Hits für Spießer: Unterhaltsames zur Dreigroschenoper in Königsbrunn
Seit fünf Jahren schon ist Königsbrunn eine „Depandance“ des Brechtfestivals. Diesmal sprach der Musikwissenschaftler und Brechtforscher Joachim Lucchesi über die Lieder der Dreigroschenoper, unterstützt von Iris Marie Kotzian (Sopran) und Stefanie Knauer (Klavier).
Von Halrun Reinholz
Brecht ist natürlich nicht nur für Literaturwissenschaftler interessant. Seine Texte sind auch vielfach vertont worden, zunächst natürlich von ihm selbst, als er sie „zur Klampfe“ zum Besten gab. Das bekannteste Bühnenwerk Brechts ist die Dreigroschenoper mit Musik von Kurt Weill. Dieses Werk stand im Fokus des rührigen Professors Joachim Lucchesi, der in seinem Vortrag anlässlich des Brechtfestivals dem Publikum unterhaltsame Interna über dieses Werk verriet. Gibt es, so stellte sich die Frage, über Brechts populärstes Werk noch offene Fragen?
Lucchesi hat da einiges gefunden. Zum Beispiel die Ursprungsfassung der Dreigroschenoper (von ihm auch editiert), die später immer wieder verändert und angepasst wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Brecht unter dem Eindruck seiner Erfahrungen die Texte komplett umgearbeitet und ergänzt. Doch diese Fassung hat sich in der Nachkriegszeit nicht durchgesetzt. Nach der Premiere im Jahr 1928 in Berlin wurde die Dreigroschenoper schnell zum Publikumsrenner, nicht zuletzt wegen der eingängigen Songs. Kurt Weill komponierte daraus eine Suite, die Melodien waren Ohrwürmer und Hits der Zeit und wurden etwa im legendären Hotel Adlon als Tanzmusik gespielt. Das war nicht zuletzt das Ergebnis einer cleveren Marketingstrategie von Brecht und Weill, die sich die modernen Medien, damals die Schallplatte, zunutze machten.
Hintergründig und mit Humor präsentierte der Musikwissenschaftler Lucchesi sein Wissen. Die trockenen Fakten fanden eine unterhaltsame Illustration durch die beiden hervorragend agierenden Musikerinnen Iris Marie Kotzian (Sopran) und Stefanie Knauer (Klavier), die den Vortrag empathisch begleiteten. Auf den Mackie Messer Song musste das Publikum allerdings bis zum Schluss warten, stattdessen machte es Bekanntschaft mit dem (aus der Urfassung gestrichenen) Lucy-Song und anderen Schmankerln, die nicht zum bekannten Kanon gehören. Nicht ohne Hintersinn stellte Lucchesi selbst das Publikum auf die Probe, indem er etwa die Strophe mit dem Vers „liegt ein toter Mann am Strand“ vorsingen ließ. Die meisten Menschen seien der Meinung, das Wort „Strand“ werde nur „englisch“ ausgesprochen, weil es sich auf „nennt“ reimen soll. Doch der „Strand“ ist bis heute eine der wichtigsten Finanzstraßen Londons. Darauf seien auch Übersetzer hereingefallen, die das Tötungsdelikt an einen vermeintlichen Strand an der Themse gelegt hätten. Großer Aha-Effekt. Fazit: Ein kurzweiliger musikalischer Abend im beachtlich opulenten Königsbrunner Infopavillion, wo übrigens auch die Dioramen zur berühmten Schlacht auf dem Lechfeld untergebracht sind.