Mozartfest
Impressionen vom Mozartfest
Der kleine Goldene Saal in der Jesuitengasse belebt sich alljährlich im Mai, um das Mozartfest Augsburg zu beherbergen. Eröffnet wurde es in diesem Jahr mit einem Programm, das die Überschrift „1765“ trägt. Festivalmacher Simon Pickel gelingt der Spagat zwischen Konvention und Innovation.
Von Halrun Reinholz
Eine nette Idee der Veranstalter, die Auswahl der Musik an einer Jahreszahl festzumachen. Es war das Jahr, als der Kleine Goldene Saal mit seiner barocken Innenausstattung gebaut wurde. Es wurden aber auch lauter Kompositionen gespielt, die in diesem Jahr entstanden sind. Die erste Sinfonie des erst 8-jährigen Mozart und die Sinfonie Nr. 28 von Joseph Haydn eint dieses Entstehungsjahr.
Christoph Willibald Gluck, zu dem Zeitpunkt ein gestandener „50er“, steuert Rezitativ und Arie der Circe aus der Oper „Telemachos“ bei. Die Sopranistin Christina Landhammer kehrte nach der Pause wieder, in der Kantate für Sopran und Orchester „Ino“ des greisen 85-jährigen Georg Philipp Telemann. Die Akademie für Alte Musik Berlin, gern gesehener und bewährter Gast auf der Bühne des Mozartfestes und in diesem Jahr sogar „Orchstra in Residence“ des Festivals, versprühte schon durch die Dynamik der schieren Größe einen eindrucksvollen Charme, beeindruckte aber auch gleichzeitig durch die Disziplin des Zusammenspiels ohne Dirigent, aber unter der aufmerksamen Gesamtkoordination des Konzertmeisters Bernhard Forck.
Ebenfalls im Kleinen Goldenen Saal wurde nur einige Tage später dem Wienerlied „von Mozart bis Heller“ gehuldigt. Ein Genre, das es erst seit dem 19. Jahrhundert gibt und das, so nimmt es Festivalleiter Simon Pickel vorweg, in einem Mozartfestival eigentlich keinen Platz haben sollte. Doch die Rechtfertigung liegt auf der Hand: Mozart hätte das Wienerlied auch erfinden können, war er doch häufig in Wien beim Heurigen anzutreffen. Und ja, Mozart und Wien sind kaum zu trennen, wie das Eingangsstück beweist, das die Philharmonia Schrammeln Wien zum Besten gaben: Der „Mozartisten-Walzer“ im parodistischen Mozart-Stil stammt von Josef Lanner, dem Urgestein des Wienerlieds und der Wiener „Walzerseligkeit“. Die Philharmonia Schrammeln bestehen aus zwei Geigen (Johannes Tomböck, Dominik Hellsberg), einer Alt-Wiener Knöpfl-Harmonika (Günter Haumer), einer „Kontragitarre“ mit zwei Hälsen (Heinz Hromada) und dem „picksüßen Hölzl“, der kleinen Klarinette in Hoch G (Stefan Neubauer). Das Besondere dieses Konzertabends ist der Solist Günter Groissböck mit seiner Bass-Stimme, keine klassische Wienerlied-Lage. Der Nicht-Wiener versteht es dennoch und mit Bravour, dem Augsburger Publikum den Charme des Wienerlieds zu vermitteln, auch wenn sich zwischendurch auch andere wienerische Klänge hineinschleichen, die vom klassischen Wienerlied abweichen. So kommt der Titel des Abends „Geht`s und verkauft`s mei Gwand“ aus der Strauß-Operette Wiener Blut, doch klassische Ohrwürmer wie das Fiakerlied oder der alte Nußbaum fehlen selbstverständlich auch nicht. Den „klanen Lausbua“ kauft man Groisböck jedenfalls bedenkenlos ab. Zwischendurch zeigen die Schrammeln immer wieder auch eigenständig, wieviel Witz in der Schrammelmusik steckt, etwa durch die Ring-Quadrille nach Richard Wagner oder den Schrammel-Walzer „Dichterworte“. Als Zugabe kehrt der Opernsänger Groisbröck dann doch wieder zu seinen Wurzeln zurück und huldigt dem Namensgeber des Festivals mit „Lasci darem la mano“ aus der Oper Don Giovanni – eigentlich ein Duett, den Sopran-Part übernimmt die picksüße Klarinette mit Bravour.
Einen festen Platz im Mozartfest hat das Mini-Festival „Freistil“, das die aus Augsburg stammenden Künstler Sarah Christian und Maximilian Hornung schon seit acht Jahren etabliert haben. Dazu laden sie hochkarätige Künstlerfreunde ein, um mit ihnen Kammermusik zu machen. Für ihn, bekennt Maximilian Hornung, sei der Kleine Goldene Saal, den er seit seiner Kindheit kennt, einer der weltbesten Orte für Kammermusik. Der Beweis folgt auf den Fuß mit dem durchaus nicht gängigen „Amerikanischen Quartett“ von Antonin Dvorak. Nach der Pause wird die Überraschung jedoch noch auf die Spitze getrieben. Im Gegensatz zum bisherigen Prozedere erfolgte die Auswahl der Musik in diesem Jahr von den Künstlern selbst. Sie wählten außergewöhnliche, selten zum Einsatz kommende Stücke für ihre jeweiligen Instrumente aus und stellten sie auch selbst vor. So kam das Publikum in den Genuss von Solo-Instrumenten wie dem Kontrabass, der Bratsche oder dem Fagott, auf ungewöhnliche Klang-Experimente in Richtung Jazz (oder sowas Ähnliches) oder gar auf eine Eigenkomposition des Schlagwerkers Johannes Fischer, der seine „romantische Ader“ für die kleine Trommel in schlagende, pfeifende und gar singende Dimensionen brachte. Gemeinsam war den zwölf jungen Leuten die Begeisterung für ihr Instrument und für das experimentierfreudige Zusammenspiel. Der Funke wurde vom Publikum mühelos aufgegriffen, auch wenn es sich möglicherweise zunächst nur zögerlich auf die ungewöhnlichen Klänge eingelassen hatte. Zur Belohnung kam Beethoven als Zugabe – in der „Augsburger Fassung“ für die ungewöhnliche instrumentale Zusammensetzung adaptiert. Damit schloss sich der Kreis zum Bewährten, am zweiten Freistil-Abend stand Mahlers „Lied von der Erde“ auf dem Programm, das Ensemble erweiterte sich um den Dirigenten Gerald Karni, die Gesangssolisten Thomas E. Bauer und Ferdinand von Bothmer sowie ein Harmonium und eine Celesta gespielt von Paul Revinius.
Die Impressionen von den Festivalkonzerten zeigen, dass Simon Pickel der Spagat zwischen Konventionellem und aufregend Innovativem weitgehend gelingt. Er kann sich auf ein treues Publikum verlassen, das auf Bewährtes setzt, aber gern auch mal Neues erlebt. Und er ist gut vernetzt und kann für das Festival deshalb durchaus attraktive Künstler einladen. Durch Freistil werden die, wie Maximilian Hornung dankbar erwähnte, „verrückten Ideen“ der jungen Musikergeneration mit offenen Armen unterstützt. Die Mozartstadt macht ihrem Namen alle Ehre.