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Dienstag, 26.11.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Keine Grenzen für die Kreativität“

Das Augsburger Schauspiel startet ambitioniert in die Zeit mit Brechtbühne

Von Frank Heindl



„Wir werden viel wagen können, was wir bei Dierig und im tim nicht hätten machen können.“ Bei der Präsentation ihres neuen Spielplans für die nächste Saison 2012/13 zeigte sich Intendantin Juliane Votteler am vergangenen Freitag noch einmal begeistert von „ihrer“ neuen Brechtbühne und voller Tatendrang, was die zukünftige Theaterarbeit anbelangt. Der Kreativität seien „keine Grenzen mehr gesetzt“, so blies Kulturreferent Peter Grab ins selbe Horn. Und Schauspieldirektor Markus Trabusch freute sich, so einfach sei die Erstellung eines Spielplans in Augsburg für ihn „noch nie gewesen.“ Die Begründung, ebenfalls mit Blick auf die Brechtbühne: „In dieser Spielstätte geht so gut wie alles.“

Eine Menge Vorschusslorbeeren, die sich vor allem auf die neue Bühne bezogen, aber daneben natürlich auch auf die veränderten Arbeitsbedingungen: Die Intendanz hofft zumindest für die nächste Zeit auf ein Arbeiten ohne Kampf um Spielstätten, ohne Baustellentermine und ohne Finanzierungsnöte. Zwar geht es beim Schauspiel in der kommenden Spielzeit um die 70er-Jahre – doch Votteler holt sich ihre Begründungen derzeit auch gerne aus der Renaissance: Von „Aufbruch, Neuentdeckung, Durchbruch“ spricht die Intendantin, und von dieser Stimmung ist im neuen Spielplan durchaus etwas wiederzufinden.

Wütender Palästinenser mit israelischem Pass

Zum Auftakt der Saison wird Schauspieldirektor Trabusch unter dem Titel „Israel, mon amour“ zwei aus Israel kommenden Stücke auf der Brechtbühne inszenieren. Man darf hoffen, dass die Grass’schen Plattheiten, denen die Intendantin nichts abgewinnen kann, in diesen Stücken mit mehr Tiefe konfrontiert werden. Ein Wagnis wird die Inszenierung allemal, das zweite Stück „In Spuckweite“ stammt nicht nur von einem israelischen Palästinenser, es ist selbst der „wütende Monolog“ eines Palästinensers mit israelischem Pass. Ebenfalls auf die Brechtbühne kommt die zweite Neuinszenierung – sie bringt erstmals ein Stück von Elfriede Jelinek nach Augsburg: „Ulrike Maria Stuart“ vergleicht die Rivalitäten zwischen Terroristinnen und Königinnen, inszenieren wird Sylvia Sobottka, die in der laufenden Spielzeit die spritzig-witzigen „Gespräche mit Astronauten“ im Hoffmannkeller in Szene gesetzt hat. In Jean-Paul Sartres „Die schmutzigen Hände“ geht es um politischen Mord, und auch auf dieses Stück wird man sich besonders wegen der Regisseurin freuen können: Heike Frank, die in der laufenden Spielzeit mit großem Erfolg Peter Weiss‘ „Ermittlung“ im Justizpalast inszeniert hat, bringt nun Sartre auf die Bühne des Großen Hauses.

Ambitionierter Start in die Ära der Brechtbühne

Des Weiteren gibt es Büchners „Leonce und Lena“ in einer „Studiofassung für zwei oder drei Schauspieler“ in der Brechtbühne, den „Zauberer von Oz“ im Großen Haus, „Die neuen Leiden des jungen W.“ im Hoffmannkeller, Barlows „Messias“ auf der Brechtbühne. Im Februar wirkt sich erstmals die neue Kooperation von Theater und Brechtfestival aus – in der Brechtbühne mit „Im Dickicht der Städte“ ein als sperrig geltendes Stück des Namensgebers auf dem Programm, dazu kommen ein Gastspiel und ein „Festabend“ im Großen Haus. Dann folgt noch Lessing („Minna von Barnhelm“), ein „Roadmovie für Jugendliche“ mit dem Titel „Tschick“, und in „Der Ursprung der Welt“ kommt einmal mehr der Islam nach Augsburg. In „Bernarda Albas Haus“ wird eine gesellschaftliche Vergangenheit wach, die Europa noch nicht lange hinter sich hat, in „Zusammen!“ schließlich geht es um eine Wohngemeinschaft, deren Ansprüche mit der Wirklichkeit kollidieren …

Man darf sich in der Tat auf eine Saison freuen, von deren 13 (!) Neuinszenierungs-Stücken elf vom 20. Jahrhundert an entstanden sind, in der, anders gesagt, gegenwärtige Themen verhandelt werden. Was das Schauspiel anbelangt also ein ambitionierter Start in die neue Ära mit Brechtbühne und Großem Haus.

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