DAZ - Unabhängige Internetzeitung für Politik und Kultur
Freitag, 08.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Meinung

Gögginger Wäldchen: Krieg gegen Kinder

Die Überschrift “Krieg gegen Kinder” ist nicht nur übertrieben, sondern auch falsch. Die Stadt Augsburg führt natürlich keinen Krieg gegen Kinder. Und dennoch hat diese Übertreibung ihre Berechtigung, da die Stadt ein Scheinproblem mit martialischen Maßnahmen zu lösen versucht.

Kommentar von Siegfried Zagler

Foto: DAZ

Im zirka 40 Hektar fassenden Gögginger Wäldchen im Süden Augsburgs gab es einen Parcours für Dirtbikes. Die Stadt Augsburg, genauer: das Forstamt hat diesen seit vielen Jahrzehnten bestehenden Parcours am helllichten Tag mit Barrikaden und tonnenschwerem Gehölz vernichtet. Noch am Dienstag vergangener Woche nahm Oberbürgermeisterin Eva Weber im Rahmen des “Klimastadtrats” den politisch dafür zuständigen Referenten, Roland Barth, in Schutz. Eva Weber sagte sinngemäß, dass das Forstamt alles richtig gemacht habe, räumte aber Defizite in der Kommunikation ein.

Politik besteht zu 90 Prozent aus Kommunikation, weshalb man schlussfolgern darf, dass politisch, wie bei den skandalösen Baumfällungen am Herrenbach, fast alles falsch gemacht wurde. Inhaltlich, also losgelöst von der politischen Debatte, ob diese Maßnahme dem Allgemeinwohl dient oder nicht, hat die Stadt und somit Roland Barth und Oberbürgermeisterin Eva Weber nicht nur “fast alles”, sondern alles falsch gemacht.

Und dabei geht es nicht um die Frage, ob Spaziergänger und Wanderer vor Mountainbiker oder anderen Radsportlern geschützt werden sollen oder nicht. Radsportler und Hundehalter werden zunehmend für Spaziergänger, Erholungsuchende und Naturfreunde und selbstverständlich auch für die Natur zu einem ernsthaften Problem, das der Gesetzgeber zu lösen hat, indem er die Schwächeren vor den Stärkeren (Radsportler und Hundehalter) schützt. Der Radsport hat weder in Naturschutzgebieten noch in Landschaftsschutzgebieten etwas zu suchen und sorgt auch dort für Ärger, wo er erlaubt ist.

Dementsprechend ist es falsch, sich im Streit um den Parcours im Gögginger Wäldchen auf die Seite der Radsportler zu schlagen, wie es der Bundestagskandidat der Augsburger FDP Alexander Meyer getan hat. Meyer geißelt die Maßnahmen des Freistaats und der Kommunen, die Radfahrer aus Erholungsgebieten fern halten sollen, grundsätzlich als verfassungswidrig. Der Parcours im Gögginger Wäldchen ist für diese Rechtsauffassung ein schlechtes Beispiel, weil er nicht von durchtrainierten Montainbikern gepflügt wurde und erst recht nicht von todesmutigen Downhill-Piloten aufgesucht wurde, sondern von Kindern, die dort mit ihren Dirtbikes kurze Sprünge übten und kleine Kunststücke trainierten.

Dennoch ist die Videoarbeit Meyers ein gutes Beispiel für herausragende Oppositionsarbeit, da Meyer mit einfachen Sätzen und unmissverständlichen Bildern herausarbeitet, dass die Zerstörung, die das Augsburger Forstamt mit seinen tonnenschweren Totholz-Barrikaden anrichtete, wesentlich größer ist als der vermeintliche Schaden, den Kinder am Waldrand verursachen, wenn sie dort mit Dirtbikes ein seit Jahrzehnten existierendes Gelände befahren, das nur eine geringe Fläche umfasst. Ein Dirtbike, dies nur nebenbei, ist kein “kleines Mountainbike”, sondern ein Rad, das sich nur für Kunststücke eignet. Mit einem Dirtbike fährt man keine Strecken, lässt sich kein Tempo aufnehmen.

Die brachiale Aktion der Stadt lässt sich mit dem Begriff “Schwarze Pädagogik” umschreiben: “Ich bin der Stärkere, ich bestrafe dich, wenn du nicht tust, was ich sage.” Kinder, die ihren Spielplatz dergestalt zerstört vorfinden, wurden für ihr Tun bestraft. Das ist die Sprache der Gewalt. Das ist so, als würde ein genervter Dirigent mit einer prähistorischen Keule statt mit einem Taktstock vor ein Orchester treten.

Foto: DAZ

Die in einer Presseerklärung der beiden Regierungsparteien CSU/Grüne angeführte Illegalität und die damit verbundene Haftungsproblematik scheint an den Haaren herbei gezogen. Der Vorschlag der Regierenden, dass die Verwaltung einen legalen Ausgleichsplatz suchen soll, zielt auf Schadensbegrenzung ab, da der politische Schaden für Eva Weber und Co. unerwartet groß ist. Dies hat auch damit zu tun, dass die beiden Oppositionsblöcke “Bürgerliche Mitte” und “soziale Fraktion” in großer Einvernehmlichkeit den Zerstörungseifer der Stadt als einen Skandal definieren.

“Kettensägenmassaker” nennt die soziale Fraktion den städtische Feldzug. “Mit Naturschutz hat das nichts zu tun, das ist Verwüstung pur! Die Anwohner sind schockiert! Um den Kindern den Spaß zu nehmen, wurden zahlreiche ausgewachsene Bäume gefällt. Was sagt der Grüne Umweltreferent Reiner Erben dazu?”, so die stärkste Oppositionsfraktion im Augsburger Stadtrat.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Jeder Radsportler, der nicht in geschützten Naturgebieten, Wäldern und Auen seinem Hobby nachgeht, ist ein “guter Radler”, weshalb kommunale Lenkungsmaßnahmen zu begrüßen sind, die die Unverbesserlichen unter den Bikern von Erholungsgebieten fernhalten.

Die Barbarei im Gögginger Wäldchen hat damit allerdings nichts zu tun.