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Samstag, 23.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Gögginger Skandalfällungen: Schaal wäre die Haut abgezogen worden

Warum Umweltreferent Reiner Erben die Grünen alt aussehen lässt

Kommentar von Siegfried Zagler

Was ist eigentlich mit den Augsburger Grünen los? Die Fraktion war mehrheitlich für die Fusion, die Parteispitze dagegen. Wie war das nochmal mit Tempo 30 im innerstädtischen Stadtgebiet? Mit dem No-Go zum Bau weiterer Parkhäuser? Mit dem absoluten Nein im Wahlprogramm bezüglich einer Neuverschuldung? Nachhaltiges Haushalten, nachhaltiges Wirtschaften? Die Semmeltaste wurde von den Grünen in der Opposition als Teufels Werkzeug bekämpft, längst darf man wieder 30 Minuten kostenlos parken. (Ein Wahlversprechen Gribls im Wahlkampf 2008.) Nichts war radikaler und stimmiger als die Grüne Philosophie zur Verkehrspolitik! Nichts war exklusiver als ihr Credo zum nachhaltigen Haushalten. Nun sind sie im hohen Maße dafür mitverantwortlich, dass sich die Stadt in ein Schuldenabenteuer wegen der Theatersanierung stürzt. Nichts war deutlicher als die Grüne Kritik an der Kulturpolitik Peter Grabs! Nichts war einleuchtender als die Grüne Kritik am Skandalbau CFS, der ebenfalls von Fällungen zahlreicher Baumriesen begleitet wurde. Überzeugend auch die Grüne Kritik am in die Jahre gekommenen Konzept der Kresslesmühle, für die nun Reiner Erben politisch verantwortlich ist.

Warum gelingt es Reiner Erben nicht, die Mühen der Ebenen zu kommunizieren? Erben ist es heute noch nicht einmal gelungen, ein funktionierendes Gastronomie-Konzept in der Mühle zu etablieren. – Fahrradstadt 2020 mit gepinselten Radwegen auf Hauptverkehrsstraßen? Ist es das, womit die Grünen ihre Regierungsbeteiligung rechtfertigen wollen?

Die Augsburger Grünen wissen nicht mehr, wer sie sind. Sie finden ihre Rolle innerhalb des Dreierbündnisses nicht. Schuld daran ist im hohen Maße ein schwacher Grüner Referent, der nicht in der Lage ist, sein Dilemma zwischen Grünen Maximalforderungen und realpolitischen Zwängen plausibel darzustellen. Wäre Erben ein starker Referent, würde er periodisch herausarbeiten, warum er Referent ist und warum es besser wäre, wenn man ihn mehr machen ließe. Noch ist Erben kein Gestalter, keine Autorität, kein Kommunikator. Er ist weder ein wirkungsvoller Impulsgeber noch ein respektabler Verwaltungschef. Und es ist nicht damit zu rechnen, dass sich das zum Besseren wendet.

Viele überzeugende Grüne Inhalte wurde zu Grabe getragen, nur um mit Reiner Erben einen Referenten in der Stadtregierung zu stellen. Und was macht Erben, der als führender Oppositionspolitiker der Stadtregierung bis 2014 stets „Konzept- und Kopflosigkeit“ vorwarf und dabei oft genug richtig lag? Er agiert selbst dort, wo er leicht punkten könnte, konzept- und kopflos.

Diese trostlose Erkenntnis ist zusammen mit dem Niedergang der SPD eine Art Augsburger Super-Kollaps. In der drittgrößten Stadt Bayerns verschwindet in dem Augsburger Dreierbündnis eine komplette politische Struktur, lösen sich nicht nur Inhalte, sondern auch Parteien auf. Dies fällt immer schlagartig dann auf, wenn sich ein Skandal ereignet, wie zum Beispiel die Baumfällungen in Göggingen. Wäre Rainer Schaal Umweltreferent geblieben, hätte ihm Reiner Erben als Oppositionspolitiker für diese Aktion und das daraus folgende kommunikative Desaster die Haut abgezogen – zurecht.

Die von Reiner Erben politisch zu verantwortende Fällung dreier Baumriesen, die im Stadtteil Göggingen zum Stadtbild gehörten, bedeutet – Fusion hin oder her – für einen Grünen Umweltreferenten Kollateralschaden. Mit Erben als Referent und einer insgesamt richtig schwachen Fraktion sind die Augsburger Grünen schwer angeschlagen. Zurück zur alten Stärke könnten sie nur finden, wenn sie das Dreierbündnis so schnell wie möglich verlassen würden. Doch dafür bräuchten sie etwas, was ihnen in der Regierungsbeteiligung blitzartig abhanden kam: die Fähigkeit zur Selbstkritik.