind Untergeher, die nie begriffen haben, wie ihr Job geht. Grab wollte immerhin schlechte Kulturpolitik machen. Was Weitzel wollte/will, blieb bisher verborgen. Er war lange ein getarnter CSU-Referent, der zwar in die CSU-Kasse einbezahlte, aber nach außen so tat, als sei er überparteilich unterwegs. Die Bilanz seiner Amtszeit ist gezeichnet von repressiven Gutachten und beflissener Verwaltungsarbeit im stillen Einverständnis mit der CSU. Sein unpolitisches Dahinwursteln, sein Bürovermächtnis könnte zu der These führen, dass man in Augsburg keinen speziellen Kulturreferenten braucht – und diese Stelle mit einem erweiterten Kultur/Bildungsreferat abschafft. Peter Bommas spricht in seinem Kommentar von einem schwarzen Loch. Es ist schlimmer! (sz)
Kultur als kommunalpolitische Leerstelle – ein kleiner Rundumschlag zu einem Fiasko
Kommentar von Peter Bommas
Zum wiederholten Mal ist kulturelle Stadtentwicklung und deren Stellenwert für die Stadtgesellschaft im Kommunalwahlkampf ein großes schwarzes Loch. Mit Ausnahme eines gelegentlich verschämten Hinweises zur problematischen Finanzierungssituation bezüglich der Theatersanierung gab es bisher im Wahlkampf keine Statements in Sachen Kultur, keine Ausblicke in zukünftige Szenarien. Der Begriff „Kultur“ ist weder auf Plakaten noch in Interviews oder auf Netzplattformen zu lesen.
Offene Kulturbaustellen
Das steht im krassen Widerspruch zu den vielen offenen Kulturbaustellen: Der Entwicklungsplan zur Museumlandschaft dümpelt unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor sich hin, die Ausstellungssituation für moderne Kunst ist unterirdisch und ungeklärt, die gehypte Entwicklung des Gaswerks zum Kreativzentrum steckt in einer veritablen Krise, Szene- und Subkultur werden konzeptionell und finanziell ausgegrenzt, seit Jahren gibt es kein Filmfestival mehr in der Stadt.
Das Brechtfestival leidet an popkultureller Beliebigkeit (Berliner Brot und Spiele Ideen), Respektlosigkeit gegen über dem lokalen Publikum (Stars die nicht liefern), literaturtheoretischer Konzeptlosigkeit (Brecht wird verhökert, das Brechthaus wird ausgegrenzt), Etatproblemen und zu kurzfristiger Planungsvorgabe. Es braucht eine neue Festivalidee!
Das einzigartige, partizipative und interkulturelle Friedensfestival muss nach politischen Eingriffen jedes Jahr aufs Neue nach seinem endgültigen Format suchen, die Idee von einem literarischen Zentrum mit Strahlkraft verpufft im Klein-Klein der Stadtbücherei, die von der Politik so hofierte Bedeutung der kulturellen Bildung als Querschnittsaufgabe ist in der Versenkung verschwunden und die schon lange geführte Diskussion um ein „Artist-In Residence“-Projekt im Brechthaus versickert wieder in den politischen Kanälen. Zu guter Letzt noch die „Augsburger Krankheit“: Seit Jahrzehnten gelingt es nicht, den Posten für kulturelle Gestaltung – das Kultureferat – durch eine Ausschreibung interessant, innovativ und zukunftszugewandt zu besetzen.
Und gleichzeitig hat es die Politik der übergroßen Koalition geschafft, die zahlreichen, von vielen hundert Bürger*innen wahrgenommenen Teilhabeprojekte der „Bürgerwerkstätten“ – zum Theater, zum Gaswerk, zur Museumslandschaft, zu den Konversionsflächen – durch die weitgehende Nichtberücksichtigung der Ergebnisse ad absurdum zu führen. Ein besseres Beispiel für die „Mitmach-Falle“ als Augsburger Modell für misslingende Partizipation gibt es bundesweit nicht. Ganz zu schweigen von der inzwischen total überholten, aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts stammenden kulturellen Förderstruktur.
Desolate Förderstruktur
Der Kulturetat in Augsburg beträgt zur Zeit zirka 32 Millionen. Die Fördersituation ist unübersichtlich, intransparent, von Traditionen und parteipolitischen Deals geprägt und beruht auf einem in den letzten 30 Jahren entstandenen und nie nachhaltig hinterfragten „Vier-Klassen-Förder-System“, das wenig Spielraum für Neues, Unerwartetes etc. lässt und partizipative, temporäre Formate wie kreative Zwischennutzungen und Pop-Up Projekte sowie szenekulturelle und transkulturelle Diskurse komplett negiert.
Im Haushalt festgeschrieben und jeder Diskussion entzogen, gleichgültig ob noch up to date oder in ihrer schieren Existenz einfach überholt, sind die sakrosankten städtischen Kultureinrichtungen Theater, Kunstsammlungen, Museen, Stadtarchiv, Brechthaus, Mozarthaus, Kulturhaus Abraxas und seit der letzten Legislaturperiode auch die wieder unter kommunaler Hoheit betriebene Kresslesmühle.
Ebenso über jede Diskussion erhaben und im städtischen Haushalt einfach immer fortgeschrieben sind die kulturellen Einrichtungen, die seit den 80er Jahren quasi städtische Aufgaben wahrnehmen – über langfristige Verträge, teilweise mit Querfinanzierung aus Sozial- und Kulturetat – Bürgerhaus Kreßlesmühle, Puppenkiste, Friedensfest, Lange Kunstnacht. Diese beiden Förderstufen verschlingen über 90% des Kulturetats.
An dritter Stelle der Förderhierarchie rangieren Einrichtungen, Projekte, Festivals (seit Ende der 80er Jahre), die über konkrete Leistungsvereinbarungen mit Ein- oder Mehrjahres-Verträgen ausgestattet sind und regelmäßig neu ausgehandelt werden müssen. Beispiele: dafür sind die Kinder- und Jugendtheater im Abraxas, der BBK, das Modularfestival, Mozartfestival, Brechtfestival, S’Ensemble-Theater, LAB30, Klapps Figurentheater Festival, Jazz-Sommer, BlueSpot Production.
Und ganz am Ende der Fördertreppe steht die sogenannte, jährlich immer dünner werdende, Projektförderung für die freie Szene in mittlerer fünfstelliger Höhe, jährlich zu beantragen, z.B. Taubenschlag, Raumpflegekultur, Stadtraum e.V., Klubkommission, KUKI e.V., Theaterwerkstatt, Karmann e.V., Tether, Just Kids Festival, Ganze Bäckerei, Unser Haus e.V. etc. – hier unten gelangen also knapp 0,25 % des Gesamtetats an, obgleich hier die interessantesteen und innovativsten Entwicklungen stattfinden.
Fatale Mechanismen
Richtige Planungssicherheit (natürlich innerhalb des Haushalts) haben nur die Förderstufen 1 und 2. Die zur Förderstufe 3 gehörenden Einrichtungen, Projekte, Festivals unterliegen immer den anteiligen Haushaltskürzungen (im Vertrag festgeschrieben), haben Chancen auf eine Zuschusserhöhung eigentlich nur vor oder nach Kommunalwahlen und sind ansonsten auf die Wahrung des status quo ausgerichtet.Konsequenz aus dieser Förderstruktur ist das Buhlen um politischen Einfluss, um aus der Stufe 4 in die Stufe 3 aufzusteigen und das politische Lavieren der in Gruppe 3 regelmäßig vor neuen Vertragsverhandlungen stehenden Projekte – siehe Diskurs um Förderung von BlueSpotProductions und der Kindertheater.
Der Aufstieg aus der Stufe 3 zur Stufe 2 ist in den letzten 20 Jahren keiner Einrichtung gelungen, früher übliche 5-Jahresverträge sind politisch zur Zeit nicht erwünscht, weil sie oft über einen Regierungswechsel hinaus Kontinuität garantieren würden und so nicht Verhandlungsmasse sein würden. Darüberhinaus hat die Biennale-Regelung zusätzlich Unsicherheit in dieses System gebracht, das auch von der „Dachmarken-Philosophie“ noch überlagert wird: Je nach politischer Ausrichtung werden neue Prioritäten gesetzt (siehe die Mozart-Diskussion, die permanente Diskussion zum Thema Frieden und Interkultur, Brechtfestival, Modular). Für eine grundsätzliche Neuausrichtung, kreative Ideen und kurzfristig lancierte, partizipative Module (Green Belt, Bohnenfestival, Contemporallye etc.) fehlt die Struktur, der Etat und letztlich der politische Wille.
Eine transparente Förderstruktur, die Tradition mit Innovation verbindet, benötigt völlig andere Voraussetzungen, andere Förderschwerpunkte und deshalb einen kulturpolitischen Fahrplan, der über Wahltermine hinaus Ziele und Wege definiert, der genügend Mittel für innovative Projekte bereithält, von traditionellen Einrichtungen mehr Synergien einfordert, eben einen echten, politisch gewollten Kulturentwicklungsplan und keine Alibiveranstaltungen. Möglicherweise gibt es eine Chance auf Veränderung nach der Kommunalwahl 2020. Die Hoffnung stirbt bekanntermaßen zuletzt.