FCA: Entspringt im Reich der Mitte ein Fluss?
Steht ein chinesischer Großinvestor vor den Toren des FCA, wie die Bildzeitung berichtet? Würde der FCA, würde er von einem Investor aus dem Reich der Mitte mit Geld gespickt werden, zu einem neuen Feindbild-Klub mutieren? Augsburg das neue Hoffenheim oder das neue Leipzig?
Kommentar von Siegfried Zagler
Dass unter den „Ultras“, wie sich Hardcore-Fangruppen deutscher Fußballvereine selbst bezeichnen, in Sachen Selbstreflexion nicht viel zu erwarten ist, soll an dieser Stelle nicht beklagt werden. Dass sich die Augsburger Ultras vor dem FCA-Gastspiel in Leipzig allerdings dergestalt unbekümmert eine weit ins Fußball-Land hinein blinkende Narrenkappe auf das Haupt pflanzten, gehört allerdings zu den bemerkenswerten Randerscheinungen der aktuellen Fußballwoche.
Die Fan-Aktion „keine Sau fährt nach Leipzig“ ist aus zweierlei Hinsicht von erschütternder Gedankenlosigkeit gezeichnet. Erstens hat sich der FC Augsburg nicht aus eigener Kraft, sondern mit „Fremdgeld“ eines schrulligen Millionärs zurück in den Profifußball gehievt. Darin unterscheiden sich die Klubs aus Sinsheim, Augsburg und Leipzig nicht besonders. Doch im Gegensatz zum FCA-Invest sind die Gelder, die Mateschitz und Hopp in ihre Hobbys investiert haben, halbwegs mit politisch korrekten Produkten erwirtschaftet worden. Zweitens entstanden mit den Millionen, die nach Hoffenheim und Leipzig geflossen sind und weiter fließen werden, sportliche Wertschöpfungsmodelle, die sich sehen lassen können: Hoffenheim und Leipzig sind mit ihrer professionellen Jugendarbeit, die für den gesamten deutschen Profifußball Vorbildcharakter haben sollte, großartige Modelle, die von Klubs alter Schule (Nürnberg, Düsseldorf, Kaiserslautern, Karlsruhe, St. Pauli usw.) offenbar nicht mehr geleistet wurden und werden. Letzteres dürfte damit zu tun haben, dass für diese Klubs der aktuelle Tabellenstand wichtiger ist als unternehmerische Weitsicht.
Der FC Augsburg geht zwar erst in seine sechste Bundesligasaison, ist aber eine Old-school-Klub geblieben, also ein Verein, der bestenfalls von einer Saison zur nächsten denkt, und somit die gleichen Fehler begeht, wie Nürnberg, Kaiserslautern und Co. Der gestrige Auftritt der Augsburger in Leipzig hatte sportlichen Sinnbild-Charakter: Leipzig, eine junge, technisch und taktisch großartig ausgebildete und eingespielte Mannschaft, spielte den FCA an die Wand. Auf der einen Seite also eine junge zukunftsfähige Mannschaft, die Fußball-Lust atmete und auf der anderen Seite eine überalterte Mannschaft, die in der zweiten Halbzeit kaum noch zum Atmen kam und nur noch weite Bälle ins Nichts schlug. („Das Nichts“ nennt sich in Augsburg „Offensive“.). Die Augsburger konnten nur in den ersten 30 Minuten Paroli bieten und bauten dann physisch und mental von Minute zu Minute ab. Die sechste Bundesligasaison könnte für den FCA eine grauenvolle Saison werden.
Die klassischen Abwehrmechanismen der Old-School-Klubs gegen sportliche Niedergänge sind Nottransfers, wie zum Beispiel die Hinteregger-Verpflichtung der Augsburger kurz vor Transferschluss. Im Winter könnte der FCA wieder einen oder zwei Nottransfers tätigen. Vielleicht sogar mit neuem Fremdgeld. Klaus Hofmann, Präsident und Kopf des FCA, geht nämlich davon aus, dass sich chinesische Investoren “sehr bald, vielleicht sogar noch in dieser Saison”, in die Bundesliga einkaufen werden. Laut Bildzeitung sei ein Einstieg in Augsburg wahrscheinlich. Für wen sonst könnte Hoffmann eine Ansage dieser Art wagen? Nach einer arbeitsreichen Kuka- und möglicherweise Osramwoche könnten sich die neuen Groß-Player in der bayerisch-schwäbischen Metropolregion am Wochenende bei ihrem Augsburger Fußball-Klub zeigen – und entspannen.
Der FCA in chinesischer Hand?! Das wäre nach der schrulligen Seinsch-Ära nicht unbedingt ein Abstieg. Das ohnehin verlogene Familien-Image könnten die Augsburger mit einem Investor aus China endlich zu den Akten legen. Sie hätten in diesem Fall neben ihrem plötzlichen Reichtum mit einem besseren Image zu rechnen: Der FCA hätte das Zeug zu einem neuen Feindbild-Klub. Vermutlich wäre das den Augsburgern “Ultras”, die sich heute über den Red Bull-Marketing-Klub ereifern, morgen ziemlich “wurscht”. In der Fuggerstadt könnte sich die Geschichte des sagenhaften Aufstiegs und des Untergangs eines Familien-Imperiums wiederholen. Nachhaltigkeit sieht zwar anders aus, aber wen juckt das schon? “Die Tabelle lügt nicht”, heißt es in der Erkenntnisphilosophie des Fußballs. Das ist eine uninteressante Wahrheit. Eine Tabelle erzählt nämliche keine Geschichten.