Essen und Trinken
Guide Michelin: Augsburger Top-Restaurants behalten ihre Sterne
In Deutschland gibt es nur zehn 3 Sterne Restaurants. Zwei davon sind nicht weit von Augsburg entfernt: Das Überfahrt von Christian Jürgens in Rottach-Egern und als sensationeller Starter das „Jan“ von Meisterkoch Jan Hartwig in München. 2 Sterne Restaurants sind zahlreicher: 50 gibt es in dieser Kategorie. Eine Klasse tiefer sind es bereits 274 deutsche Restaurants, die am vergangenen Dienstag vom beispiellosen Gourmet-Ranking des Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet worden sind. Darunter zwei Augsburger: das Sartory in der Maximilianstraße und die Alte Liebe im Bismarck-Viertel. Das Augsburger Restaurant mit 2 Sternen (August) ist von Christian Grünwald beseelt, der seit einer kleinen Ewigkeit (seit 2008) mit großer Leidenschaft dieses Niveau hält.
Von Siegfried Zagler
Längst hat man sich in Augsburg mit dem Niedergang der gehobenen Gastronomie abgefunden, hat sich mit der kulinarischen Krise arrangiert und fährt ins Umland, wenn man Lust darauf hat, sich beim Essen mit Genuss und im passenden Ambiente zu entspannen. Die Familie Eberl in Hattenhofen oder Stefan Fuß (Goldener Stern) in Rohrbach stehen pars pro toto für solide bayerische Küche mit einem Hauch von Gourmet-Format. Ist also im oberen Mittelbau der Augsburger Gastronomieszene der Substanzverlust mit Händen zu greifen, hat die Stadt im Top-Bereich zugelegt. Die Augsburger Sterneköche Benjamin Mitschele, Simon Lang, Christian Grünwald und ihre Restaurants sind touristisch hochfunktionale Aushängeschilder und zählen nicht nur deshalb zu den seriösen Botschaftern der Stadt.
Orte der Sinnlichkeit
In den letzten Jahren hat sich die gesellschaftliche Akzeptanz der Sternerestaurants nahezu exponentiell erhöht. Längst haben mit Guide-Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurants den Geruch der verkrampften Dekadenz in ein positives Image gedreht. Das hat damit zu tun, dass sich das Bewusstsein für handwerklich hervorragende Kochkunst im Mittelstand weit verbreitet hat und der Stellenwert für hochwertiges Essen im gesamtgesellschaftlichen Fortschrittsprozess stark zugelegt hat. Die Sterne-Lokalitäten sind nicht mehr die geheimen Refugien für the happy few, die sich 150 Euro für ein Menü in einem Ein-Sterne-Restaurant leisten wollen, sondern Orte der Sinnlichkeit, die für alle Einkommensklassen möglich geworden sind, wenn man erstmal begriffen hat, dass es dort nicht nur ums Essen geht.
„Gast sein“ erhält seine ursprüngliche Bedeutung zurück
Ein Abend in einem Sternelokal erinnert daran, was es ursprünglich bedeutet hat, ein Gast zu sein. Bezahlt man für die Stunden der wahren Empfindung in einem 2 Sterne Restaurant zirka 250 Euro, so muss man bei einer 3 Sterne-Lokalität zirka einen Hunderter dazu rechnen. Was man allerdings an einem Abend für sein Geld von einem Christian Grünwald bekommt, kann man nirgendwo besser nachlesen als im „Sternefresser“. Dagegen wirkt die Zwei-Sterne-Begründung im neuen Guide Michelin beinahe sachlich:
„Geradezu ein Ort der Kunst! Da ist zum einen die spezielle Atmosphäre in der denkmalgeschützten Haag-Villa von 1877, zum anderen die Küche von Christian Grünwald, die man in dieser Form wohl kein zweites Mal findet. Er ist ein überaus kreativer Koch, der vor allem eines hat: seine eigene Handschrift! Und die gibt er in einem saisonalen Menü zum Besten – klasse schon die diversen Kleinigkeiten vorab. Die Natur bringt Inspirationen, die Produktqualität ist ausgezeichnet. Serviert wird auf beleuchteten „Schaufenster“-Tischen, unter deren Glasplatte Deko und Essbares präsentiert wird. All das erlebt man in überaus stilvollen Räumen, umsorgt von einem angenehm ruhigen und eingespielten Service – Christian Grünwald ist auch selbst „am Gast“ und erklärt die Kreationen.“
Als am Dienstagabend in Karlsruhe der Michelin-Stern für das Sartory im Hotel „Maximilian’s“ zum fünften Mal bestätigt wurde, war Küchenchef Simon Lang natürlich erleichtert. Die Sterne werden jährlich vergeben und sind als werbende Auszeichnung unschlagbar. „Es ist eine tolle Bestätigung für das gesamte Team und spornt uns an, so weiterzumachen“, so Lang, dessen 26 Plätze fassendes Restaurant im Guide Michelin für die „klassisch basierte Küche“ gelobt wurde:
„Schön modern präsentiert sich das kleine Gourmetrestaurant des geschichtsträchtigen Hauses, dem heutigen Hotel „Maximilian’s“. Das gilt für das klare frische Design ebenso wie für die klassisch basierte Küche. Unter der Leitung von Simon Lang wird mit sehr guten Produkten und saisonalem Bezug gekocht – teilweise kommen die Kräuter aus dem Garten des Küchenchefs. Eigenen Honig gibt es ebenfalls. Geboten wird ein Menü, auch als vegetarische Variante. Zusätzlich gibt es donnerstags ein Überraschungsmenü. Benannt ist das Restaurant übrigens nach Johann Georg Sartory, dem berühmten Augsburger Küchenchef a. d. 19. Jh.“
Es wäre völlig falsch, Benjamin Mitschele als Newcomer zu bezeichnen. Jahrelang überzeugte Mitschele in der ehemaligen Alten Liebe (Ludwigstraße) mit gradliniger und einfallsreicher Küche. Viele Stammgäste konnte er in die Alpenstraße mitnehmen, da er dort neben dem zweitägigen Menübetrieb, wofür er den Stern einheimste, zwei Tage Bistro mit Speisen á la carte anbietet. Ein Konzept, das wohl einzigartig ist – in der Welt der High-End-Gastronomie. Für sein Weinangebot und die ambitionierte Beratung wurde die Alte Liebe im Guide Michelin hervorgehoben:
„Inhaber und Küchenchef Benjamin Mitschele – in Augsburg schon lange als Gastronom bekannt – gibt hier zwei Konzepte zum Besten. Mittwochs und donnerstags bietet man als Bistro „Small Plates“ à la carte, freitags und samstags ein aufwändiges „Tasting Menu“. Hier wie dort sind die Gerichte durchdacht, geschmacksintensiv und ausdrucksstark. Dabei achtet man immer sehr auf Produktqualität und Saisonalität, einiges kommt aus der eigenen biozertifizierten Gärtnerei. Ambitioniert die Weinberatung. Die Atmosphäre ist angenehm modern-leger. Im Sommer nette Terrasse auf dem Gehsteig.“
So unterschiedlich die Künste und Konzepte der Augsburger Sterneköche auch sein mögen, so ähnlich sind ihre Detailbesessenheit und ihre Leidenschaft für die Entfaltung der Aromen. Die schwierige Kunst, für einzigartige Geschmacksempfindungen zu sorgen, erhält durch den Guide Michelin eine Anerkennung, die weltweit bekannt und hoch akzeptiert ist. Die Stadt Augsburg profitiert davon, weshalb Grünwald und Co. Kandidaten für die städtische Verdienstmedaille sein sollten. (Fotos: Mitschele: Thomas Stefan/ Grünwald: Daniel Blaser/ Lang: privat).