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Samstag, 23.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

FCA: Ein Lob an Luhukay!

Im letzten Spiel der Vorrunde konnte sich der FC Augsburg mit einem 1:1 Unentschieden vor 48.143 Zuschauern beim Hamburger SV behaupten. Damit bleibt der FCA in der Winterpause auf einem Abstiegsplatz, kann aber mit 15 Punkten im Gepäck auf eine spannende Rückrunde bauen.

Von Richard Goerlich

“Teamgeist statt Ballballett”: Blick aus der Augsburger Fankurve

Hamburgs mit viel Vorschusslorbeeren, aber ohne echte Erfolgsbilanz gestarteter Trainer Thorsten Fink konnte vor dem Spiel keinen siegesgewissen Eindruck verbreiten. Angesichts der Zerstörermentalität der Augsburger fürchte er um die Qualität des Spiels, ätzte Fink sinngemäß gegenüber der Presse. „Fuggerbeton“ werde angemischt, dass es einem Angst und Bange werden könne. Nun, man kann dem Übungsleiter Fink nicht seine Meinung im Vorfeld eines Spieles absprechen, wohl aber seine rosarotgefärbte Einschätzung bezüglich seiner Mannschaft, die sich seit Finks Arbeitsantritt, mit Verlaub, nicht gerade zu einer Offenbarung entwickelt hat. Warum also sollte der FC Augsburg sich mit einer Strategie begnügen, die alleine auf Vermeidung der Spielentfaltung des HSV ausgerichtet sein würde? Soviel Chuzpe haben sich Luhukays Outlaws längst erarbeitet: Sie können mit ihren ganz eigenen Mitteln – durch Kampf ins Spiel, Teamgeist statt Ballballett – durchaus mitspielen in Liga 1. Und gelegentlich sogar das Spiel gestalten. Das haben die Rotgrünweißen gegen den FC Bayern, gegen Wolfsburg und Gladbach bewiesen. Gegen den jüngst äußerst bieder aufspielenden HSV musste dem FCA ergo weder Bange sein, noch eine Abwehrschlacht ausgerufen werden.

Phantom, Storch und ein eiskalter Zerberus

Und so begann das Spiel. Frenetischer Applaus im Gästeblock, eine farbenfrohe Choreograpfie mit Fahnenmeer und einem rotgrünweißen Gruß ins weite Rund der Imtech-Arena. Gut 300 Fans aus Augsburg waren angereist, teils recht blass um die Nase: der Vorabend auf St. Pauli hatte seinen Tribut gezollt. Äußerst agil und wachsam hingegen startete das Team auf dem grünen Rasen. Die Elf aus der Brechtstadt zeigte sich personell nur leicht verändert im Vergleich zum Sieg gegen die Fohlen aus Gladbach und startete hochkonzentriert und selbstbewusst. Ballverteilung mit guter Übersicht aus der Verteidigung heraus. Sascha „das Phantom“ Mölders, der mit viel Körperarbeit Räume freimachte und so den einen oder anderen Ball tief in die Hälfte der Hamburger eindringen ließ. Lorenzo „der Storch“ Davids, der erneut rackerte und rannte wie einst ein Dieter Eilts. Der Mann wird mehr und mehr zum Mittelpunkt des Spiels, er fordert, kommuniziert und und macht seine eigenartig amutende Körperführung zu seinem Kapital. Echte Chancen: Mangelware, aber das Spiel entwickelte sich ansehnlich und keineswegs nach Maurermanier. Hamburg erspielte sich mit gelegentlichen starken Einzelleistungen Chancen und konnte vor allem mit Standardsituationen Gefahr ins Spiel bringen.

Amsif die neue Nummer Eins?

Dass der Ball nicht über die Augsburger Torlinie kam, lag aus Hamburger Sicht an einer grottenschlechten Chancenverwertung – aus Augsburger Sicht an einem ausgezeichnet aufgelegten Mohamed Amsif: Ein Teufelskerl zwischen den Pfosten. Was der Mann aus der Schalker Torwartschule in der „Imtech-Arena“ rausfischte, war absolutes Topniveau, das Amsif in den vorangegangenen Spielen andeutete. Die Fans dankten es ihm mit Sprechchören. Man darf gespannt sein, ob Simon Jentzsch qua Amt wieder den Zerberus geben darf, wenn die Rückrunde startet, oder ob der sympathische Amsif die neue Nummer Eins ist. Zu wünschen wäre es ihm!

Die fast schon obligatorische Hunderprozentige vergab diesmal Baier

Das 0:0 zur Halbzeit also schien gerecht, aber wer will schon 800 Kilometer fahren, um ein torloses Remis zu sehen? Angefeuert vom leidenschaftlich singenden Augsburger Fanblock wollte der FCA nach der Halbzeitpause unbedingt die Bude machen. Und startete – weil man zuviel wollte und eben das nicht der Weg zum Sieg sein kann – in schwache 10 Minuten, während zu fürchten stand, dass der HSV einnetzen würde. Doch dann, zack, war er drin. Schön herausgespielt und nach einem abgeprallten Schuss von Tobi „du hast die Haare schön“ Werner reingedrechselt von Oehrl (63.) stand es plötzlich 1:0 – für Augsburg wohlgemerkt.

Man muss den Hanseaten zugute halten, dass auch sie in den darauf folgenden Minuten wieder und wieder hochkarätige Chancen erspielten. Und dann auch das Tor machten, verdient, und durchaus ansehnlich herausgespielt (Guerrero, 67. Minute). Der Rest des Spiels, ein angenehm kurzweiliger Versuch beider Mannschaften, doch noch eine Entscheidung herbeizuzwingen. Die fast schon obligatorische „Hundertprozentige“ beim FCA vergab diesmal Baier nach guter Reinhardt-Vorarbeit in der 72. Minute. Was soll’s! Das Spiel endete gerecht mit einem Remis. Gut für die Schwaben, die erneut einer vermeintlichen Spitzenmannschaft einen Punkt abtrotzten. Schlecht für „Poptown“ Hamburg, die das Abstiegsgespenst mit derartigen Leistungen auch in der Rückrunde nicht verscheuchen, sondern höchstens mal wieder einen neuen Trainer suchen werden.

Was nun tun mit den Erkenntnissen der ersten Hinrunde einer Augsburger Mannschaft in der ersten Profiliga? Dem Augsburger Fußballfatalisten („die schteigat doch eh widdr ab“) sei hinter die Ohren geschrieben: Der FCA ist keineswegs auf dem Weg, das neue „Tasmania Berlin“ zu werden. Luhukay hat gute Arbeit gemacht, hat die Taktik nach dem Spiel gegen Stuttgart selbstkritisch und in Richtung „mehr Mut und Offensive“ geändert und sich nicht von irgendwelchen Scharmützeln um ausgemusterte Straßenköter, einem zeternden Präsidenten und heimwehkranken Manager beirren lassen. Es gebührt diesem Mann das größte Lob von allen.

Thorsten Fink, ein schlechter Verlierer

Im Taxi nach dem Spiel das obligatorische Spielfazit: Augsburg habe ja wohl „nur gemauert“, meint der kauzige Fahrer. Gerade habe er Thorsten Fink im Radio gehört, der sich über das zerstörerische Spiel des FCA beschwert habe. Wir halten ergo fest, erstens: Thorsten Fink ist ein schlechter Verlierer, selbst bei einem Remis. Zweitens: Das Beste am HSV ist derzeit die Stadionhmyne „Hamburg meine Perle“. Und drittens sind Taxifahrer nur gelegentlich redliche Fußballexperten.

Der FCA hingegen hat sich dank der unaufgeregten, seriösen Arbeit von Trainer Luhukay seiner Möglichkeiten bemächtigt und verstanden, dass man mit den früher dem deutschen Fußball zugesprochenen Tugenden wie Fleiß, Willen und Disziplin durchaus Bundesligapunkte holen kann. Es bleibt zu hoffen, dass das Team Rettig/Luhukay bei den Wintertransfers so besonnen vorgeht wie dies in diesem Verein so wunderbar zur Leitlinie geworden sein scheint. Bloß kein Kracher mit großem Namen! Die Mannschaft hat ihre Identität gefunden. Sie sollte qualitativ ergänzt und um einen selbstbewusten, gerne rustikalen Vollstrecker im Sturm verbessert werden. Nur dann kann sie den guten Weg des fightenden Outlaws der Liga fortsetzen, der die Augsburger Fans begeistert. Der FCA, er könnte einer dieser sympathischen Underdogs werden, die viel zu selten im Spitzenprofifußball auftauchen. Und zwar einer, der lange da oben bleibt. Denn dort, und nur dorthin gehört der Augsburger Fußball. Die Rückrunde verspricht hohe Spannung und große Fights. Der nächste am 21. Januar beim taumelnden Abstiegskandidaten Freiburg. Da müssen 3 Punkte her. Bereits am kommenden Dienstag steht das Achtelfinalspiel im DFB-Pokal bei der TSG-Hoffenheim auf dem Programm.

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Richard Goerlich in Hamburg


Richard Goerlichs Berufsbezeichnung lautet „Popkulturbeauftragter der Stadt Augsburg“. Eine politisch sehr umstrittene Personalie mit ungenauer Stellenbeschreibung. Davon unabhängig hat sich die „Marke Goerlich“ im Lauf der letzten drei Jahre als großer Zugewinn für die Stadt entwickelt. Richard Goerlich ist seit 1981 Schalke-Fan, räumt dem FC Augsburg aber seit herbstgrauen M-Block-Besuchen in der Rosenau in den Iden der Neunziger einen großen Platz in seinem Fußballherzen ein. Er hat das Festival „City of Peace“ konzipiert und organisiert. Was die wenigsten wissen: Als Co-Komponist der FCA-Hymnen „So was Großes“ und „Rot, Grün, Weiß“ hat Richard „Rich“ Goerlich einen kleinen Anteil zur Entwicklung der FCA-Fan-Kultur beigetragen.